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Corona, die Medien und die Glaubwürdigkeit

Kommentarbild Muno Martin
Martin Muno
19. April 2020

Woher wissen wir eigentlich über das Coronavirus Bescheid? Über Medien und Hörensagen. Und wem können wir glauben? Gut, dass es in gefährlichen Zeiten vertrauenswürdige Nachrichtenanbieter gibt, meint Martin Muno.

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Nigeria Lagos | Coronavirus | Presse, Medien
Ein Zeitungskiosk in Lagos, NigeriaBild: DW/A. Dada

Es ist immer noch ein komisches Gefühl, das einen beschleicht - auch Wochen, nachdem das normale Leben abrupt zum Stillstand kam. Gerade an Tagen, an denen der europäische Frühling mit Blütenduft und Vogelgezwitscher in merkwürdigem Kontrast zu der unsichtbaren, aber allgegenwärtigen Bedrohung rings um uns steht.

Es gibt Dinge, die sind mit unseren Sinnen nicht unmittelbar erfahrbar. Das gilt für den Klimawandel wie für atomare Strahlung und erst recht für eine Pandemie. Vermittelt werden können diese Dinge nur über Kommunikation - das wusste schon der Soziologe Niklas Luhmann.

Auch über das Coronavirus schöpfen wir unser Wissen aus den Medien. Dass etwas unser Leben von einem auf den anderen Tag völlig umkrempelt, dass Millionen Menschen arbeitslos werden, Hunderttausende erkranken und Tausende sterben, findet, sofern wir nicht selbst oder nahe Angehörige betroffen sind, außerhalb unserer Erfahrung statt. Stattdessen sitzen wir in unseren Wohnungen und betrachten Bilder von leeren Straßen und maskierten Menschen. Die sinnliche Erfahrung speist sich allein aus dem Gang in den Supermarkt.

Mit welcher Haltung begegne ich der Bedrohung? 

Aus diesem Grund gewinnen Medien eine ungeheure Relevanz. Nicht nur, dass sie über die aktuellen Zahlen informieren und welche Beschränkungen unsere Regierungen ihren Bürgerinnen und Bürgern auferlegen. Es geht um viel mehr: Aus dem, was wir aus diesen Berichten sowie den Gesprächen mit Freunden und Nachbarn herausfiltern und natürlich unserer individuellen Situation bildet sich unsere Haltung gegenüber der Pandemie heraus. Reagieren wir ängstlich, gar panisch oder sorglos? Sind wir depressiv oder haben wir die Hoffnung, mit der Lage fertig zu werden? Oder, um René Descartes umzuformulieren: Ich lese Corona-News, also bin ich!

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DW-Redakteur Martin Muno

Deshalb ist es wenig überraschend, dass der Medienkonsum drastisch ansteigt. Nachrichtenanbieter wie auch die Deutsche Welle vermelden Rekord-Zugriffszahlen auf ihre Online-Angebote. Sogar das lineare Fernsehen erlebt eine Renaissance. Doch können wir immer sicher sein, dass wir keinen Desinformationen aufsitzen?

Falschnachrichten wie etwa die, wonach der Verzehr von Knoblauch vor einer Infektion schütze, werden über Soziale Netzwerke und Messenger-Dienste millionenfach verbreitet - es ist quasi eine virale Reproduktion gefährlichen Unsinns, der im schlimmsten Fall Menschenleben kosten kann. Zwar bemühen sich Facebook und andere Plattformen derzeit wie noch nie zuvor, das einzugrenzen. Aber die Faktenchecker werden der Masse der Fake News nicht Herr. 

Die Renaissance der traditionellen Medien

In dieser Situation besinnen sich viele auf traditionelle Medienanbieter. Eine jetzt veröffentlichte Reuters-Studie, zu der Menschen in Argentinien, Deutschland, Südkorea, Spanien, Großbritannien und den USA befragt wurden, kommt zu dem Schluss, dass diese Medienhäuser eine deutlich höhere Glaubwürdigkeit genießen als Soziale Medien. Zugleich nutzen aber Menschen mit niedrigem Bildungsniveau deren Informationsangebote viel seltener und verlassen sich eher auf Soziale Medien und Messenger. Noch mehr als traditionelle Medienhäuser genießen der Studie zufolge Experten und Vertreter der Gesundheitsbehörden das Vertrauen der Menschen. Doch wie erreichen diese die Bevölkerung? Eben - über Medien.

Aus diesen Erkenntnissen erwächst für uns Journalistinnen und Journalisten eine große Verantwortung: Wir müssen die relevanten und wahren Informationen für unsere Nachrichten herausfiltern. Wir müssen aus den teils widersprüchlichen Angaben der Virologen, Ökonomen und selbsternannten Experten Spreu und Weizen trennen. Und schlussendlich müssen wir das alles verständlich und attraktiv aufbereiten. Das ist zwar der normale Job auch außerhalb von Krisenzeiten. Jetzt muss aber ein Überangebot an Informationen mit reduziertem Personal verarbeitet werden, das zudem nicht zusammen in ihren Redaktionen, sondern überwiegend einzeln zu Hause am Küchentisch sitzt. Und: viele Medienhäuser haben ernsthafte finanzielle Probleme, weil ihre Werbeeinnahmen aufgrund der Krise wegbrechen. Zudem sind viele Artikel und Videos über das Virus gratis erhältlich, die in normalen Zeiten hinter einer Bezahlschranke verborgen wären - auch diese Einnahmen fehlen.

So erleben wir eine Situation, in der das Angebot freier Medien auch in demokratisch verfassten Staaten einerseits so wichtig ist wie selten zuvor. Und gleichzeitig viele traditionelle Medienhäuser ums Überleben kämpfen. Doch wir können alle etwas tun: Indem wir für unsere Mediennutzung auch zahlen. Die meisten Qualitätsmedien sind ihren Preis wert.

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Martin Muno Digitaler Immigrant mit Interesse an Machtfragen und Populismus