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Kommt das Medikament gegen Corona noch?

25. August 2021

Impfungen gegen COVID-19 dominieren die Schlagzeilen. Bei Medikamenten kommen Ärzte und Forscher eher schleppend voran. Hier ein Überblick über den derzeit gültigen Stand der Therapie.

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Verschiedene bunte Medikamenten-Pillen auf einem Löffel
Schön bunt, aber gegen die Impfspritze kommen Medikamente noch nicht an Bild: imago images/blickwinkel

Eins vorweg: Es gibt gegen COVID-19 bislang nichts Besseres und Wirksameres als eine Impfung.  Nur Impfungen können schwere Krankheitsverläufe verhindern oder stark abmildern. Und am besten wäre es, wenn eine intensivmedizinische Behandlung und Therapie von COVID-19 von Anfang an vermieden werden könnte.

Aber so weit sind wir noch nicht. Weltweit wurden bisher zwar schon fünf Milliarden Impfdosen verabreicht -vorwiegend in den reicheren Industrieländern.  Das reicht bei zwei notwendigen Impfungen aber gerade mal für etwa ein Drittel der Menschheit.

Und weiterhin erkranken täglich noch fast 650.000 Menschen. Etwa fünf Prozent von ihnen müssen intensivmedizinisch behandelt werden und fast 10.000 sterben jeden Tag mit oder an COVID-19 (Stand Ende August 2021).

Also bleibt die Therapie der Erkrankung bis auf weiteres wichtig. Und auch da hat die Forschung in den letzten anderthalb Jahren viel dazugelernt. Ein Überblick über die wichtigsten Behandlungsmethoden und Medikamente verschafft die ärztliche S-3-Leitlinie mit Empfehlungen zur stationären Therapie von Patienten mit COVID-19.  Die wichtigsten deutschen medizinischen Gesellschaften haben sie gemeinsam erarbeitet. Was steht drin? Ein Überblick:

Ab wann muss ich ins Krankenhaus oder sogar auf die Intensivstation?

Eine Krankenhauseinweisung ist nötig, wenn Patienten schwere Atemprobleme haben. Bei älteren Menschen oder solchen mit bestimmten Vorerkrankungen wird ein Arzt früher eine Einweisung veranlassen als bei jungen und ansonsten gesunden Patienten. Aber letztlich sind die Atemfrequenz und die Sauerstoffsättigung (weniger als 90 Prozent) des Blutes ausschlaggebend.

Auf die Intensivstation müssen Patienten, wenn die Lungen es nicht mehr schaffen, genug Sauerstoff ins Blut zu befördern,  also eine "hypoxämische respiratorische Insuffizienz" auftritt. Dann haben die Patienten oft akute Luftnot und eine Hechelatmung mit einer Atemfrequenz von 25 bis 30 Atemzügen pro Minute.

Dabei schaffen sie es nicht mehr, verbrauchte Luft abzuatmen. Frische Luft erreicht die tiefen Lungenbereiche nicht mehr. Sie können so die Lunge nicht mehr richtig durchlüften und ihnen droht ein akutes Lungenversagen.

Deutschlands Ärzte am Limit

Sauerstoff oder Beatmung

In dieser Situation können Mediziner die Schädigungen der Lunge und auch Lungenembolien  bereits durch bildgebende Verfahren erkennen. Unter Umständen leiden Patienten auch schon an einer Sepsis. 

Nun geht es darum, Leben zu retten. Die Patienten müssen Sauerstoff so zugeführt bekommen, dass das lebenswichtige Gas trotz der Lungenschäden noch seinen Weg ins Blut findet. 

Die Patienten werden also beatmet: Idealerweise zunächst über eine Nasensonde oder Maske und nur im schweren Fall invasiv. Das heißt, Ihnen wird ein Schlauch durch den Mund bis in die Luftröhre geschoben und so verschlossen, dass keine Flüssigkeit aus dem Rachenraum in die Lunge gelangen kann. Durch den Schlauch wird ihnen Sauerstoff mit einem bestimmten Druck in die Lunge gepumpt.

Dabei hat es sich gezeigt, dass die Überlebenschancen steigen, wenn die Patienten immer wieder für längere Zeit auf dem Bauch liegen.

Gerinnungshemmer, Kortikosteroide und Immunsuppresiva

Unterstützend geben Ärzte den Patienten nun - soweit die es vertragen -den Gerinnungshemmer Heparin,  um die Gefahr von Thrombosen zu verringern.

Hinzu kommt das Kortikosteroid Dexamethason  oder in begründeten Fällen auch das Glukokortikoid Hydrocortison. Diese Therapie soll immunmodulatorisch wirken, also Entzündungen entgegenwirken.

Dabei sind Kortikosteroide kein Wundermittel in der Behandlung von Intensivpatienten.  Die Sterblichkeit ging in großen Studien bei Beatmungspatienten nur zwischen 3 und 12 Prozent zurück - aber besser als nichts. Und wichtig: Die Medikamente sind leicht verfügbar und Patienten vertragen sie in der Regel gut. 

Unterstützend können Ärzte zusätzlich zum Dexamethason auch noch den Wirkstoff Tocilizumab in Kombination geben. Dabei handelt es sich um einen monoklonalen Antikörper, der als Immunsuppressivum wirkt. Zwar zeigte sich in Studien nur ein geringer Effekt des Mittels, aber bei sauerstoffpflichtigen Patienten, deren Zustand sich weiter verschlechtert, könnte es helfen, das schlimmste abzuwenden.

Ärzte sollen es allerdings nicht verwenden, wenn Patienten bereits beatmet werden. Auch für Patienten, die keinen oder nur wenig Sauerstoff brauchen, kommt es gemäß der S3-Leitlinie nicht in Frage.

SARS-CoV-2 spezifische monoklonale Antikörper

Die Wirkstoffklasse der SARS-CoV-2 neutralisierenden monoklonalen Antikörper,  die sich direkt gegen den Erreger richten, galten lange als Hoffnungsträger. So wurde zum Beispiel der damalige US-Präsident Donald Trump bei seiner Corona-Infektion mit einem Wirkstoff namens REGN-COV2 des Herstellers Regeneron  behandelt. 

Der Wirkstoff, der eigentlich aus einer Mischung zweier monoklonaler Antikörper besteht, hat in den USA eine Notfallzulassung der Zulassungsbehörde FDA erhalten. Eine Phase-3-Studie, die am 12. April 2021 veröffentlicht wurde, zeigte, dass Menschen, die sich erst kürzlich infiziert hatten und noch keine Symptome zeigten, ihr Risiko schwer zu erkranken deutlich senken konnten. Wer Symptome zeigte, wurde schneller gesund und auch die Viruslast bei den Patienten sank deutlich. Die deutsche Leitlinie erwähnt das Mittel allerdings nicht explizit.

Ein anderes Medikament namens Bamlanivimab wird indes erwähnt. Es funktioniert so ähnlich wie REGN-COV2, dockt aber direkt an das Spike-Protein des Coronavirus an. Auch dieses Mittel senkte in einer klinischen Studie den Anteil derjenigen deutlich, die nach einer SARS CoV2-Infektion behandelt werden mussten.

Allerdings empfehlen deutsche Ärzte den Einsatz von Bamlanivimab für Menschen mit einer moderaten bis schweren Infektion nicht, wenn sie im Krankenhaus behandelt werden. Der Grund: Das Medikament führt auch zu unerwünschten Nebenwirkungen. Zum Beispiel mussten mehr Patienten nach der Einnahme eine Dialyse über sich ergehen lassen.

Eine Ausnahme gibt es: Patienten, die mindestens einen Risikofaktor für einen potentiell schweren Verlauf haben, dürfen SARS-CoV-2 spezifische monoklonale Antikörper erhalten, solange sie noch keine Atemwegssymptome zeigen.

Der Gedanke dahinter: Wer früh die Antikörper bekommt, wird wahrscheinlich keine oder nur milde Symptome erleiden. Das Risiko von Nebenwirkungen durch das Medikament ist bei solchen Patienten folglich geringer als die Gefahr einer Virusinfektion.

Behandlung mit dem Blutplasma genesener COVID-19-Patienten

Die Idee hinter der Blutplasma-Therapie  ist auf den ersten Blick recht einleuchtend: Wenn jemand von COVID-19 genesen ist, hat er genug Antikörper im Blut und könnte diese an Erkrankte weitergeben. 

Doch das Ganze stellt sich in der Praxis als deutlich komplizierter heraus. Studien mit dem sogenannten Rekonvaleszentenplasma konnten keinen Vorteil zeigen. Weder sank die Sterblichkeit, noch war eine Verbesserung des Gesundheitszustandes der Patienten messbar.

Dafür sind aber unerwünschte Nebenwirkungen bei den Empfängern der Blutplasmaspenden aufgetreten. Grundsätzlich sind Plasmapräparate in der Anwendung ähnlich schwierig zu handhaben, wie Organe bei einer Transplantation. Im klinischen Alltag ist die Logistik genauso schwer zu gewährleisten wie die Rekrutierung passender Spender. 

Blutplasma als Jungbrunnen

Medikamente, die nicht empfohlen werden

In der ärztlichen S3-Leitlinie werden ferner noch weitere Wirkstoffe genannt, die zeitweise als Hoffnungsträger gegen COVID-19 galten, aber die Erwartungen nicht erfüllen konnten.

Darunter sind sowohl hergebrachte Medikamente wie das bei bakteriellen Lungenentzündungen häufig eingesetzte Antibiotikum Azithromycin  oder das Parasitenmittel Ivermectin.  Aber auch das oft gepriesene Vitamin D3  empfehlen die Ärzte nicht zur COVID-19-Behandlung im Krankenhaus.

Keine Empfehlung gibt es auch für die Virenhemmer Ritonavir und Lopinavir – egal ob einzeln verabreicht oder in Kombination mit dem immunstimulierenden, antiviral wirkenden Interferon. 

Ebenfalls durchgefallen sind das Antivirenmittel Chloroquin/ Hydroxylchloroquin oder der Entzündungshemmer Anakinra.

Das Immunsuppressivum Baricitinib zeigte unterdessen in Kombination mit dem antiviral wirkenden Remdesivir, dass Patienten mit schwerem Krankheitsverlauf schneller wieder genesen sind.

Einen Rückgang der Sterblichkeit konnte die Therapie mit den beiden Medikamenten indes nicht erzielen. Damit wird Remdesivir auch in der Regel nicht in deutschen Kliniken zur Behandlung von COVID-19 eingesetzt.

Kein Medikament wirkt besser als die Impfung

Trotz der umfassenden Forschung mit bekannten und neu gefundenen Wirkstoffen ist das Fazit doch klar: Ein Wundermittel ist auch weiterhin nicht in Sicht. Und keine der bekannten medikamentösen Behandlungen ist besser als eine Impfung.

 

Schmidt Fabian Kommentarbild App
Fabian Schmidt Wissenschaftsredakteur mit Blick auf Technik und Erfindungen