Mallorca-Urlaub mit schlechtem Gewissen
29. März 2021Etwas unangenehm scheint es Elaine (26) und Enrico (28) schon zu sein, dass sie nun bei strahlendem Sonnenschein am Strand liegen können, während in der Heimat die Corona-Zahlen in die Höhe schießen, der Lockdown verlängert wurde und Inlandstourismus nach wie vor nicht möglich ist. "Wir mussten einfach endlich mal wieder raus", sagen die beiden Berliner. Ihre Nachnamen wollen sie lieber für sich behalten. "Man wird schief angesehen, wenn man sagt, dass man jetzt nach Mallorca reist." Deshalb haben sie kaum jemandem von ihren Urlaubsplänen erzählt. "Auch in der Familie hatten wir Diskussionen darüber", sagen sie. "Uns wird vorgehalten, dass wir hier einen Egotrip machen."
Auch das Pärchen aus der Nähe von München, das ein Stück weit entfernt die Sonne genießt, will lieber anonym bleiben. "Wir haben lange hin und her überlegt, ob wir wirklich kommen sollen", sagen die beiden. "Eigentlich müsste man ja bleiben, wo man ist. Bis das Virus ausgerottet ist." Letztendlich überwog aber die Lust, mal wieder mit dem Rennrad über die Insel zu fahren.
Kein Verständnis für die Diskussionen in den vergangenen Tagen um die Mallorca-Reisen tausender deutscher Spontan-Urlauber hat ein Mann aus Aachen, der seinen Namen ebenfalls nicht verraten will. "Bei der Debatte in Deutschland meint man ja, hier wäre wer weiß was los."
Das Bild, das dort gezeichnet werde, entspreche aber nicht der Realität. "Hier ist nirgendwo Party", sagt er und zeigt dorthin, wo die berüchtigten Ballermann-Lokale liegen, die tatsächlich noch komplett verrammelt sind - wie schon seit Monaten. Lediglich ein paar Restaurants und Cafés haben geöffnet. Bis 17 Uhr dürfen dort auf der Terrasse Gäste bewirtet werden. Dann ist gezwungenermaßen Feierabend.
Strenge Vorschriften, auch für Urlauber
Mit Anti-Corona-Regeln wie diesen hat es die Balearen-Regierung zuletzt geschafft, die Inzidenzwerte so weit zu senken, dass die Bundesregierung die Reisewarnung für die Insel und damit die Quarantänepflicht für Rückkehrer am 14. März aufhob - woraufhin die Reiseveranstalter mehr Flüge anboten und einen spektakulären Anstieg der Buchungszahlen verzeichneten. Es gibt Kontaktbeschränkungen, eine allgemeine Maskenpflicht in der Öffentlichkeit und eine Ausgangssperre zwischen 22 und 6 Uhr. Auch Inlandsreisen ohne triftigen Grund sind in Spanien derzeit verboten.
Dass nun wieder vermehrt ausländische Urlauber auf die Insel kommen, ist der Balearen-Regierung jedoch nicht ganz geheuer. Die Sorge vor einem erneuten Anstieg der Infektionszahlen ist groß. Darum gelten auch für Touristen strenge Vorschriften. So muss jeder von ihnen bei der Einreise einen negativen PCR-Test vorlegen, vor der Rückreise dann einen negativen Antigen-Test, auch wenn Mallorca nicht mehr als Risikogebiet gilt. "Wenn ich jetzt immer so Urlaub machen müsste, dann würde es mich nerven", sagt Enrico, während er sich den Sand von den Füßen streift. "Diesmal nehmen wir es aber in Kauf."
Ein paar Straßen weiter begrüßt gerade Tina Ferrer die ersten deutschen Mallorca-Urlauber seit dem vergangenen Sommer. Eben hat ein Bus vor dem Hotel Riu-Festival gehalten und nun checken die Pauschalreisenden ein. Die Direktorin höchstpersönlich weist ihnen den Weg und erklärt das Hygienekonzept: Hände desinfizieren, Abstand halten, Maske tragen. Eine Wärmebildkamera am Eingang zeigt an, wenn jemand Fieber hat. Innerhalb weniger Tage habe sich die Auslastung bei ihnen mehr als verdoppelt, sagt Ferrer. Die Verunsicherung aber sei noch immer groß. "Die Deutschen buchen ja am liebsten schon heute den Urlaub fürs nächste Jahr." Das habe sich in der Pandemie geändert. Nun kämen die meisten Leute kurzentschlossen. Um die letzten Zweifel zu beseitigen, bietet Riu kostenlose Stornierungen an. "Das ist für uns natürlich ein Risiko, aber es geht nicht anders."
Der Ansturm ist ein laues Lüftchen
40.000 deutsche Urlauber erwarten Mallorcas Hoteliers über die Ostertage, berichten Inselmedien. Klingt viel, ist es aber nicht. In der Osterwoche 2019 - vor Corona also - wurden am Inselflughafen im selben Zeitraum mehr als eine Million Passagiere abgefertigt. Der Ansturm ist in Wahrheit ein laues Lüftchen. Das sieht zumindest Juana Sánchez so. Sie betreibt einen Souvernirladen direkt an der Kathedrale in Palma und ist ziemlich verzweifelt. "Heute habe ich nichts verkauft, gar nichts", sagt sie. Schon seit mehr als einem Jahr mache sie so gut wie keinen Umsatz. "Ich sehe schwarz. Wir steuern alle auf den Ruin zu."
Tatsächlich hat das Ausbleiben der Urlauber Mallorcas Wirtschaft hart getroffen. Vertreter der Hoteliers, der Gastronomen, des Einzelhandels und vieler anderer Branchen, die ebenfalls zum Großteil vom Tourismus abhängig sind, malen die Situation seit Monaten in den düstersten Farben. Hunderte Firmen stehen vor der Pleite, die Arbeitslosenzahl ist auf Rekordniveau. Wenn keine Urlauber kommen, dann steht auf Mallorca fast alles still. Im vergangenen Jahr lag die Touristenzahl um 80 Prozent unter der des Vorjahres.
150 Gäste im ganzen Jahr
Die Auswirkungen spürt auch Bernd Hartmann. "150 Gäste hatten wir im gesamten Jahr 2020", sagt der gebürtige Frankfurter, der an der Playa de Palma das Hostal Alce bertreibt. Auch in diesen Tagen stehen die Zimmer noch allesamt leer. Eigentlich wäre es besser, nun noch ein paar Monate zu warten, findet er, damit der Tourismus dann in der eigentlichen Hochsaison so richtig wieder losgehen kann. "Damit es nicht wieder so ein Chaos gibt wie im vergangenen Jahr."
Damals hatten die Balearen frühzeitig wieder Urlauber ins Land gelassen, woraufhin die Zahl der Infektionen rasant anstieg. Das Auswärtige Amt sprach dann im August die Reisewarnung für die Inseln aus - was gleichbedeutend war mit dem Ende der Tourismussaison. "Wir haben ein paar Reservierungen für Juni und Juli", sagt Hartmann. "Die Leute sind aber noch sehr verhalten." Er rechnet mit einem weiteren harten Jahr.
Den gewohnten Touristenbetrieb wird es auf Mallorca also wohl erst 2022 wieder geben. Darauf hoffen auch Elaine und Enrico, die dann auf jeden Fall wiederkommen wollen. "Wir fahren jedes Jahr nach Mallorca." Künftig dann auch wieder mit gutem Gewissen.