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Politik

Ein Paukenschlag für den Klimaschutz

Thurau Jens Kommentarbild App
Jens Thurau
29. April 2021

Selbst die Umweltaktivisten konnten es zunächst kaum fassen: Das Bundesverfassungsgericht verlangt, beim Klimaschutz heftig nachzubessern. Das rückt das Thema wieder ins Zentrum der Öffentlichkeit, meint Jens Thurau.

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Brennendes CO 2-Zeichen vor den Kühltürmen eines Kohlekraftwerks in der Abenddämmerung
Der CO2-Ausstoß löst den Klimawandel aus - Greenpeace-Aktion vor einem Kohlekraftwerk im hessischen HanauBild: picture-alliance/dpa/B. Roessler

Man ist ja in der hektischen und nach grellen Überschriften dürstenden Medienlandschaft dieser Tage schnell dabei, von "Paukenschlägen" zu sprechen. Nicht immer halten die lauten Ankündigungen wirklich, was sie versprechen. Aber diesmal, jetzt, ist es ein Paukenschlag: Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat entschieden, dass die Politik beim Klimaschutz nachbessern muss, weil das mühsam Ende 2019 vom Bundestag verabschiedete Klimaschutzgesetz in Teilen verfassungswidrig ist.

Das ist ein unerwarteter, großer Erfolg für die Kläger, zu denen klassische Umweltorganisationen wie der "Bund für Umwelt-und Naturschutz in Deutschland" (BUND), aber auch die Jugendbewegung "Fridays for future" zählen. Auf die Ängste und Sorgen vor allem junger Menschen beim Thema Klimaschutz zielt auch die wichtigste Begründung der Richter in Karlsruhe in ihrem Urteil ab: Schwarz auf Weiß schreiben sie den Politikern ins Stammbuch, es dürfe nicht einer Generation zugestanden werden, unter vergleichsweise milder Reduktionslast große Teile der Budgets an Kohlendioxid zu verbrauchen, wenn damit nachfolgenden Generationen größte Lasten aufgebürdet werden.

Die größten Aufgaben lösen wir später!

Bis Ende nächsten Jahres müssen deshalb schärfere Ziele auch für die Zeit nach 2030 festgelegt werden. Bislang will die Regierung bis 2030 gegenüber 1990 55 Prozent an Klimagasen einsparen, 40 Prozent sind auf diesem Weg schon geschafft, zuletzt auch als Folge der Corona-Pandemie mit den zeitweisen stark reduzierten wirtschaftlichen Aktivitäten. Bis 2050 soll dann Klimaneutralität erreicht sein. Aber wie das genau geschehen soll, wird eben nicht explizit aufgelistet.

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DW-Haupstadtkorrespondent und Klima-Experte Jens Thurau

Das trifft den Kern vieler Klimaschutzverträge und Gesetze, nicht nur in Deutschland: Stets werden eher milde Ziele für die nächsten Jahre beschlossen, um der Wirtschaft mehr Zeit für die Umstellung auf klimafreundlichere Produktionen einzuräumen. Den Forderungen von besorgten Wissenschaftlern und Klimaaktivisten wird dann mit Versprechungen für die Zukunft begegnet, gerne mit der Zusage, ab 2050 gar keine Klimagase mehr zu verbrauchen. Lässt sich leicht versprechen - ist ja noch lange hin!

Und: Vor allem der Bewegung "Fridays for Future" ist es zu verdanken, dass gerade in jüngster Zeit die zentrale Aussage des Pariser Klimavertrages von 2015 genauer zitiert wird. Die Erdtemperatur soll um nicht mehr als zwei Grad ansteigen, besser noch nur um 1,5 Grad. Die 1,5 Grad waren in den Jahren nach Paris bei vielen Plänen in vielen Ländern schnell in der Schublade verschwunden. Zu ambitioniert, nicht machbar, hieß es. Jetzt ist die Forderung wieder da. Und wird kaum wieder verschwinden.

Der Klimaschutz wird Wahlkampfthema

Deutschland war lange ein Vorreiter im Klimaschutz, hat in den vergangenen Jahren aber stark nachgelassen. Der geplante Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2038 kommt vielen Experten zu spät, der Verkehr und die Gebäude verursachen viel zu viele Emissionen. Getrieben worden ist die Politik - vor allem vor der Pandemie - von den jungen Aktivisten, die jetzt beim obersten Gericht des Landes einen spektakulären Erfolg feiern können. Die Pandemie hat den Klimaschutz in den zurückliegenden Monaten zwar aus den ganz großen Schlagzeilen verdrängt, aber spätestens jetzt ist das Thema wieder da.

Es wird ein heftiger Schlagabtausch werden, die Gesellschaft droht sich auch beim Thema Klima weiter zu spalten. Viele der rechtsgerichteten Corona-Leugner etwa bestreiten auch den vom Menschen verursachten Klimawandel. Aber gerade die junge Generation sieht längst den Zusammenhang von ständiger Naturzerstörung, dem Ausbruch von Pandemien und der Veränderung des Weltklimas. Im Wahlkampf in Deutschland in diesem Jahr wird es, das sagen uns Journalisten auch viele Politiker in Hintergrundgesprächen, um diese zwei Themen gehen: Corona und den Klimaschutz. Wissenschaftler erwarten in Europa abermals einen heißen Sommer. Und die Politik muss endlich handeln, sonst wenden sich die jungen Menschen endgültig ab. Noch ist es nicht zu spät.