1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kakerlake: Wie die Deutsche Schabe den Globus eroberte

23. Mai 2024

Eklig und widerstandsfähig: Die Deutsche Schabe ist die verbreitetste Kakerlake weltweit. Eine Studie rekonstruiert ihren Ursprung und ihren unaufhaltsamen Siegeszug.

https://p.dw.com/p/4gCM3
Kakerlake - Deutsche Schabe in Nahaufnahme
Die Deutsche Schabe ist im Vergleich zu den anderen Kakerlaken besonders widerstandsfähig gegen Insektengifte.Bild: H. Bellmann/F. Hecke/blickwinkel/picture alliance

Die meisten Menschen finden Kakerlaken eklig, trotzdem sind ihre Fähigkeiten beeindruckend: Kakerlaken sind blitzschnell, sie können sich ganz flach machen, wenn sie durch einen Spalt wollen und sie haben neben den üblichen Krallen auch spezielle Haftorgane an den Füßen, mit denen sie selbst glatte, senkrechte Flächen hochklettern können.

Vor allem aber sind Kakerlaken ausgesprochen widerstandsfähig. Ihr Rückenpanzer hält das neunhundertfache ihres eigenen Körpergewichts aus, weshalb man sie kaum zerquetschen kann. Und die meisten Insektizide können Kakerlaken nichts anhaben.

Und das ist ein großes Problem, denn Kakerlaken können viele Bakterien, Viren und Pilze übertragen. Sie können Allergien auslösen und zu Durchfall, Hepatitis A, Milzbrand, Salmonellen oder Tuberkulose führen. In Ställen können die Schaben die Maul- und Klauenseuche auslösen.

Globaler Siegeszug eines Insekts

Die erfolgreichste – weil am weitesten verbreitete – Kakerlake weltweit ist die sogenannte "Deutsche Schabe" (Blattella germanica). Sie ist auf sämtlichen Kontinenten ein ungeliebter Begleiter des Menschen. Das nachtaktive, bis zu zwei Zentimeter große Insekt lebt in Gebäuden weltweit. In der freien Natur kommt das braune Insekt dagegen nicht vor.

Die Deutsche Schabe ist nach dem Land benannt, in dem sie erstmals beschrieben und wissenschaftlich untersucht wurde, nämlich Deutschland. Erstmals beschrieben wurde die Deutsche Schabe 1776 vom schwedischen Naturforscher Carl von Linné. Das war kurz nach dem Siebenjährigen Krieg, als halb Mitteleuropa in Schutt und Asche lag und große Armut herrschte. 

Das Insekt heißt zwar "Deutsche Schabe", aber woher es ursprünglich stammt, war bisher unklar. Jetzt hat ein Team um Qian Tang von der Nationalen Universität von Singapur rekonstruiert, woher diese Kakerlakenart stammt und wie sie sich rund um die Welt verbreitet hat. Dazu hat das Team von Forschenden das Erbgut von 281 Kakerlaken untersucht, die aus 17 Ländern auf fünf Kontinenten stammten.

Deutsche Schabe von oben
Mit Beginn des globalen Fernhandels begann der Siegeszug der Kakerlaken. Bild: H. Bellmann/F. Hecke/blickwinkel/picture alliance

Von Asien um die ganze Welt

Die Analyse ergab, dass sich die Deutsche Schabe vor etwa 2100 Jahren aus der Asiatischen Schabe (Blattella asahinai) entwickelte. Auch heute noch ähneln sich die beiden Arten sehr. Ursprünglich hätten sich diese Insekten an die menschlichen Siedlungen in Indien oder Myanmar angepasst, so die Forschenden.

Von dort aus verbreitete sich die Art in den folgenden Jahrhunderten über zwei verschiedene Routen nach Westen: Vor etwa 1200 Jahren profitierte diese Spezies von der wirtschaftlichen und militärischen Ausbreitung des Islam. Und vor knapp 400 Jahren vom europäischen Kolonialismus - vermutlich insbesondere von Großbritannien und den Niederlanden.

Keine Angst vor Insekten

Die Schabe im Gefolge des Menschen

Selbst im frühen 18. Jahrhundert sei das Hauptverbreitungsgebiet der Deutschen Schabe aber noch auf Asien beschränkt gewesen, schreibt die Gruppe in den "Proceedings" der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften. Das änderte sich erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, also um die Zeit, als Carl von Linné das Insekt erstmals beschrieb.

Mit Beginn des globalen Fernhandels über bessere und schnellere Transportwege begann der Siegeszug der Kakerlaken: "Die Deutsche Schabe verbreitete sich dann über den Rest der Welt im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert", so die Studie aus Singapur.

Ideale Lebensbedingungen für Kakerlaken

Wo auch immer sie hinkamen, fanden die Kakerlaken in Häusern mit Heizungen und Rohrleitungen ideale Lebensbedingungen. So sank die Sterblichkeit der kälteempfindlichen Insekten in kühleren Regionen deutlich.

"Der Aufstieg der menschlichen Zivilisation hat die Evolution und Verbreitung von Arten ausgelöst, die an städtische Umgebungen angepasst sind", so das Team.

Vor allem in feuchtwarmen Häusern fühlen sich Kakerlaken sehr wohl. Denn das Einzige, was diese wechselwarmen Insekten nicht gut ertragen, ist Trockenheit. In modernen Häusern ohne feuchte Ecken verdursten sie sehr schnell.

Kakerlaken sind erschreckend widerstandsfähig

Es gebe noch einen weiteren Grund, warum ausgerechnet die Deutsche Schabe bei der Besiedlung der Welt dermaßen erfolgreich war, so die Forschenden. Die Art sei im Vergleich zu den anderen Kakerlaken besonders widerstandsfähig gegen Insektengifte.

Chemikalien bringen bei Kakerlaken wenig. Denn Kakerlaken, die gegen einen Wirkstoff resistent sind, können innerhalb einer Generation auch gegen andere Wirkstoffe immun werden.

Innerhalb weniger Monate bauen überlebende Tiere erneut große Populationen auf. Und da Kakerlaken im Schnitt drei Monate leben, entwickeln sich Resistenzen enorm schnell, denn die Gene der widerstandsfähigsten Kakerlaken werden an die nächste Generation weitergegeben.

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund