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Unrecht wiedergutmachen

Silke Bartlick31. Januar 2014

Von den etwa 6000 Museen in Deutschland haben gerade einmal 350 nach Raubkunst in den eigenen Depots forschen lassen. Ein schweres Versäumnis, sagt Ronald S. Lauder, der Präsident des Jüdischen Weltkongresses.

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Ronald Lauder (Foto: Reuters/Tobias Schwarz)
Bild: Reuters/Tobias Schwarz

Ronald S. Lauder ist ein Mann deutlicher Worte. "Wir sind heute Abend hier, um über Kunstwerke zu sprechen", eröffnete der Präsident des in New York ansässigen Jüdischen Weltkongresses am 30. Januar seinen Vortrag in der Berliner Topographie des Terrors. "Genauer über Kunstwerke, welche Juden entwendet wurden durch die Nazis." Diese Kunstwerke seien die letzten Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkriegs.

Schwere Versäumnisse

Die Bundesrepublik Deutschland, so Lauder, habe sich gegenüber NS-Opfern vorbildlich verhalten, etwa in der Frage der Entschädigung für Zwangsarbeiter oder bei der Suche nach "herrenlosen Konten". Beim Umgang mit Raubkunst aber habe es schwere Versäumnisse gegeben, hier hafte an dem ansonsten guten Ruf Deutschlands ein Makel. "Der Fall Gurlitt in München ist nur die jüngste Facette in diesem Bühnenstück, welches noch kein Ende gefunden hat und weiterhin unser kollektives Gedächtnis belastet." Raubkunst finde sich auch knapp 70 Jahre nach dem Ende des Dritten Reiches überall: in Regierungsbüros, in Museen, in privaten Sammlungen. Sie sollte endlich an die Opfer des Holocaust und deren Erben zurückgegeben werden.

Das Gebäude des Projekts "Topographie des Terrors" (Foto: Bildwerk/Stiftung Topographie des Terrors)
Topographie des Terrors: Projekt in Berlin zur Dokumentation und Aufarbeitung des NS-TerrorsBild: Bildwerk/Stiftung Topographie des Terrors

Dass die Rechtslage höchst komplex und jeder Fall gesondert zu betrachten ist, bestreitet der Präsident des Jüdischen Weltkongresses keineswegs. Aber er spricht auch das Zögern vieler Regierungsbeamter und Museen an, die sich wider besseren Wissens weigern, ein von den Nazis geraubtes Kunstwerk an dessen rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben. Das sei möglich, weil es in der Bundesrepublik kein Rückgabegesetz für Raubkunst gäbe.

Deutschland habe zwar die Washingtoner Erklärung aus dem Jahr 1988 unterzeichnet und sich verpflichtet, Raubkunst aufzuspüren, ihre Existenz öffentlich zu machen und die ursprünglichen Besitzer ausfindig zu machen. Aber die Entscheidungen der Limbach-Kommission, die hierzulande eingesetzt wurde, um strittige Eigentumsansprüche zu schlichten, seien nicht bindend. Und den Museen sei allzu oft "jeder noch so fadenscheinige Grund recht und billig, um die Abwanderung eines Kunstwerkes zu verhindern".

Was zu tun wäre

Bereits vor einigen Tagen hatte sich die neue Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) für ein Zentrum für die Suche nach NS-Raubkunst ausgesprochen und angekündigt, dass die entsprechenden Bundesmittel verdoppelt werden sollen. Sie fände es schlicht unerträglich, dass sich immer noch Nazi-Raubkunst in deutschen Museen befinde, so Grütters.

Ronald S. Lauder schlägt nun vor, dass Bund und Länder auf der Basis der Washingtoner Erklärung eine Kommission einsetzen, deren Mitglieder von internationalem Rang sind, und für die weltweit führende Provenienzforscher sowie weitere Experten arbeiten sollen. Diese Kommission sollte finanziell gut ausgestattet sein und "reale Entscheidungsgewalt" ausüben können, "so dass Museen, die sich bislang gesträubt haben, Transparenz herzustellen, dazu verpflichtet würden, die Nachforschungen im eigenen Haus im Einklang mit internationalen Anforderungen auch tatsächlich durchzuführen".

Ronald Lauder Berlin Topographie des Terrors (Foto: DW/S. Bartlick)
Ronald S. Lauder während seines VortragsBild: DW/S. Bartlick

In einem ersten Schritt müsste diese Kommission klären, was an Raubkunst in den Depots deutscher Museen lagert. Schließlich könne man nicht erwarten, dass die Opfer des Holocaust und deren Nachfahren selbst Tausende von Kunstsammlungen in Deutschland durchforsten, um zu finden, was ihnen 70 Jahre zuvor entwendet wurde. Damit der während der Nazizeit erfolgte Kunstraub vor dem Gesetz nicht länger verjährt ist, müssten bestehende Verjährungsfristen verändert werden. "Verjährungsfristen", führte Lauder aus, "sollten nicht zum Schutz jener dienen, die wissentlich Kunst erwerben, welche verfolgten Menschen gehörte, und die wissen, dass es sich um Raubkunst handelt".

Vollständige Transparenz

Alles müsse offen gelegt werden, fordert der Präsident des Jüdischen Weltkongresses. Denn es gehe um Recht und Unrecht. Eigentum sei gestohlen worden und müsse den rechtmäßigen Besitzern zurückgegeben werden. Eine nach seinen Vorschlägen aufgestellte und ausgestattete Kommission könne das Procedere enorm vereinfachen und Hunderte von separaten Gerichtsverfahren vermeiden. Nun sei es an Deutschland, zu handeln. "Nach 70 Jahren ist es höchste Zeit, dass die letzten Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkriegs ausfindig gemacht und entlassen werden." Es müsse, so Lauder, endlich einen Schlussstrich geben.