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Leere Drohungen

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert
26. Januar 2016

Der aktuelle Plan der EU: Die Außengrenzen schützen und Griechenland notfalls rauswerfen. Nicht aus dem Euro, sondern aus dem Schengen-Raum. Doch das bringt keine Lösung der Flüchtlingskrise, meint Bernd Riegert.

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Schild Schengen Ortsausgang
Schengen: In dem Dorf in Luxemburg wurde die Reisefreiheit erfunden

Die Außengrenzen der Europäischen Union müssen besser geschützt werden. Diesen Satz haben wir aus dem Munde vieler Politiker in Europa immer wieder und wieder gehört. Auch die Innenminister der Europäischen Union wurden bei ihrem informellen Treffen in Amsterdam nicht müde, ihn zu benutzen. Doch was bedeutet er eigentlich in letzter Konsequenz? Diese Frage brachte berechtigterweise der griechische Vertreter auf. Wenn man die Außengrenzen schützen will, um das kontrollfreie Reisen im Innern (Schengen-Raum) zu bewahren, dann muss man wissen, gegen wen oder was der Schutz dienen soll.

Abwehr von Flüchtlingen

Nach deutscher Lesart soll der verstärkte Schutz der Außengrenzen die Zahl der Flüchtlinge, Asylbewerber und Migranten "nachhaltig und spürbar" senken. Das heißt ja wohl, dass die Menschen das Hoheitsgebiet der EU erst gar nicht mehr betreten sollen. Griechische Grenzschützer müssten Flüchtlingsboote also noch auf See aufbringen, in die Türkei zurückschicken oder notfalls versenken? Nein, das wäre unmenschlich und rechtswidrig, denn Menschen in Seenot, auch wenn sie selbst verschuldet wurde, müssen gerettet werden.

Demnach kämen die Flüchtlinge weiter nach Griechenland, auch mit verstärktem Grenzschutz, und müssten auf den griechischen Inseln bleiben, dort versorgt und registriert werden. Das Asylverfahren müsste dann innerhalb von Tagen vor Ort stattfinden, damit die Menschen nicht auf der Balkanroute weiterziehen. Das bedeutet aber, dass man riesige Auffanglager benötigt, um die Asylbewerber dort festzuhalten. Außerdem gehört dazu ein System zur Verteilung derjenigen, die in Europa bleiben dürfen und ein System zur Abschiebung und Zurückführung derjenigen, die wieder gehen müssen. Die Keimzelle für ein solches System sollten die Hotspots sein. Selbst die sind bis heute nur Theorie. Griechenland ist also schon jetzt nicht in der Lage, seine Aufgaben zu erfüllen. Die Grenzen zur Türkei abzuschotten ist derzeit ein Ding der Unmöglichkeit.

Riegert Bernd Kommentarbild App
DW-Europa-Korrespondent Bernd Riegert

Wirkungslose Drohung

Die Drohung der EU, Griechenland aus der Schengen-Zone zu werfen, in der freier Reiseverkehr herrschen soll, bringt also überhaupt nichts. Die Lage vor Ort würde sich nicht ändern. Was Griechenland viel mehr braucht, ist der Aufbau von Auffanglagern zur grenznahen Unterbringung der Flüchtlinge. Den kann man durch politische Drohungen aber nicht erreichen. Griechenland, das haben wir im vergangenen Jahr zur Genüge gesehen, reagiert vor allem auf finanzielle Anreize. Wenn man also die Behandlung der Flüchtlinge mit den enormen finanziellen Hilfen der internationalen Geldgeber verknüpfen würde, hätte das bestimmt einen größeren Effekt, als die Drohung mit dem Schengen-Rauswurf.

Die EU-Innenminister haben angesichts ihrer Zerstrittenheit und Hilflosigkeit in der Flüchtlingskrise Griechenland als schwächstes Glied identifiziert und schlagen mit der politischen Keule drauf. Das ist billig und hilft nicht weiter. Der de facto Rauswurf Griechenlands böte den übrigen Schengen-Staaten ein gute Begründung, um die eigenen Grenzkontrollen um Jahre zu verlängern. Eine Lösung für die Flüchtlingskrise wäre er nicht. Nur das komplette Ende des Grenzverkehrs ohne Personenkontrollen im Schengenraum wird so immer wahrscheinlicher.

Zeichen der Ratlosigkeit

Griechenland aus Schengen heraus zu drängen, hätte ironischerweise in der Praxis wenig Konsequenzen. Denn ein Blick auf die Landkarte zeigt, dass Griechenland keine Landgrenze mit einem anderen Schengen-Staaten teilt. Albanien, Mazedonien und die Türkei sind Nicht-EU-Ausland. Nur Bulgarien ist EU-Mitglied, aber nicht vollwertiges Schengen-Mitglied. Flüchtlinge, die aus Griechenland nach Mazedonien ausreisen, würden keinen Unterschied spüren. Schengen hin oder her. Nur für Flugreisende wären Auswirkungen spürbar. Es würde für EU-Bürger aus der Schengen-Zone und Griechen, die in andere Schengen-Staaten fliegen, wieder Passkontrollen geben. Lästig, aber kein Drama.

Der jüngste Streit zwischen der EU und Griechenland, diesmal nicht um den Euro, sondern um Schengen, zeigt nur die ganze Ratlosigkeit der Innenminister. Ein wirres und sinnloses Schwarzer-Peter-Spiel.

Übrigens müsste das Konzept, wenn es denn eines wäre, auch auf Italien angewendet werden. Auch Italien kann seine Seegrenze nicht komplett schützen und lässt Migranten weiter nach Norden reisen.

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Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union