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Politik

Wie Monty Python, nur nicht lustig

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
20. März 2019

Minister in London sprechen von den "letzten Tagen Roms" und davon, dass das Land ins Chaos abgerutscht ist. Der Brexit geht in die Nachspielzeit, und niemand weiß mehr, ob, wie und wann er kommt, meint Barbara Wesel.

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Selfies Schauspieler
Bild: picture-alliance/dpa/B. Kallos

Der niederländische Regierungschef Mark Rutte verglich Theresa May jetzt mit dem Schwarzen Ritter aus dem Monty Python-Film "Die Ritter der Kokusnuss". Dessen Gegner schlägt ihm nacheinander die Arme und die Beine ab, und er ruft am Ende: "Nennen wir es doch Unentschieden". Die britische Premierministerin ist längst ähnlich vernichtend geschlagen, fuchtelt aber weiter wild mit dem Schwert herum. Der Brexit ist längst Comedy, nur weniger amüsant.

Mr. Speaker greift ein

Es war wie ein Donnerschlag, als jetzt der Speaker des Unterhauses einen tiefen Blick in die Geschichte tat und befand, es sei unzulässig, über die gleiche Vorlage immer wieder abstimmen zu lassen. Damit durchkreuzte er in wenigen Sätzen Theresa Mays Strategie.

Barbara Wesel Studio Brüssel
DW-Korrespondentin Barbara WeselBild: DW/G. Matthes

Sie hatte tatsächlich in einer Art Zermürbungsfeldzug geplant, den Brexit-Deal in dieser Woche erneut ins Unterhaus einzubringen. Und sie wollte es, eine weitere Niederlage erwartend, in der nächsten Woche noch mal versuchen, drei Tage vor dem offiziellen Brexit-Termin am 29. März. Die schiere Frechheit dieser Strategie, die Verantwortungslosigkeit und der zynische Umgang mit dem Parlament, sind wohl ein neuer Höhepunkt in der bewegten Geschichte des Brexit.

John Bercow aber machte dem bösen Spiel ein vorläufiges Ende. May könnte trotzdem abstimmen lassen, wenn sie denn genug Stimmen dafür hätte, das Abkommen erneut auf die Tagesordnung zu setzen. Aber ihr fehlt dazu die Mehrheit - wie überhaupt für einen geordneten Ausstieg aus der EU nach ihren Vorgaben.

Je länger die Extrazeit, desto näher Mays Ende

Nach der Intervention des Speakers verfiel May in Schweigen. Man dachte, sie müsse doch herauskommen und erklären, wie es weitergehen solle. Nichts. Stattdessen erklärte ihr Sprecher bloß, sie werde die EU um eine Verlängerung bitten.

In dieser Lage ist eine sonderbare Allianz aus harten Brexiteers und Europafreunden entstanden. Letztere, weil sie hoffen, dass es doch noch ein zweites Referendum gibt und das Debakel abgewendet werden könnte. Für die konservativen Hardliner aber bieten sich jetzt zwei Chancen: Je länger die Extrazeit für den Brexit, desto schneller hoffen sie, May aus dem Amt jagen zu können. Die Frustration über ihre Unfähigkeit schüttelt Tories jeglicher Couleur inzwischen wie ein Fieber. 

Und außerdem freuen sie sich ganz offen darüber, dass sie in der Verlängerungszeit als EU-Mitglieder von innen viel mehr Möglichkeiten hätten, Brüssel und die Mitgliedstaaten an jeder Ecke zu erpressen. Man könnte dauernd und gegen alles ein Veto einlegen, die Maschinerie lahm legen und so doch noch von der EU bekommen, was man wolle. 

Da sind nicht etwa Geheimpläne, darüber reden rechte Tories offen im Interview. Sie sind "Zerstörer", deren Ziel vor allem Chaos und Systemzusammenbruch sind. Die EU muss sich dagegen wappnen und die Nachspielzeit für die Briten mit reichlich Einschränkungen versehen.

Die letzten Tage Roms

In London ist der Zusammenbruch der politischen Klasse und der demokratischen Einrichtungen inzwischen so weit vorangeschritten, dass Theresa May an Kaiser Nero mit seiner Laute vor dem brennenden Rom erinnert. Nur dass sie weder singen noch spielen und "Brexit heißt Brexit" nur noch krächzen kann. Es ist banal und doch eine Metapher, das sie zuletzt selbst ihre Stimme verloren hat. 

May hat ihr Land zu einer irren Achterbahnfahrt gezwungen, an deren Ende nur Übelkeit und Orientierungslosigkeit stehen. Wenn alle Superlative verbraucht sind, um eine entgleiste Politik zu beschreiben, bleibt nur noch hohles Gelächter. Im Mittelalter gab es einen deutschen König, der Otto der Dumme genannt wurde. Man hat vergessen, womit er sich diesen Namen verdiente. Vermutlich hatte er keinen Plan zum Regieren, und so erscheint Theresa May als Nachfahrin dieser unrühmlichen Dynastie.