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Kommentar: Meinungsfreiheit ja, Beleidigung nein

Naser Schruf29. Juli 2014

Anti-jüdische und anti-islamische Pauschalisierungen sind gleichermaßen inakzeptabel, meint Naser Schruf.

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Muslime in Deutschland
Bild: picture-alliance/dpa

Wieder einmal reden wir über "Fremdenhass", "Rassismus", "Antisemitismus", über Diffamierung und Pauschalisierung. Wieder einmal mischen sich in Deutschland radikale islamistische Gruppen zusammen mit Rechtsextremisten unter Demonstranten, die friedlich gegen Israels Militäroffensive im Gazastreifen protestieren, und skandieren anti-jüdische und rassistische Parolen. Das Ganze wurde noch mit einem dummen Kommentar des Vize-Chefs der "Bild am Sonntag" (BamS) gekrönt, der umgekehrt Muslime zumindest indirekt als potenzielle Straftäter und Menschenrechtsmissachter darstellte und den Islam generell als Integrationshindernis bezeichnete. "Das sollte man bei Asyl und Zuwanderung ausdrücklich berücksichtigen", meinte Nicolaus Fest, der in seinem Kommentar noch perfide betonte, er habe überhaupt keine Probleme mit Christentum, Judentum oder Buddhismus - sondern nur mit dem Islam.

Nach einem Sturm der Empörung aus allen politischen Richtungen und aus seinem eigenen Verlagshaus über Fests pauschale Aussagen und Diffamierungen des Islams hätte man hoffen können, er würde zurückrudern und sich entschuldigen. Vergeblich! Er meldet sich per Twitter mit den Worten: "Herrlicher Shitstorm! Offensichtlich finden viele Homophobie, Antisemitismus & Ehrenmorde völlig ok." Das soll dann wohl heißen: Muslime sind grundsätzlich für Antisemitismus, für Homophobie und für Ehrenmorde - und Nicht-Muslime sind dagegen.

Andere Stimmen ausgeblendet

In diesem Falle möchte und muss ich meine eigene Empörung und Betroffenheit zum Ausdruck bringen: Lieber Herr Fest, ich bin Muslim! Ich verabscheue Homophobie, Antisemitismus und Ehrenmorde genauso wie Sie! Und ich kenne viele Muslime, die dies genauso sehen. Leider haben Sie solche Stimmen komplett ausgeblendet. Es ist immer dumm und rassistisch, pauschalisierende Urteile über ganze Religionen oder Volksgruppen zu treffen. Und es wird auch außerhalb Deutschlands aufgegriffen - und ebenfalls fehlinterpretiert oder instrumentalisiert.

Naser Schruf
Naser Schruf ist Leiter der Arabischen RedaktionBild: DW

So fand der Kommentar zum Beispiel große Verbreitung in der arabischen Presse, die Berichterstattung darüber brachte es in manchen Portalen sogar auf Platz 1 der meistgelesenen Artikel. Der Tenor vieler Artikel war: Alle Religionen sind in Deutschland willkommen, nur der angeblich "böse" Islam nicht. Die arabischen Kommentatoren und User sprachen dabei - wie erwartet - ebenfalls sehr pauschal von "deutschen Medien" und "deutschen Journalisten", die nun offen ihr "wahres Gesicht" und ihren "Hass gegen alle Muslime" zeigten, wie ein arabischer User auf einem der wichtigsten Portale kommentierte.

Selektive Wahrnehmung

Selektive Wahrnehmung also auch hier: Der Kommentar von Herrn Fest schlägt große Wellen, auch über die Demonstrationen in deutschen Städten gegen Israels Gaza-Offensive wurde in arabischen Portalen viel berichtet. Es wurde jedoch weitgehend ausgeblendet, dass hier ebenfalls rassistische und verhetzende Parolen gerufen wurden - in diesem Falle gegen Juden.

Jede Art von Rassismus oder Diskriminierung, ob gegen Personen, Volksgruppen oder Religionsgemeinschaften, ist ein Verstoß gegen die menschliche Würde und gegen die menschlichen Werte. Jede Art von Diskriminierung und Hetze muss nicht nur abgelehnt, sondern bekämpft werden. Es ist ja richtig, dass es Terror und Menschenrechtsverletzungen im angeblichen Namen des Islam gibt - doch die politische Agenda bestimmter Gruppen darf deshalb noch lange nicht pauschal allen Muslimen unterstellt werden. Genauso wenig darf aus dem Kommentar in der BamS geschlossen werden, die deutschen Medien insgesamt hätten ein Problem mit dem Islam. Dagegen spricht schon die starke Kritik, die der Kommentar in der deutschen Öffentlichkeit gefunden hat.

Wichtig wäre jedoch eine Debatte über die Grenzen zwischen Meinungsfreiheit und Kritik einerseits sowie Beleidigungen und Diskriminierungen andererseits. Diese Grenze sollte so scharf wie möglich gezogen werden, und hier sind auch die muslimischen Verbände in Deutschland gefordert: Auch sie sollten ein klares Wort der Verurteilung finden, wenn auf Demonstrationen judenfeindliche Parolen gerufen werden.