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Weg mit dem Medaillenspiegel

Sarah Wiertz Tokio
8. August 2021

Gold über alles - oder zählt doch die Quantität allen olympischen Edelmetalls? Die Erfolgskriterien des Medaillen-Rankings sind fragwürdig und fördern zudem den Nationalismus, kritisiert DW-Redakteurin Sarah Wiertz.

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Olympische Sommerspiele 2020 | Reproduktion einer Medaille
Das Objekt jeglicher Begierde: die olympische GoldmedailleBild: Kim Kyung-Hoon/REUTERS

Jedes Mal das gleiche Spiel: der Kampf um den Medaillenspiegel bei den Olympischen Spielen - eine eigene Disziplin für sich. Die USA ist am letzten Tag der Spiele, kurz vor der Schlussfeier, 2020/21 im offiziellen Ranking  noch an China vorbeigezogen - eine Goldmedaille mehr als die Volksrepublik. Aber die USA zählt sowieso anders, ihr geht es um Quantität - also die Anzahl aller Medaillen - und da hat sie sogar deutlich mehr als China. Erfolg ist bei Olympia oftmals eine Frage der Zählweise.

Wer bestimmt die Kriterien für den Medaillenspiegel?

Es ist ein unwürdiger Kampf, der aus dem olympischen Programm abgeschafft gehört. Denn Medaillenrankings spiegeln nur den Output wider, nicht jedoch die Entstehung einer erfolgreichen Platzierung. Er provoziert staatlich gelenktes Doping und er bevorzugt Individual- vor Mannschaftssportarten sowie die Nationen, die viel Geld in den Sport pumpen.

DW Kommentarbild Sarah Wiertz
DW-Redakteurin Sarah Wiertz sieht im Medaillen-Zählen einen unwürdigen Kampf

Würde beispielsweise die Anzahl der Medaillen in Relation zur Bevölkerung und zum Bruttosozialprodukt gesetzt werden, stünden ganz andere Nationen weit oben: Jamaika oder Bahamas beispielsweise, oder das Kosovo.

Der Medaillenspiegel verkörpert zwar die olympische Idee des Strebens nach Höchstleistungen - allerdings nur auf Kosten anderer olympischer Werte: die eines gemeinsamen Sportfestes, um nationale Egoismen zu überwinden, ein Beitrag zu Frieden und internationaler Verständigung.

Wer profitiert vom Medaillenspiegel?

Im Gegenteil, der Medaillenspiegel wird von einigen Nationen benutzt, um ihre Macht und Stärke zu demonstrieren und mit Hilfe erfolgreicher Athletinnen und Athleten ihre politischen Systeme untermauern zu können. Medaillen werden als Errungenschaft von nationaler Bedeutung gefeiert. Er stärkt den Nationalismus, der zur politischen Brisanz und zu persönlichen Tragödien führt.

Chinas Mixed-Tischtennis-Team hat sich öffentlich und unter Tränen dafür entschuldigt, "nur" die Silbermedaille gewonnen zu haben. "Wir haben das Team im Stich gelassen", sagte Liu Shiwen, während Xu Xin meinte: "Das ganze Land hat auf dieses Finale geguckt. Ich denke, das chinesische Team wird das Ergebnis nicht akzeptieren."

Der Druck auf chinesische Athleten aufgrund der hegemonialen Bestrebungen des Landes war wohl noch nie so groß - und die Last der Erwartungen dürfte für sie nicht gerade geringer werden, rund sechs Monate vor Beginn der Olympischen Winterspiele 2022, die in Peking stattfinden.

DW Kommentarbild Sarah Wiertz
Sarah Wiertz Teamleiterin Sport Online