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Gesellschaft

Israels Präsident entsetzt über Kippa-Warnung

26. Mai 2019

Er könne Juden nicht empfehlen, überall in Deutschland die Kippa zu tragen, sagte der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung. Der israelische Präsident Rivlin reagiert bestürzt und nimmt Berlin in die Pflicht.

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Deutschland Antisemitismus l Israels Präsident Reuven Rivlin reagiert auf Kippa-Warnung
Bild: Getty Images/AFP/M. Kahana

Reuven Rivilin (Artikelbild) schrieb auf Twitter: "Die Verantwortung für das Wohl, die Freiheit und das Recht auf Religionsausübung jedes Mitglieds der deutschen jüdischen Gemeinde liegt in den Händen der deutschen Regierung und ihrer Strafverfolgungsbehörden." Über die Empfehlung des Antisemitismusbeauftragen der Bundesregierung sei er "zutiefst schockiert".

Ängste über die Sicherheit deutscher Juden seien "eine Kapitulation vor dem Antisemitismus und ein Eingeständnis, dass Juden, erneut, in Deutschland nicht sicher sind", heißt es der Erklärung des israelischen Staatsoberhaupts.

"Wir anerkennen und schätzen die moralische Position der deutschen Regierung und ihr Engagement für die dort lebende jüdische Gemeinde", hob Rivlin hervor. Aber "wir werden auf Antisemitismus niemals mit Defätismus reagieren - und wir erwarten und verlangen, dass unsere Verbündeten in gleicher Weise handeln".

Zentralratspräsident: Gefährdung von Juden "seit längerem eine Tatsache"

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hatte der Funke Mediengruppe gesagt, er empfehle Juden, nicht "jederzeit überall in Deutschland" die Kippa, die traditionelle Kopfbedeckung jüdischer Männer, zu tragen. Er begründete dies mit der "zunehmenden gesellschaftlichen Enthemmung und Verrohung", die ein fataler Nährboden für Antisemitismus sei. "Hierzu haben das Internet und die sozialen Medien stark beigetragen, aber auch die fortgesetzten Angriffe auf unsere Erinnerungskultur", sagte Klein.

Auch die jüdische Gemeinde in Deutschland reagierte bestürzt auf die Aussagen Kleins und forderte die Bundesregierung zum Handeln auf. "Es ist seit längerem eine Tatsache, dass Juden in einigen Großstädten potenziell einer Gefährdung ausgesetzt sind, wenn sie als Juden zu erkennen sind", sagte der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster. Er habe "bereits vor zwei Jahren" auf diesen Umstand hingewiesen.

Josef Schuster - Präsident des Zentralrats der Juden
Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sieht seit längerem eine Gefährdung von Juden in DeutschlandBild: picture-alliance/dpa/P. Kneffel

"Es ist daher zu begrüßen, wenn diese Situation auch auf höchster politischer Ebene mehr Aufmerksamkeit erfährt", sagte Schuster. Die Bekämpfung des Antisemitismus müsse sich die ganze Gesellschaft zu eigen machen, betonte er. "Es ist höchste Zeit." Das aggressive politische Klima wirke sich aus. "Wir fühlen uns von den Sicherheitsbehörden zwar ausreichend geschützt, aber es wird Zeit, dass sich in der Gesellschaft der Wind wieder dreht."

Knobloch: Jüdisches Leben muss ohne Angst möglich sein

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, rief die Bundesregierung auf, Juden in Deutschland ein Leben ohne Angst zu gewährleisten. "Jüdisches Leben muss in ganz Deutschland ohne Angst möglich sein." Die Verunsicherung in der jüdischen Gemeinschaft sei groß und sie könne jeden verstehen, der sich nicht öffentlich sichtbar als jüdisch zu erkennen geben will, sagte Knobloch. "Mit diesem Zustand dürfen wir uns aber nicht abfinden."

Brüssel Holocaust-Gedenken im Europäischen Parlament Charlotte Knobloch
Charlotte Knobloch: "Verunsicherung in der jüdischen Gemeinschaft ist groß"Bild: picture-alliance/dpa/G. Wijngaert

Der Publizist und frühere Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Michel Friedman bezeichnete die Äußerungen Kleins als Offenbarungseid des Staates. Der Staat müsse gewährleisten, dass Juden sich überall angstfrei zu erkennen geben können, sagte der 63-Jährige der Deutschen Presse-Agentur.

2018 war die Zahl antisemitischer Straftaten bundesweit stark gestiegen. Der jüngste Jahresbericht zur politisch motivierten Kriminalität wies 1799 Fälle aus - 19,6 Prozent mehr als 2017.

ww/sti (dpa, afp, kna)