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"Malier leiden unter Unsicherheit und Armut"

Mark Cadwell / ms24. Januar 2016

Die Unterstützung durch deutsche UN-Soldaten können die Menschen und Hilfsorganisationen im krisengeschüttelten Norden Malis gut gebrauchen, sagt der UN-Koordinator für humanitäre Hilfe, Toby Lanzer, im DW-Interview.

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Zivilisten in Gao (Foto: AFP)
Bild: Getty Images/AFP/J. Saget

DW: Herr Lanzer, Sie sind gerade aus Mali zurückgekehrt und haben sich dort mit Unterzeichnern des Friedensabkommens getroffen. Haben sie Ihnen erzählt, warum ihnen die Umsetzung so schwer fällt?

Toby Lanzer: Das gesamte Umfeld in Mali ist schon seit einer langen Zeit sehr kompliziert und leider sieht es so aus, als würde es so bleiben. Die Bevölkerung, im Süden wie im Norden des Landes, ist besorgt, und es gibt viel aufzuarbeiten. Ich glaube, es ist eine Frage der Zeit und eine Sache von sehr viel Fingerspitzengefühl bei den Verhandlungen. Ich habe mich darauf konzentriert, wie diese Umstände die Menschen beeinträchtigen. Sie leiden nicht nur unter der Unsicherheit, sondern auch unter dem Klimawandel und der extremen Armut, die sich im Norden des Landes ausgebreitet hat.

Für einige Abgeordnete in Mali ist es wegen der schlechten Sicherheitslage unmöglich, ihre Wahlkreise zu besuchen. Sie sind daher nicht in der Lage, herauszufinden, was vor Ort geschieht. Wie kann die humanitäre Situation in diesen Gegenden verbessert werden?

Sie werden erstaunt sein, aber trotz aller Schwierigkeiten gibt es 98 Organisationen, die im Norden Malis aktiv sind. Dazu zählen das UN-Kinderhilfswerk UNICEF und das Welternährungsprogramm, sowie eine Reihe von Nichtregierungsorganisationen. Mehr als eine Million Menschen im Norden Malis erhalten externe Unterstützung. Ich war in einer Schule, die gerade wiedereröffnet hatte. Dort, in der Stadt Kidal, saßen Kinder zum ersten Mal seit vier Jahren wieder in einem Klassenraum. Es gibt also eine Menge guter Arbeit. Ich würde dennoch sagen, dass es ist eine recht feindselige Umgebung für Hilfswerke ist.

Es sieht so aus, als ob der UN-Einsatz MINUSMA und die französische BARKHANE- Mission nicht ausreichen, um die Sahel-Zone zu stabilisieren.

Für solche Missionen ist es notwendig, regelmäßig mit der einheimischen Bevölkerung zu kommunizieren und eine funktionierende Strategie zu haben. Ich habe mich mit Frauen und mit Älteren getroffen. Beide Gruppen haben gesagt, dass sie die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft willkommen heißen. Das gelte nicht nur für die humanitären Herausforderungen, sondern auch für die Hilfe bei der Stabilisierung der Sicherheitslage.

Toby Lanzer (Foto: UN Photo)
Toby LanzerBild: UN Photo/Martine Perret

MINUSMA beklagt mehr Todesopfer als jede andere aktive UN-Friedensmission. Im vergangenen Jahr starben 25 Angehörige der Vereinten Nationen in Mali. Was glauben Sie ist der Grund dafür?

Die einzelnen Gruppierungen im Land konkurrieren miteinander. Dabei kann es um ganz einfache Dinge gehen wie die Frage, wessen Lastwagen Sie sich ausleihen. Das kann bereits als Grund dafür genügen, Ihnen etwas anzutun. Das kann jeder Organisation passieren. Wir sollten uns alle bemühen, besser zuzuhören und zu kommunizieren. Damit sind auch die Nichtregierungsorganisationen gemeint, die den direktesten Zugang zu den Bevölkerungsgruppen im Norden Malis haben. Da kann Vieles noch verbessert werden, denn schließlich sollte unsere Arbeit auf die einheimische Lebenswelt zugeschnitten sein.

Deutschland will die MINUSMA mit 650 Soldaten verstärken. Sie sollen in der nordmalischen Region Gao zusammen mit niederländischen Kräften Aufklärungsarbeit und logistische Hilfe leisten. Sie waren selbst in Gao. Wie stark wird die dortige Umgebung die deutschen Truppen herausfordern?

Ich habe gerade zwei Tage und Nächte in Gao verbracht. Es ist eine große Stadt am Fluss. Der Großteil der Stadt ist sicher. Ich denke, das Umfeld dort wird den Deutschen bei ihren großzügigen und zeitlich aufwendigen Bemühungen, den Norden Malis zu stabilisieren, keine Probleme bereiten. Die deutsche Präsenz wird auch für die dort ansässigen Hilfswerke von Vorteil sein. Solche gut ausgebildeten Kräfte sind immer willkommen. Natürlich ist die Lage schwierig. Aber ich habe keine Zweifel, dass alle Truppen, die für die Vereinten Nationen arbeiten, auf diesen harten Test gut vorbereitet sind.

MINUSMA ist eine friedenssichernde Mission und hat kein Anti-Terror-Mandat. Erschwert das der Mission, Frieden und Stabilität in Nordmali zu garantieren?

Man muss sich die Ursachen der Krise im Norden Malis anschauen. Die Bevölkerung dort wird seit Jahrzehnten benachteiligt, es herrscht extreme Armut und die Auswirkungen des Klimawandels treffen die hart. Wenn wir unsere Programme stärker auf diese Probleme ausrichten, dann ist Stabilität möglich. Das ist es, was die Menschen mir erzählt haben.

Toby Lanzer ist der regionale UN-Koordinator für humanitäre Hilfe in der Sahel-Region.

Das Interview führte Mark Caldwell.