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Politik

China: "Keine Kritik aus islamischen Ländern"

4. Dezember 2019

Die islamische Welt hält sich mit Kritik an den Internierungslagern in Xinjiang auffällig zurück. Dafür sind vor allem wirtschaftliche Interessen ausschlaggebend, wie die Expertin Susanne Schröter im DW-Gespräch erklärt.

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China | Muslime | Umerziehungslager
Bild: Getty Images/AFP/G. Baker

DW: Das System der Überwachung und Umerziehung in Xinjiang ist erst nach und nach im ganzen Ausmaß bekannt geworden. Wie sehen Sie dieses System im Kontext des Herrschaftssystems der VR China?

Schröter: Die chinesische Regierung ist eine extrem autoritäre Regierung, die jegliche Art von Opposition mit allen Mitteln unterdrückt. Das betrifft nicht nur die uigurische Opposition, sondern auch diejenigen, die Liberalisierung oder Demokratisierung fordern und verschiedene Minderheiten. In der Vergangenheit ist beispielsweise die Falun-Gong-Bewegung mit extremen Mitteln unterdrückt worden, ein weiteres Beispiel ist die Verfolgung von Anhängern des Dalai Lama in Tibet. Daher ist es nicht sonderlich überraschend, wie der chinesische Staat mit der uigurischen Opposition umgeht.

Umerziehungslager sind in der Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts im kommunistischen China ein absolut übliches Mittel gewesen, um Menschen auf den Kurs der Kommunistischen Partei zu bringen und Abweichler einzuschüchtern. Das hat alle Gruppen betroffen, denen man vorgeworfen hat, dass sie in irgendeiner Weise gegen die chinesische politische Führung vorgehen.

Susanne Schröter vom Institut für Ethnologie Universität Frankfurt
Susanne Schröter: Gegenseitiges Ignorieren von Menschenrechtsfragen fördert Handelsbeziehungen zwischen China und islamischen Ländern Bild: Privat

Wie erklärt sich die besondere Konsequenz des Vorgehens in Xinjiang?

Die Uiguren haben eine Unabhängigkeitsbewegung gebildet. In den Augen der chinesischen Führung ist das Grund genug, um mit äußerster Härte gegen sie vorzugehen. Es gibt außerdem in Xinjiang nicht nur einen politischen Separatismus, sondern auch einen muslimisch gerahmten. Die sogenannte Ost-Turkestanische Islamische Bewegung wird sowohl von den UN als auch von den USA als terroristische Gruppe gelistet. Es in den vergangenen Jahren zu spektakulären Anschlägen durch uigurische Extremisten gekommen, zum Beispiel 2014 auf dem Bahnhof in Kunming mit über 30 Toten. Die chinesische Führung hat ihre Maßnahmen gegen die Uiguren unter anderem mit diesen Anschlägen gerechtfertigt.

So ist die chinesische Regierung in der Vergangenheit mit jeglicher Art von Opposition verfahren. Man hat mit flächendeckender Verfolgung, mit maximaler Einschüchterung und eben auch mit großen Internierungslagern reagiert, in denen Umerziehung stattfinden soll.

Bis jetzt hatte die chinesische Führung immer Erfolg mit diesen Methoden. Den Uiguren bleibt angesichts der lückenlosen Überwachung und Verfolgung kein Spielraum mehr. Von daher rechnet sich das aus Sicht der chinesischen Führung. Dass ihre Maßnahmen in jeder Hinsicht gegen die Menschenrechte verstoßen, ist das eine, aber im Endergebnis gibt es unter solchen Bedingungen keinen Widerstand mehr, und das beabsichtigt die Regierung.

Ali Larijani, Irans Parlamentschef in China
Besuch beim dringend gebrauchten Abnehmer für Öl: Irans Parlamentschef Ali Larijani in Peking Bild: Isna

Wenn der Widerstand aus dem Inneren nicht mehr möglich ist, dann bliebe noch Widerspruch von außen. Den würde man eigentlich aus den islamischen Ländern erwarten.

Die Kritik an der Unterdrückung der Uiguren kommt mehr oder weniger aus dem Westen. Bis vor wenigen Jahren hatte sich die Türkei noch auf die Seite der Uiguren gestellt. Erdogan hat 2009 von einem Genozid gesprochen. Er hatte die Unabhängigkeitsbewegung lange unterstützt und auch politische Führer der Uiguren aufgenommen, ihnen Asyl gewährt und die Möglichkeit gegeben, sich politisch zu betätigen. Das resultierte aus Erdogans Selbstverständnis als Führer einer pan-türkischen bzw. pan-islamischen Bewegung und als Beschützer der Uiguren.

Das hat sich komplett geändert. Der türkische Außenminister hat 2017 schon einen harten Kurs gegen Exil-Uiguren angekündigt. Demonstrationen und politische Aktionen von Uiguren in der Türkei werden jetzt nicht mehr genehmigt. Es sind sogar Uiguren verhaftet worden. Erdogan hat Chinas Minderheitenpolitik bei seiner  China-Reise im Sommer 2019 ausdrücklich gelobt.

Peking Erdogan bei Xi Jinping
Erdogan ist in Sachen Uiguren und Xinjiang auf den Kurs von Xi Jinping eingeschwenktBild: picture-alliance/AP Photo/M. Schiefelbein

Eine Kehrtwende von Erdogan also. Wie ist die zu erklären? 

Das liegt konkret an zwei Dingen. Erstens an dem verschlechterten Verhältnis der Türkei zum Westen. Die Türkei sucht eine politische Alternative und sucht den Schulterschluss mit China. Das andere sind die Handelsbeziehungen. Die Türkei steckt in einer Wirtschaftskrise und braucht dringend gute Außenhandelsbeziehungen. Mit dem Westen wird das immer schwieriger, weil dort die Menschenrechtsfrage eine ist, die sich auch wirtschaftlich bemerkbar macht. Die Chinesen hingegen interessiert es nicht, ob Erdogan seine Opposition unterdrückt oder nicht.

Wie ist die Haltung bei den anderen islamischen Ländern?

Auch von Seiten des Iran gibt es keinerlei Kritik an Chinas Minderheitenpolitik. China ist der wichtigste Abnehmer iranischen Öls, ist an Öl- und Gasprojekten beteiligt und baut seine Wirtschaftsbeziehungen mit dem Iran weiter aus.

Pakistan und Saudi-Arabien kritisieren die Politik Chinas ebenfalls aus ökonomischen Gründen nicht. Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman hat China explizit für seine Minderheitenpolitik gelobt und eine ganze Reihe von arabischen Staaten hat sich ebenso geäußert. Auch da sind die Wirtschaftsbeziehungen der ausschlaggebende Grund.

Viele islamische Länder werden autoritär regiert und von westlichen Regierungen wegen Verstößen gegen die Menschenrechte kritisiert. Das gilt für Ägypten genauso wie für die Golfstaaten, für Pakistan, für den Iran und viele andere. Die Chinesen nun wiederum interessieren die Menschenrechte ganz offensichtlich nicht. Man kann mit ihnen Geschäfte machen, ohne befürchten zu müssen, dass sie Verstöße kommentieren oder kritisieren.

Prof. Dr. Susanne Schröter ist Direktorin des Forschungszentrums Globaler Islam an der Goethe-Universität Frankfurt a.M.

 

Rodion Ebbinghausen DW Mitarbeiterfoto
Rodion Ebbighausen Redakteur der Programs for Asia