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Politik

Liebe Männer, ohne Frauen keine Knete?

11. November 2019

Finanzminister Olaf Scholz will reinen Männervereinen die Gemeinnützigkeit entziehen. Aus der Union hagelt es Kritik, auch der Katholische Männerverein Tuntenhausen ist nicht begeistert. Was würde sich eigentlich ändern?

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Deutschland Männergesangverein Concordia
Männerchöre hatte Olaf Scholz vermutlich nicht im Visier, könnten aber auch von einer Änderung betroffen seinBild: picture-alliance/dpa/F. Gentsch

Steuervorteile aufgeben oder Sopranistinnen aufnehmen - stehen Männergesangvereine zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen schon bald vor dieser Entscheidung? Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat in der "Bild am Sonntag" angekündigt, dass reine Männervereine künftig nicht mehr als gemeinnützig anerkannt sein könnten: "Wer Frauen ausschließt, sollte keine Steuervorteile haben und Spendenquittungen ausstellen", zitierte die Boulevardzeitung den Vizekanzler. Es gebe deutschlandweit Hunderte Vereine wie Schützengilden oder Sportclubs, die ausschließlich Männer zuließen. Das Finanzministerium erklärte, zur Anzahl der betroffenen Vereine ließen sich keine Angaben machen.

(Männer-) Chor der Entrüstung

Es folgte ein (Männer-) Chor der Entrüstung: "Absolut überzogen", sagte Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU). Sein nordrhein-westfälischer Amtskollege Lutz Lienenkämper (CDU) erklärte, er gehe davon aus, "dass die CDU/CSU-Bundestagsfraktion das verhindert". Und Wirtschaftsstaatssekretär Thomas Bareiß, ebenfalls CDU, sagte: "Es wird Zeit, dass die Kandidatenkür der SPD ein Ende nimmt, die Ideen werden immer abstruser." Scholz kandidiert gerade gemeinsam mit der Brandenburgerin Klara Geywitz für den SPD-Vorsitz. Es wäre fraglich, ob er sich bei einer Niederlage gegen das zweite verbliebene Kandidatenduo (Norbert Walter-Borjans/Saskia Esken) als Finanzminister halten könnte.

Deutschland Regierung - Seehofers Führungsriege
Männerclub der anderen Art: Dieses Teamfoto des Bundesinnenministeriums hatte vor anderthalb Jahren Forderungen nach Frauenbeteiligung nach sich gezogenBild: picture alliance/dpa/Bundesministerium des Innern für Bau und Heimat

Parteiinterner Wahlkampf hin oder her - das Bundesfinanzministerium begründete den Vorstoß gegenüber der DW jedoch mit einem Urteil des Bundesfinanzhofes von 2017, einer Freimaurerloge die Gemeinnützigkeit zu entziehen. "Im vorvergangenen Jahr hatte der Bundesfinanzhof entschieden, dass ein Verein dann nicht gemeinnützig sein kann, wenn er Frauen ohne sachlichen Grund von der Mitgliedschaft ausschließt", schrieb eine Sprecherin. Daraufhin habe es jedoch viele Nachfragen seitens der Finanzämter gegeben, die "mit der geplanten gesetzlichen Regelung im Gemeinnützigkeitsrecht nun grundsätzlich und zeitnah beantwortet werden sollen".

Der Bundesfinanzhof berief sich damals auf Artikel 3 des Grundgesetzes, in dem es explizit heißt: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat (...) wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin."

Als Voraussetzung, um einen Verein als gemeinnützig anzuerkennen, hat der Gesetzgeber derzeit 25 verschiedene Zwecke definiert, darunter so unterschiedliche Bereiche Religion, Kunst und Kultur, Hilfe für Verfolgte und Flüchtlinge, Unfallrettung, Tierschutz, Sport oder Entwicklungszusammenarbeit. Die örtlichen Finanzämter prüfen in regelmäßigen Abständen, ob Vereine die Voraussetzungen erfüllen und verzichten auf die Körperschaftssteuer; außerdem dürfen gemeinnützige Vereine Spendenquittungen ausstellen, die wiederum den Spendern steuerliche Vorteile bringen.

Marcel Hube Mitglied des Bayerischen Landtags
Marcel Huber, Vorsitzender des Männervereins TuntenhausenBild: picture-alliance/SvenSimon/F. Hörmann

Anruf beim Männerverein Tuntenhausen

Aus Sicht des bayerischen CSU-Landtagsabgeordneten Marcel Huber ist Scholz' Vorstoß gegen die Männervereine "etwas einseitig". Huber ist Vorsitzender des Katholischen Männervereins Tuntenhausen, der programmatisch und personell eng mit der CSU verwoben ist. Dass die rund 1000 Mitglieder sämtlich männlich sind, sei für ihn nicht entscheidend, sagt Huber im DW-Interview: "Man kann sicherlich darüber nachdenken, ob man das irgendwann einmal öffnet, es könnte auch ein Wallfahrtsverein sein. Aber die Mitglieder, die 150 Jahre Tradition vertreten, die tun sich schwer, das jetzt schnell mal zu ändern, weil ein Finanzminister aus Hamburg Druck macht."

An den Veranstaltungen des Vereins seien ohnehin auch Frauen beteiligt, ein Drittel der Teilnehmer der kürzlich absolvierten Rom-Wallfahrt seien Frauen gewesen. "Das ist ganz normal, da denkt überhaupt niemand dran, dass das jetzt in irgendeiner Form auf Männer beschränkt wäre", sagt Huber. Aber: "Was heute nicht möglich ist, dass sich Frauen in den Vorstand wählen lassen."

Den Verein für Frauen zu öffnen, habe bisher nicht zur Debatte gestanden. "Aber allein die Tatsache, dass wir quasi aus Berlin und Hamburg Druck bekommen, sich des Themas anzunehmen, wird nicht zu großer Bereitschaft führen, sich zu bewegen", schätzt Huber. Er sagt jedoch auch: "Die Gesellschaft wird offener. Wahrscheinlich muss man auch die Vereinssatzungen anpassen an die veränderte Welt."

Deutschland Schützenverein Bergisch Gladbach-Schildgen
Einige Schützenbruderschaften sind nur Männern vorbehalten - in anderen Vereinen gibt es auch "Schützenliesel"Bild: picture-alliance/imagebroker/A. Luhr

Sollten sich Männerchöre für stille Mitglieder öffnen?

Der Katholische Männerverein Tuntenhausen ist aber ohnehin nicht als gemeinnützig anerkannter Verein organisiert - insofern würde sich für die Oberbayern eh nichts ändern. Auch für viele rein männliche Studentenverbindungen würde sich nichts ändern, weil sie ebenfalls nicht als gemeinnützig anerkannt sind, erklärten Sprecher zweier Dachverbände der DW. Welche und wie viele Vereine von einer Änderung betroffen wären, ist nicht absehbar, weil es keine zentralen Register gibt und weil die Aufnahmeregularien von Satzung zu Satzung unterschiedlich sind. Scholz' Ankündigung bedeutet aber wohl kaum, dass vielen Vereinen nun dauerhaft Privilegien gestrichen werden sollen. Schließlich könnten sie mit einer einfachen Satzungsänderung die Mitgliedschaft vom Geschlecht unabhängig machen.

So würde sich vermutlich für Männergesangvereine weder musikalisch noch fiskalisch groß etwas ändern. Solange die Vereine laut Satzung auch weiblichen Mitgliedern offen stehen, ist die Gemeinnützigkeit nicht in Gefahr, selbst wenn im eigentlichen Ensemble weiterhin nur Männer mitwirken. (Selbiges gälte natürlich auch für Männer als Vereinsmitglieder in Frauenchören.) Allerdings dürften zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen wohl nur wenige Frauen und Männer den Wunsch verspüren, als stilles Mitglied einem Chor beizutreten, während sie in anderen Chören auch mitsingen könnten.