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Russische Vorstöße auf dem Balkan

Verica Spasovska17. November 2014

Wo enden Putins außenpolitische Ambitionen? Offenbar nicht an den Rändern des postsowjetischen Raumes. Russland etabliert sich auch auf dem Balkan. Das sehen EU-Diplomaten zu Recht mit Sorge, meint Verica Spasovska.

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Putin in Belgrad 16.10.2014 Fans bei der Militärparade
Bild: AFP/Getty Images/Andrej Isakovic

Was aus vertraulichen Papieren des Auswärtigen Amtes über Russlands Machtpolitik an die Öffentlichkeit dringt, ist Besorgnis erregend. Danach heißt es, Russland messe dem westlichen Balkan eine hohe strategische Bedeutung zu. Beobachter schlussfolgern daraus, dass Moskau versucht, die Region enger an sich zu binden, um sie dem Einfluss der Europäischen Union zu entziehen.

Dass Russland schon lange seine Fühler wirtschaftlich und politisch auf dem Balkan ausstreckt, ist bekannt. Neu ist allerdings, wie konsequent Russland seine Hegemonialansprüche nun auch außerhalb des postsowjetischen Raumes verfolgt.

Russlands wirtschaftlicher Einfluss

Putins Balkans-Strategie ist geschickt und einfach: Insbesondere Serbien, Montenegro und die serbische Teilrepublik Bosnien-Herzegowinas, die Republika Srpska, sind Russland traditionell verbunden. Mit Erdgaslieferungen, Infrastrukturprojekten und russischen Investitionen in diese Länder verstetigt Russland seinen Einfluss konsequent. Dabei spielt Russland die katastrophale wirtschaftliche Lage dieser Länder besonders in die Hände. Die Arbeitslosigkeit liegt hier durchschnittlich bei 30 Prozent, fast jeder zweite junge Mensch ist ohne Job und die westlichen Direktinvestitionen stagnieren seit Jahren auf einem Niedrigstand, weil korrupte Verwaltungen potenzielle Investoren abschrecken.

Russland schafft hier Perspektiven: In Serbien modernisieren russische Firmen die staatliche Eisenbahn, in Montenegro sind ein Drittel der Unternehmen in russischer Hand. Auf Bosnien-Herzegowina, das juristisch immer noch ein Protektorat des Westens ist, übt Russland Druck aus, um den Einfluss des Westens zu verringern. Erstmals stimmte Russland im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gegen die Verlängerung der EUFOR-Mission. Ganz offenkundig mit dem Ziel, das Land von der EU fern zu halten. Sogar im EU-Mitgliedsstaat Bulgarien, das dramatisch von russischem Öl-und Gaslieferungen abhängig ist, verstärkt Russland seinen politischen und wirtschaftlichen Einfluss.

Verica Spasovska
DW-Redakteurin Verica SpasovskaBild: DW/M. Müller

Die EU ist erweiterungsmüde

Mit dieser Soft-Power-Strategie dringt Russland in ein Vakuum vor, das vom Westen leider nicht ausreichend besetzt wird. Auch fünfzehn Jahre nach dem Ende der Jugoslawien-Kriege bleibt der Balkan nicht mehr als der europäische Hinterhof. Und in den meisten EU-Ländern möchte man offenbar auch, dass das so bleibt. Seit der Euro-Krise möchte niemand im Club über eine Erweiterung der EU mehr nachdenken. Zudem wächst die Sorge vor zusätzlichen Kosten durch die wirtschaftlich schwachen Beitrittskandidaten. Nur Slowenien und Kroatien haben bislang die ersehnte Aufnahme in die EU geschafft. Alle anderen Länder des Westbalkans sitzen seit Jahren im Warteraum.

Daran ist selbstverständlich der Westen nicht allein schuld. Denn viele Probleme sind hausgemacht: vielerorts ist das Demokratieverständnis unterentwickelt, unter den regierenden Parteien grassiert der Klientelismus, nationales Denken dominiert und verhindert politische und wirtschaftliche Reformen. Aber inzwischen spielen auch die enttäuschten Erwartungen der Menschen, die sich den Weg in die EU bei weitem nicht so langwierig und steinig vorgestellt haben, eine große Rolle: Es herrscht eine Atmosphäre der Frustration, Resignation und unterdrückten Wut. Eine anti-europäische Stimmung macht sich breit.

Europa muss sich wieder einmischen

Um zu verhindern, dass Russland sich diese Stimmung noch mehr zunutze macht und den Balkan noch weiter von der westlichen Interessensphäre abrückt, muss sich die EU wieder mehr auf dem Balkan einmischen und deutliche Signale für eine Beitrittsperspektive geben. Es geht darum, den Menschen klar zu machen, dass ein EU-Beitritt zu ihrem Vorteil ist. Dass es sich lohnt, Anstrengungen zu unternehmen, um das Land beitrittsreif zu machen. Der EU - und besonders Deutschland als Motor der europäischen Integration - bleibt nichts anderes übrig, als die diplomatische Sisyphusarbeit auf dem Balkan wieder mit aller Kraft aufzunehmen. Und nicht zuletzt muss Brüssel diese Länder viel stärker wirtschaftlich unterstützen, um gegen die russische Umarmungstaktik einen Kontrapunkt zu setzen.