1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Marketing-Magie dank Einhorn

Sophie Schimansky New York
17. August 2017

Das Einhorn ist ein Marketingwunder - Konsumenten reißen den Unternehmen ihre speziellen Einhornprodukte praktisch aus den Händen. Die Gründe für den Hype sind vielfältig. Von Sophie Schimansky, New York.

https://p.dw.com/p/2hftV
USA New York - Brooklyn Owl in New York
Bild: DW/S. Schimansky

Auf den Knien rutscht Joshua durch den kleinen Laden Brooklyn Owl an der Flatbush Avenue in Brooklyn. Er trägt ein pinkes Shirt und ein blaues Horn auf dem Kopf, Modell Blue Glitter. Der 32-Jährige ist auf der Suche nach den magischen Worten, denn er steckt mitten in einem Test. Die Verkäuferin, ebenfalls mit Horn auf dem Kopf, ruft ihm zu, er solle es doch mal unter der letzten Reihe der farbigen Hörner probieren.Joshua entweicht ein erleichtertes "Aaaaaaaaaaah” - er hat es gefunden, das kleine Zettelchen. Und jetzt? Jetzt solle er sich vor den Spiegel stellen und diese magischen Worte voller Überzeugung aussprechen: "Ich kann alles sein, was ich will." Die Glühbirnen am Rahmen des Spiegels leuchten auf und Musik ertönt.

Wenn ein Erwachsener in New York auf geheime Schatzsuche geht, dann sind Einhörner nicht weit. Die Gründerin von Brooklyn Owl Annie Bruce verkauft Einhornzubehör. Sie fertigt Ketten, Haarspangen und Kopfschmuck an, Hörner, in allen Formen und Farben. Ihre Tochter Bee sagt, ihre Mutter sei nicht wie andere Mütter: "Sie ist ein Einhorn."

USA New York - Brooklyn Owl in New York
Hauptsache Einhorn - angefertigt von Annie BruceBild: DW/S. Schimansky

Trends entspringen oft aus Subkulturen heraus

Mit den handgemachten Hörnern lag Bruce vor sieben Jahren weit vor dem Trend. Wie so oft ist er einer Subkultur entsprungen. Und weil er erfolgreich war, griffen internationale Konzerne ihn auf. Und nichts verkauft sich inzwischen so gut wie Einhorn-Versionen von ganz normalen Produkten, sagt Isra Ali von der New Yorker Universität, an der sie Medien und Kulturwissenschaften unterrichtet. Einhorn-Muffins, Sushi, Limonade, Schmuck, Schminkpinsel, T-Shirts und sogar Autos - der Carsharing Service Zipcar vermietete im Juni für eine Woche ein Einhorn-Auto, mit Plüsch, Pailletten und natürlich einem Horn. Auch virtuell, im Smartphone, gibt es inzwischen ein Einhorn-Emoji.

Einhorn-Frappuchino und Limonade

Einhorn-Mania - wie ein Tier zum Trend wird

Der prominenteste Fall aber dürfte die amerikanische Kaffeehauskette Starbucks sein, die für einen begrenzten Zeitraum im April den Unicorn Frappucchino anbot. Kaffee, weiße Schokolade, Mangosyrup und saurer Zucker. In knalligen Farben sollte er vor allem eines tun; wie ein Einhorn aussehen und heißen. Für das Unternehmen lohnte sich das limitierte Getränk trotz aller Kritik am zuckrigen Geschmack. CEO Howard Schultz sagte im April, der Unicorn Frappuchino habe deutlich mehr Kunden in die Filialen gezogen. Der Absatz in den Filialen sei um rund vier Prozent gestiegen.

Ein weiteres Beispiel ist der amerikanische Getränkehersteller Polar Seltzer aus Massachusetts. Zum 1. April waren 5.000 Kästen Einhorn-Tränen-Limonade zu kaufen. Dazu lieferte Polar Selzer gleich eine nette Geschichte: Polar Seltzer Vater Dennis Crowley habe 1882 zusammen mit einem Einhorn das sprudelige Seltzer erfunden. Selbst das Logo der Marke, ein Eisbär, erhielt für die Einhornausgabe ein Horn auf die Stirn. Das ganze war als Marketing Gag gedacht, doch das Getränk war weit mehr als nur ein Aprilscherz - als die limitierte Auflage ausverkauft war, wurden die Flaschen auf eBay für 100 Dollar verkauft. Gerade hat der Getränkehersteller eine neue Auflage auf den Markt gebracht, dieses Mal auch in schimmernden kleinen Dosen, zusammen mit drei anderen magischen Geschmacksrichtungen - Meerjungfrauen, Yetis und Drachen. Eine Ein-Liter-Flasche der Einhorn-Tränen gibt es auf eBay für sagenhafte 100 Dollar zu kaufen.

Einhorn tränen in Flasche
Becher mit Einhorn-Tränen als Handtasche - der Phantasie sind keine Grenzen gesetztBild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

Das Einhorn als Verkaufswunder

Unternehmen können sich dank des Fablwesens offensichtlich einen Umsatz-Boost verschaffen, sagt Isra Ali. Hinter der verspielten, bunten und fröhlichen Kreatur steckt knallhartes Marketing. Die kaufwilligste und kaufkräftigste Gruppe sind Millennials, also Menschen, die zwischen 1980 und 2000 geboren wurde. Sie ist größer und konsumbereiter als jede andere Generation, hat die Marktforschung Rakuten herausgefunden. Sie macht ein Viertel der amerikanischen Bevölkerung aus und ist damit die größte Bevölkerungsgruppe in den Vereinigten Staaten. Autor Micah Solomon schätzt, dass die amerikanischen Millenials dieses Jahr rund 200 Milliarden Dollar ausgeben werden. "An diese Gruppe kommt man besonders gut über Nostalgie heran”, sagt Isra Ali. Und weil vor allem in den 80er und 90er Jahren Einhörner in allen Formen und Farben angesagt waren, kommen sie nun so gut bei den Millennials an.

USA New York - Brooklyn Owl in New York
Noch mal Kind seinBild: DW/S. Schimansky

Einhorn - das Wesen einer Generation

Das Einhorn besitzt Merkmale, die den Millennials wichtig sind: Einhörner sind bunt und stechen somit allein farblich aus der Masse heraus. Marktforscher sind sich einig: Individualität ist Millennials sehr wichtig. "Konsumenten sollen glauben, sie hätten einen Trend selbst gesetzt”, sagt Ali. So zum Beispiel sollen Einhorn-Produkte den Käufern das Gefühl geben, dass sie etwas ganz Besonderes sind und konsumieren. Etwas, mit dem sie sich ihre kindliche Seite bewahren - ebenfalls ein Volltreffer für Marketingprofis, denn vor allem die Millennials wollen später heiraten, Eltern werden, einen festen Job haben und lieber länger Kind sein.

Das Einhorn lässt sich mit der Regenbogenmähne auch gut für Kampagnen einsetzen, die Themen ansprechen, die den Millennials am Herzen liegen: Die Akzeptanz von LGBT zum Beispiel. Das Einhorn steht für Stärke und Mut, ebenfalls Merkmale, die Millennials besonders schätzen.

Selbst in die Finanzwelt hat das Einhorn es geschafft: Technologie-Start Ups, die von privaten Investoren mit einer Milliarde Dollar bewertet sind, werden Einhorn genannt. Also die Unternehmen, die vor allem bei Millennials bekannt sind und genutzt werden: Die Internetseite AirBnB zum Mieten und Vermieten von privaten Unterkünften, die sozialen Netzwerke Snap, Facebook und Fahrdienst Uber.

Schweden Stockholm- Pride Parade als Einhorn verkleidet
Geht auch gut als Kostüm (hier bei der Pride parade in Stockholm)Bild: picture-alliance/CITYPRESS 24/S. Holm

Politische Instabilität fördert Sehnsucht nach Kindertagen

Doch es ist nicht nur die Zielgruppe, es sind auch Zeit und Umfeld. In Zeiten von politischer Instabilität sehnen sich Menschen nach weniger komplizierten Zeiten und alles, was sie an diese erinnert, sagt Ali. Das Einhorn ist ein harmloses, fröhliches Geschöpf, das keiner tieferen Auseinandersetzung in Gesprächen bedarf, im Gegensatz zu vielen anderen komplexen Themen. Dabei spielen vor allem die sozialen Netzwerke eine große Rolle, als Medium zur Meinungsverbreitung. Auch hierfür eignen sich die Farben besonders gut, denn sie fallen auf und sind angenehm fürs Auge.

"Wenn ich das Einhorn als Marketinginstrument bewerten müsste, würde ich eine glatte Eins geben", sagt Ali. Doch das Einhorn wird nur solange erfolgreich sein, wie Konsumenten es als etwas Besonderes empfinden. Dass eine internationale Kette wie Starbucks bereits auf- und wieder abgesprungen ist, zeigt, dass der Trend seinen Höhepunkt erreicht hat, sagt Ali. Konzerne wie Starbucks würden Trends nicht unbedingt setzen, sondern verfolgen, wenn bereits feststehe, dass sie erfolgreich sind. Als nächstes kommt übrigens die Meerjungfrau, vermuten Marktforscher - ebenfalls ein buntes, fabelhaftes und positives Wesen, das Millennials an zahlreiche Filme und Produkte aus der Kindheit erinnert.