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Das ermüdete Format

28. August 2016

Das Weimarer Dreieck, vor 25 Jahren ins Leben gerufen, kränkelt. Vorbei die Zeit der Aufbruchstimmung. Dem Bündnis Warschau, Berlin, Paris sind die Impulse ausgegangen. Wichtig bleibt es dennoch, meint Adelheid Feilcke

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Fahnen von Deutschland, Frankreich und Polen

Vor 25 Jahren - am 28. und 29. August 1991 - trafen sich die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Polens, Hans-Dietrich Genscher, Roland Dumas und Krzysztof Skubiszewski im thüringischen Weimar. Es war die Geburtsstunde des Weimarer Dreiecks. Ihre Vision fassten die drei Minister in einer 10 Punkte-Erklärung zur "Zukunft Europas" zusammen. Es ging um gemeinsame Verantwortung für eine gemeinsame europäische Zukunft. Das "Weimar-Format" sollte dazu dienen, nicht nur Polen, sondern auch die anderen neuen Demokratien in Mittel- und Osteuropa an die Europäische Union heranzuführen.

Das Format hatte einen unstrittigen Anteil beim EU-Erweiterungsprozess. Ebenso bei der Aufnahme Polens und seiner Nachbarn in die Nato. Doch nach 2004 verlor es als Dialogforum an Strahlkraft. Politisch war das Dreieck erstarrt. Alle Versuche, das Format als Basis für die großen politischen Herausforderungen stärker zu nutzen, scheiterten. Auf dem Höhepunkt der Ukraine-Krise 2014 ging vom Weimarer Dreieck noch einmal ein starker Impuls aus, als sich im Februar die Außenminister des Weimarer Dreiecks mit dem Staatspräsidenten der Ukraine sowie mit Führern der Oppotion in Kiew trafen.

Mission erfüllt?

Doch 25 Jahre nach seiner Gründung ist das Format zu einem der vielen regelmäßigen Dialogforen verkümmert. Soweit nicht schlimm - Mission erfüllt! Solange dies Ausdruck einer Normalität in einem vereinten funktionierenden Europa war. Doch die Zeiten haben sich dramatisch geändert: Die Flüchtlingskrise, Russlands neue Unberechenbarkeit, der Terror und nicht zuletzt der Brexit. Die europäische Tektonik ist gefährlich ins Wanken geraten. Wäre da nicht der Schulterschluss zwischen drei großen europäischen Staaten ein wichtiges Signal? Eines der Stabilität und Kontinuität? Könnte nicht gerade von der Zusammenarbeit dreier so exponierter Länder wie Frankreich, Deutschland und Polen ein neuer europäischer Anlauf gewagt werden?

DW-Redakteurin Adelheid Feilcke (Foto: DW)
DW-Redakteurin Adelheid FeilckeBild: DW

Doch davon ist wenig zu spüren: Der polnische Außenminister Witold Waszczykowski hatte im April das Format sogar für erschöpft erklärt. Stattdessen sucht Polen als vielleicht wichtigstes osteuropäisches EU-Land in Formaten wie der Visegrad-Gruppe und bilateralen Verabredungen eine osteuropäische Interessengemeinschaft anzuführen, die sich - vor allem als Abwehrer gegen Merkels Flüchtlingspolitik - gegen Deutschland zu richten scheint. Frankreich ist angesichts der Terrorgefahren, wirtschaftlicher Probleme und eines schwächendelnden Präsidenten zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Wer denkt da noch an das Weimarer Dreieck?

Zarte Anzeichen für eine neue politische Dynamik

Das Jubiläumstrefffen in Weimar steht am Ende einer Woche vielfältiger bilateraler Treffen. Bundeskanzlerin Merkel hatte die Woche in Italien mit einem Treffen des neuen europäischen Dreiecks Italien-Frankreich-Deutschland gestartet. Deutschland hat ein vitales Interesse an der engen Zusammenarbeit mit seinen Nachbarn. Polen und Frankreich sind die wohl wichtigsten. Die Länder des Weimarer Dreiecks sind heute die starken Exponenten dreier - durchaus unterschiedlicher - europäischer Interessensfelder. Wenn diese europäische Achse funktioniert, ist das für die wirtschaftliche, politische und sicherheitspolitische europäische Zusammenarbeit zentral. Deshalb ist es ermutigend, dass der polnische Außenminister das Weimarer Format wieder beleben und vor wichtigen Treffen Koordinatoren benennen will. Was als Zeichen einer Aufwertung verstanden werden kann.

25 Jahre nach seiner Gründung ist das Dreieck längst nicht mehr Integrationshilfe für Osteuropa. Es bleibt aber ein Kommunikationsformat einer zentralen geopolitischen Achse auf dem europäischen Kontinent, die etwa 180 Millionen Menschen aus drei wichtigen Nationen umfasst. Dieses Potential sollte das Format nutzen, um auf dieser Basis zum Motor bei der Lösung der großen europäischen Probleme zu werden, unabhängig von den innenpolitischen und bilateralen Spannungen, die vor allem der polnische Rechtsruck bewirkt hat.

Polen, Deutschland und Frankreich haben trotz aller Divergenzen immer noch weit überwiegende gemeinsame Interessen: zum Beispiel die in Zeiten der europäischen Krisen die Sicherheits- und Vereidigungspolitik und die europäische Intergration voranzutreiben. Doch jenseits aller objektiven Chancen des Formats fehlt zur Zeit noch der Spirit für eine Belebung. Es überwiegen nationale Egoismen und wechselseitige Schuldzuweisungen. Dennoch: Das Weimarer Dreieck ist Symbol für eine erfolgreiche Integrationsgeschichte. Es liegt an seinen Mitgliedern, aus diesem Symbol neue Kraft für eine erneute europäische Integration zu entwickeln.

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