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Politik

Die CDU, die Jugend und das Netz

Kommentarbild Muno Martin
Martin Muno
28. Mai 2019

Im Umgang mit einem kritischen Youtube-Video macht die CDU so ziemlich alles falsch, was man falsch machen kann. Noch immer haben viele in der Partei nicht verstanden, was das Internet ist, meint Martin Muno.

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Deutschland | PK Annegret Kramp-Karrenbauer | Europawahlen 2019
Bild: Getty Images/S. Gallup

Die Twitter- und Facebook-Kanäle in Deutschland explodieren mal wieder. Auslöser der Empörung war eine Äußerung der CDU-Vorsitzenden und Vielleicht-Merkel-Erbin Annegret Kamp-Karrenbauer nach der Europawahl, die bekanntlich für die CDU nicht sonderlich gut verlaufen ist. Gut sechs Prozentpunkte Verlust fuhren die CDU und ihre Schwesterpartei CSU am Ende ein. Kein schöner Tag also für eine Parteichefin, die ihr erstes großes Wahlergebnis gerne als ein besseres verkauft hätte.

In ihrer Stellungnahme sagte AKK, wie sie landläufig genannt wird, im Hinblick auf mehrere CDU-kritische Youtube-Videos, man müsse darüber nachdenken, wie man solche "Meinungsmache" einschränken könne, um fortzufahren: "Und die Frage stellt sich schon mit Blick auf das Thema Meinungsmache: Was sind eigentlich Regeln aus dem analogen Bereich und welche Regeln gelten eigentlich für den digitalen Bereich?"

Früher ein Verlag, heute ein Handy

Das ist, mit Verlaub, eine komische Frage: Wer im Jahr 2019 noch zwischen Kommunikation im Netz und außerhalb des Netzes unterscheidet, hat die entscheidenden Veränderungen der vergangenen 25 Jahre entweder nicht mitbekommen oder ignoriert sie. Die Revolution des Internets besteht schlicht darin, dass jeder und jede Einzelne, sei es durch einen Tweet, einen Blog oder eben durch ein auf Youtube verbreitetes Video, Millionen Menschen erreichen kann. Dafür brauchte man früher entweder einen Rundfunksender oder einen Verlag mit riesigen Druckmaschinen und einer Lastwagen-Flotte - heute reicht ein Smartphone.

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DW-Redakteur Martin Muno

Zum Teil hat Kramp-Karrenbauer ja recht: Für traditionelle Medien zum Beispiel gilt die Sorgfaltspflicht. Sie haften, wenn sie falsch oder beleidigend berichten. Die großen Netz-Plattformen stehlen sich bislang weitgehend aus dieser Verantwortung. Ihre Haltung ist: Wir stellen nur die Ausspielflächen zur Verfügung, für die Inhalte ist jeder selbst verantwortlich, der dort etwas postet. Hier muss sich noch viel tun. Aber das ist nicht der entscheidende Punkt in den Auslassungen der CDU-Chefin.

Der zeigt sich darin, dass die Kommunikation für etablierte Politiker schwerer geworden ist, wie die Debatte um das millionenfach geklickte Video von Rezo mit dem zugegebenermaßen provokanten Titel "Die Zerstörung der CDU" zeigt: Erst sollte es ein Antwort-Video geben, per Tweet wurde bereits die Location des Drehortes gezeigt, dann gab es doch kein Video, sondern eine elfseitige PDF-Datei. Und später noch ein Gesprächsangebot. Das wirkt allerdings wenig glaubwürdig, wenn die ganze Auseinandersetzung unter der Fragestellung "Darf der junge Mann das?" geführt wird. Ein souveräner, gar cooler Umgang mit Kritik sieht anders aus. Und das wurde nicht nur im Internet, sondern zunehmend auch in den traditionellen Medien offen angesprochen.

Das Generationenproblem der Union

Für die CDU ist der Gesichtsverlust in der Netzöffentlichkeit schmerzhaft, aber damit lässt es sich leben, denn die Zeit heilt bekanntlich viele Wunden. Weitaus verheerender ist das Wahlergebnis, wenn man es sich genau anschaut: In der Altersgruppe der jungen Wähler von 18 bis 30 Jahre kommt die Union, also CDU und CSU, gerade noch auf 13 Prozent. Das Gros der CDU-Wähler hat das Rentenalter erreicht.

Es gibt einige in der Partei, die das anscheinend verstanden haben. Armin Laschet, der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen etwa, der auf dem "Global Media Forum" der Deutschen Welle offen einräumte, dass das Rezo-Video zum einen vom Verfassungsgrundsatz der freien Meinungsäußerung gedeckt und der Umgang seiner Partei damit verbesserungsfähig gewesen sei. 

Mit ihrem neuen Vorstoß hat Kramp-Karrenbauer weder sich selbst und ihren Ambitionen auf die Kanzlerschaft noch ihrer Partei einen Gefallen getan. Wenn sie, wie sie beteuerte, keine Zensur will, was will sie denn? Ja, auch im Netz brauchen wir unbestreitbar Regeln. Das betrifft aber den Umgang mit Hass und Hetze. Weder Rezos CDU-Kritik noch die mehr als 90 Blogger, die sich demonstrativ hinter ihn stellten, fallen in diese Kategorie. Sie sind kritisch und teils polemisch, aber das sind viele Wahlkampfauftritte etablierter Politiker auch. 

Die CDU hat ein Problem mit dem Netz und mit der Jugend. Wenn sie nicht beide löst, hat sie bald keine Zukunft mehr.

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Martin Muno Digitaler Immigrant mit Interesse an Machtfragen und Populismus