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Politik

Den Tätern keine Bühne!

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Hans Pfeifer
21. Dezember 2020

Für den Anschlag auf eine Synagoge in Halle und zwei Morde wurde Stephan B. zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Verdienst des Gerichts: Es hat auch den Opfern der furchtbaren Tat zugehört, meint Hans Pfeifer.

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Gedenktafel an der backsteinernen Außenwand der Synagoge von Halle mit folgender Inschrift: "Im Gedenken an Jana Lange und Kevin Schwarze und alle weiteren Opfer des antisemitischen Terroranschlags am Jom Kippur 5780 - 9. Oktober 2019 auf die Hallesche Synagoge und einen Imbiss"
Gedenktafel an den Anschlag und seine Opfer, die an der Außenwand der Synagoge von Halle angebracht wurdeBild: Hans Pfeifer/DW

Ein Strafprozess hat einen klaren Auftrag: Er verhandelt die Frage der Schuld eines mutmaßlichen Täters und muss bei einem Schuldspruch über die Strafe entscheiden. Naturgemäß dreht sich so ein Verfahren um die Person des Täters oder der Täterin, denn schließlich hat es für diese die unmittelbarsten Konsequenzen.

Im Falle von Verbrechen mit einem politischen Tatmotiv sind Verhandlungen häufig eine Belastung für die Opfer und ihre Angehörigen. Denn viele Täter verharmlosen in solchen Verfahren ihr Tun. Oder schlimmer noch: Sie suchen den großen Auftritt und schmücken sich mit ihren Grausamkeiten. Viele Betroffene schildern, dass solche Verhandlungstage für sie kaum zu ertragen sind.

Antisemitische Propaganda

Auch im Strafverfahren gegen den Attentäter von Halle hat der jetzt verurteilte Mörder Stephan B. seine Bühne gesucht. Er ist ein Rechtsextremist mit Sendungsbewusstsein: seine Morde hat er als Livestream in den Sozialen Medien übertragen. Auch vor Gericht wollte er seine antisemitische Propaganda verbreiten und leugnete den Holocaust.

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DW-Redakteur Hans PfeiferBild: DW/B. Geilert

Aber die Vorsitzende Richterin hat die antisemitische, rassistische und rechte Selbstdarstellung immer wieder in die Schranken. gewiesen Mehr noch: Sie ließ die Angehörigen der Opfer und die Betroffenen ausführlich zu Wort kommen. Sie konnten in diesem Verfahren vor großer Öffentlichkeit erzählen, wie groß ihre Erschütterung ist. Wie tief die Angst vor Wiederholungstaten sitzt. Wie groß die Empörung über das unsensible und inkompetente Verhalten der Polizei ist.

Die Betroffenen rechter Gewalt werden lauter

Das ist eine der großen Veränderungen in Deutschland: Die Betroffenen von rechter Gewalt werden lauter und damit hörbarer. Sie treten als Nebenkläger auf und finden auf Facebook, Twitter und YouTube Plattformen, um ihre Sicht darzustellen. Und sie vernetzen sich, um ihren Stimmen mehr Gewicht zu verleihen und die oftmals träge Gleichgültigkeit der Mehrheitsgesellschaft nicht durchgehen zu lassen.

Viele Betroffene von antisemitischer und rassistischer Gewalt fühlen sich weit über einen einzelnen Vorfall hinaus bedroht. Ihr Sicherheitsgefühl ist oftmals erheblich erschüttert. Wenn Polizei und Justiz diese Erschütterungen nicht ernst nehmen, dann ist das fatal. Die Betroffenen brauchen die Hilfe und den Schutz des Staates. Darauf haben sie ein moralisches Recht. Wie sehr es aber daran noch mangelt - auch das haben die bewegenden Aussagen der Betroffenen in dem wichtigen Strafprozess von Halle deutlich gemacht.

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Hans Pfeifer Autor und Reporter