Julia Nawalnaja sucht im EU-Parlament Hilfe gegen Putin
28. Februar 2024Julia Nawalnaja wird mit stehendem Applaus im Europaparlament in Straßburg empfangen - in einer Stadt, die sie in der Vergangenheit gemeinsam mit ihrem Mann und ihren Kindern besucht habe, wie sie sagt. In ihrer teilweise sehr persönlichen Rede, in der sie an manchen Stellen um Fassung zu ringen scheint, berichtet sie, dass sie in den zwölf Tagen seit dem Tod ihres Mannes Alexej Nawalny eine Woche damit verbracht habe, den Leichnam des russischen Oppositionellen freizubekommen und die Beerdigung zu organisieren.
Alexej Nawalny ist laut offiziellen russischen Angaben am 16. Februar gegen 14 Uhr Ortszeit in einem sibirischen Straflager eines "natürlichen Todes" gestorben. Nawalnys Unterstützer und westliche Politiker machen den russischen Präsidenten Wladimir Putin für den Tod des prominentesten Oppositionellen verantwortlich. Julia Nawalnaja erklärte nach dem Tod ihres Mannes, seine Arbeit, die sich vor allem dem Kampf gegen die Korruption gewidmet hat, fortführen zu wollen.
In Straßburg berichtet Nawalnaja, dass die Beerdigung in Moskau am Freitag stattfinden werde, und sie sich nicht sicher sei, "ob das eine friedliche Beerdigung sein wird oder ob die Polizei jene verhaften wird, die gekommen sind, um sich von meinem Mann zu verabschieden."
Bereits unmittelbar nach der Verkündung des Todes wurden zahlreiche Menschen wegen des öffentlichen Gedenkens an Nawalny festgenommen. Bislang ist nicht klar, wie viele Menschen an der Trauerfeier teilnehmen werden und wie der russische Staat reagieren wird.
Nawalnaja: "Sie müssen erfinderisch sein"
Der Mord an ihrem Mann habe gezeigt, dass Putin zu allem fähig sei und dass man nicht mit ihm verhandeln könne. Sie sehe, wie schockiert die Menschen seien - viele hätten das Gefühl, das Putin nicht besiegt werden könne. "Und in dieser Verzweiflung fragen sie jetzt mich: Wie können wir Ihnen helfen?"
Und Julia Nawalnaja gibt den EU-Parlamentariern die Antwort, indem sie ihren verstorbenen Ehemann als einen Erfinder beschreibt, der immer neue Ideen hatte, vor allem wenn es um die Politik ging. Auch habe er immer neue Wege gefunden, sich trotz der Repression des russischen Staates Gehör zu schaffen. "Wenn Sie Putin wirklich besiegen wollen, dann müssen Sie Erfinder werden und Sie müssen aufhören, langweilig zu sein." Denn man könne Putin nicht mit weiteren Resolutionen oder Sanktionen schädigen. Im Falle des russischen Präsidenten gehe es nicht um einen Politiker, sondern um ein "blutiges Monster".
"Putin ist der Leiter einer kriminellen organisierten Gang," so Nawalnaja weiter. Gegen diese, bestehend aus Freunden und Verbündeten Putins, müsse angekämpft werden - und zwar mit Mitteln, die es im Kampf gegen das organisierte Verbrechen gebe. Nawalnaja fordert die EU-Parlamentarier auf, in ihren Ländern nach den "mafiösen Verbündeten" Putins zu suchen, den "diskreten Anwälten und Geldgebern, die Putin und seinen Freunden helfen, das Geld zu verstecken".
Parlamentarier sagen Unterstützung zu
In Straßburg scheint man sich in der Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung der Todesursache Alexej Nawalnys einig zu sein. Eine solche fordert etwa Parlamentspräsidentin Roberta Metsola. Auch der Vize-Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, Pedro Marques, will eine solche Untersuchung. Mit Blick auf die Rede Julia Nawalnajas sagte er: "Sie haben sich heute an uns gewandt und wir haben sie laut und deutlich gehört."
Urmas Paet von der liberalen Renew-Fraktion, betonte im Gespräch mit der DW, dass es von entscheidender Bedeutung sei, dass die EU und das Europäische Parlament sehr konkrete Wege fänden, wie die noch bestehende russische Opposition und Menschenrechtsaktivisten unterstützt werden können. Grundsätzlich seien viele von ihnen bereits im Ausland und für diejenigen, die sich noch im Land befänden, sehe die Zukunft eher düster aus, betonte Paet.
Erst einen Tag zuvor war der russische Menschenrechtler Oleg Orlow wegen Kritik an der russischen Invasion in der Ukraine zu einer 30-monatigen Haftstrafe verurteilt worden.
Am Donnerstag soll im EU-Parlament über eine nicht bindende Resolution abgestimmt werden. Diese befasst sich mit der "Ermordung Alexej Nawalnys und EU-Maßnahmen zur Unterstützung der politischen Gefangenen und der unterdrückten Zivilgesellschaft in Russland."
Konkrete Maßnahmen liegen allerdings nur beschränkt in der Hand des EU-Parlaments. Guy Verhofstadt, ebenfalls von der Renew-Fraktion, kritisiert in einer späteren Diskussion insbesondere, dass die EU-Kommission bislang keine neuen Sanktionen vorgelegt habe. Er wolle eine "echte Strategie gegenüber Russland" sehen und nicht nur Applaus für Julia Nawalnaja.