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Politik

Machtkampf in Venezuela: Wo steht Afrika?

Clarissa Herrmann
1. März 2019

Die internationale Gemeinschaft ist angesichts der Krise in Venezuela tief gespalten. Im UN-Sicherheitsrat sind zwei Resolutionsentwürfe gescheitert. Die meisten afrikanischen Staaten wollen sich nicht positionieren.

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Jorge Arreaza überreicht dem Enkel Nelson Mandelas, Mandla Mandela, ein Schwert
Der frühere venezolanische Vizepräsident Arreaza bei einem Besuch in SüdafrikaBild: picture-alliance/AP Photo/M. Schreiber

Was ist die richtige Antwort auf die Venezuela-Krise? Am Donnerstag beschäftigte diese Frage auch den UN-Sicherheitsrat in New York. Russland und die USA brachten jeweils Resolutionsentwürfe ein. Die USA forderten freie Wahlen und die ungehinderte Einfuhr von Hilfsgütern. Neun Länder befürworteten die Initiative, darunter Deutschland. Südafrika stoppte das Vorhaben jedoch gemeinsam mit den Vetomächten Russland und China. Die stimmten wiederum für den russischen Gegenvorschlag, der jede Einmischung in die inneren Angelegenheiten Venezuelas zurückwies. Unterstützung bekam der Text auch von Äquatorialguinea, scheiterte aber an zu wenigen Stimmen.

Seit Wochen tobt in Venezuela ein erbitterter Machtkampf zwischen dem autoritären Staatschef Nicolas Maduro und Oppositionsführer Juan Guaidó, der sich selbst zum Übergangspräsidenten ausgerufen hat. Die Wirtschaft liegt am Boden, die Armut wächst. Immer mehr Menschen flüchten in die Nachbarländer.

Eine Frage der Legitimität

Henning Suhr, Leiter des Südafrika-Büros der CDU-nahen Konrad Adenauer Stiftung, war von 2013 bis 2017 in Venezuela tätig. Die Regierung halte sich nicht an die Entscheidungen des Parlaments, sagt er im DW-Interview. So hätte das Parlament vor den letzten Wahlen eigentlich eine neue Wahlkommission bestimmen müssen. Das habe Maduro jedoch ignoriert. "Deswegen erklärte das Parlament die zweite LegislaturperiodeMaduros für illegal", so Suhr. 

Der UN-Sicherheitsrat bei seiner Sitzung vergangenen Donnersta
Der UN-Sicherheitsrat konnte sich nicht auf eine Resolution zur Venezuela-Krise einigenBild: picture-alliance/dpa/S. Wenig

Saleh Kebzabo hingegen hält das Argument für vorgeschoben. "Das ist nur ein Vorwand der Großmächte, denen es um ihre eigenen Interessen geht", sagt der Chef der Oppositionspolitiker aus dem Tschad im Gespräch mit der Deutschen Welle. Auch die Staatengemeinschaft des südlichen Afrikas (SADC) hält zu Staatschef Maduro. Etliche Länder hätten sich bemüht, eine "demokratisch gewählte Regierung zu untergraben", sagte Namibias Präsident Hage Geingob, der auch SADC-Vorsitzender ist, am 11. Februar.

Andere Länder halten sich mit Stellungnahmen dagegen zurück. Nur Südafrika (pro Maduro) und Marokko (pro Guaidó) haben sich bisher geäußert. Äquatorialguinea hat bei den Abstimmungen im UN-Sicherheitsrat zwar für den russischen Entwurf gestimmt, sich bei der Abstimmung über den US-Vorschlag aber enthalten. Die Elfenbeinküste, die derzeit auch im UN-Sicherheitsrat sitzt, enthielt sich zweimal.

Diskretion der afrikanischen Länder

Seidik Abba verwundert das nicht. Viele Länder würden sich nicht öffentlich positionieren, denn "sie wollen nicht die Wut ihrer europäischen oder westlichen Partner, die sich bereits für die Gegenseite eingesetzt haben, auf sich ziehen", sagt der Redakteur der Zeitschrift "Le Monde Afrique" zur DW.

Viele afrikanische Länder haben historische Bindungen mit Venezuela. Eine Reihe afrikanischer Widerstandsbewegungen wurden zu Zeiten des Kalten Krieges durch das sozialistische Ausland unterstützt – im Falle Angolas zum Beispiel auch ganz konkret militärisch von Kuba. Diese ideologischen Bindungen bestünden bis heute fort, meint Henning Suhr. Denn auch Venezuela zählt sich zum sozialistischen Lager. 

Der tschadische Oppositionspolitiker Saleh Kebzabo
Der tschadische Oppositionsführer Saleh Kebzabo hält zu Venezuelas Staatschef Maduro Bild: Getty Images/AFP/G. Cogne

Zudem unterstützte Maduros Vorgänger Hugo Chavez afrikanische Länder. "Venezuela war als Ölproduzent der Meinung, dass es im Rahmen der Solidarität sein Öl mit bedürftigen afrikanischen Ländern teilen könnte. So hat Venezuela große Mengen kostenlos an Länder wie Niger, Mali und sogar Benin geliefert", sagt Seidik Abba  Zu dieser Zeit seien auch viele zivilgesellschaftliche Akteure von der Chavez-Regierung unterstützt worden. Auch wenn dieses Engagement unter Maduro nachgelassen habe, fühlten viele Aktivisten nach wie vor eine Verbindung zur sozialistischen Regierung des südamerikanischen Landes.

Zweierlei Maß?

Für Henning Suhr steckt dahinter eine gehörige Portion Antiimperialismus und Antiamerikanismus. Dass sich Südafrikas Regierungspartei ANC hinter Maduro stellt, hält er für eine rein ideologische Entscheidung - die aus seiner Sicht verwunderlich ist.  Denn in Venezuela herrsche ein Unrechtsregime, so Suhr. "Es gibt viele politische Häftlinge. Die Mehrheit der Bevölkerung leidet. Das Einzige, wodurch sich Maduro noch halten kann, ist der Sicherheitsapparat. Das war zum Ende der Apartheid ähnlich."

Seidik Abba kritisiert die unterschiedlichen Maßstäbe westlicher Länder bei Krisen in Afrika und dem Machtkampf in Venezuela. Als Beispiel nennt er die Präsidentschaftswahlen in der Demokratischen Republik Kongo Ende Dezember 2018. Nach offiziellen Angaben hat die der Oppositionskandidat Félix Tshisekedi gewonnen. Die einflussreiche katholische Kirche und andere Beobachter glauben dagegen, dass der Oppositionskandidat Martin Fayulu der wahre Wahlsieger war. Auch hier ginge es darum, die Demokratie zu verteidigen, so Abba. Nur leider hätte sich der Westen in diesem Fall zurückgehalten. "Es ist unverständlich, wie man Guaidó in Venezuela unterstützen kann, aber nicht Martin Fayulu in der Demokratischen Republik Kongo oder Maurice Kamto im Kamerun."