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PolitikAsien

Indien: Neues Gesetz für mehr Frauen in der Politik

Murali Krishnan
27. September 2023

Indien will jeden dritten Sitz im Parlament mit Frauen besetzen, allerdings erst 2029. Das Unterhaus hat dafür ein neues Gesetz gebilligt, doch es steht noch ein langer Weg bevor. Murali Krishnan aus Neu Delhi.

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Indiens Premierminister Narendra Modi vor einer Absperrung, dahinter eine Menge von Frauen, die ihn beklatschen
Lässt sich feiern: Premier Narendra Modi vor dem Sitz seiner Partei BJP, nachdem das neue Gesetz verabschiedet wurdeBild: AP Photo/picture alliance

Ein neues Gesetz soll für Gleichstellung in der Politik der bevölkerungsreichsten Demokratie der Welt sorgen. Das indische Parlament hat vergangene Woche einstimmig ein neues Gesetz über eine Frauenquote in den Volksvertretungen gebilligt. Demnach soll ein Drittel aller Sitze im indischen Unterhaus und in weiteren 28 Regionalparlamenten mit Politikerinnen besetzt werden.

Frauen sind in der indischen Politik unterrepräsentiert. In der jetzigen Legislaturperiode sitzen nur 83 Frauen zwischen den insgesamt 543 Abgeordneten im Unterhaus in Neu Delhi. Das entspricht einer Frauenquote von 15 Prozent. Zum Vergleich: Aktuell sind 35 Prozent der Abgeordneten im Deutschen Bundestag Frauen. 

Frauen stehen in einer Menge zusammen, Delhi, Indien
Frauen mögen die Hälfte der Bevölkerung sein - aber ihr Anteil im indischen Unterhaus ist nur 15 ProzentBild: Adil Bhat/Sharique Ahmad/DW

Im indischen Bundesstaat Mizoram hat das Regionalparlament überhaupt keine Frau, im Bundesstaat Himachal Pradesh nur eine. Ferner hatten sieben Bundesstaaten keine einzige Kandidatin bei den jüngsten indischen Parlamentswahlen aufgestellt. Premier Narendra Modi hat in seiner Regierung drei Frauen auf seinen 24 Kabinettsposten. Die deutsche Bundesregierung hat sieben Ministerinnen und neun Minister.

Frauenquote ja - aber nicht sofort

Indiens Premierminister Narendra Modi von der regierenden Partei BJP bezeichnet das Gesetz als ein "Zeugnis für das 'Neue Indien' ('Naya Bharat')". Generationen von Inderinnen und Indern würden auch später darüber sprechen.

Zwar wird 2024 in Indien ein neues Parlament gewählt. Allerdings findet das neue Gesetz keine Anwendung. Die offizielle Begründung: Eine Volkszählung sei notwendig, um die Wahlbezirke und die Größe des Parlaments neu zu bestimmen.

Busfahrerinnen in Delhi

Warum gelte die Regelung nicht sofort, wenn alle Partei doch dafür seien, fragt sich Yamini Aiyar, Leiterin des Centre for Policy Research, einer Denkfabrik in der indischen Hauptstadt. Die Parteien könnten ruhig jetzt mehr Kandidatinnen für ihren Wahlkampf aufstellen, so Aiyar.

Hohe Hürden für Berufspolitikerinnen

Schon 1966 kam mit Indira Gandhi die erste Premierministerin an die Macht. Sie regierte Indien mit Unterbrechungen 15 Jahre lang, bis sie 1984 von ihren Sikh-Leibwächtern ermordet wurde. Dennoch haben Politikerinnen es schwer in Indien.

Zwar gehen immer mehr Frauen zur Wahl. Allerdings wagen viele von ihnen nicht den Schritt in die Politik. Die Hürden dafür seien zu hoch, sagt die Interparlamentarische Union (IPU), eine Organisation, die weltweit Daten zu nationalen Parlamenten zusammenstellt. Frauen seien mit Diskriminierung und einem Mangel an Ressourcen konfrontiert. Auf dem IPU-Ranking in Bezug auf die Frauenquote belegt Indien Platz 141 von 187 Ländern.

Frauen brauchen mehr digitale Fähigkeiten

Auch die etablierten politischen Parteien in Indien müssen für Frauenbeteiligung attraktiver werden. Eine IPU-Studie zeigt, dass Frauen aufgrund ihres geringen Anteils in den politischen Parteien einfach zu wenig Ressourcen für ihren Wahlkampf haben.

Politikerinnen sind "verantwortungsbewusster und ehrlicher"

Schon früher hatte Indien versucht, ähnliche Gesetze durch die Parlamente zu bringen. Sie waren allerdings aus parteipolitischen Gründen kontinuierlich blockiert worden. Supriya Sule, Abgeordnete der oppositionellen Kongresspartei, bezeichnet das jüngste Gesetz als "Verrechnungsscheck einer bankrotten Bank mit extrem langer Vorlagefrist".  "Mal sehen, ob das neue Gesetz bis zu seinem vorgesehenen Datum im Jahr 2029 Wirklichkeit wird", sagt sie mit großem Misstrauen. "Dass ich etwas zynisch bin, liegt das daran, dass ich zu oft ähnliche Gesetzgebungen im Parlament erlebt habe - 1996, 1998, 1999 und 2008. Sie wurden alle mit großem Aufsehen eingeführt. Am Ende verschwanden sie alle jedoch stillschweigend von der Tagesordnung."

Die Kabinettsministerin für Lebensmittelverarbeitung und Parteivorsitzende der Sikh-Partei Akali Dal (SAD) aus dem Bundesstaat Punjab, Harsimrat Kaur Badal, hinterfragt ebenfalls die unverhältnismäßige Verzögerung bei der Umsetzung des Gesetzes: "Warum haben Sie dieses Gesetz eingeführt, wenn Sie es nicht sofort umsetzen? Das von Männern dominierte Parlament hat die Frauen verraten."

Die anstehenden Wahlkämpfe werden zum ersten Härtetest für die von Männern dominierten indischen Parteien. Ob es ihnen gelingt, schon im nächsten Jahr mehr Kandidatinnen aufzustellen? Es wird erwartet, dass mit dem neuen Gesetz der Frauenanteil in der Politik steigt.

Und Frauen können Politik besser, argumentiert Flavia Agnes, eine angesehene Anwältin für Frauenrechte. Die Gesetzgeberinnen seien "durch schnelle Reaktionsfähigkeit, ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein und Ehrlichkeit" geprägt. Sie hegt die Erwartung, dass das neue Gesetz dazu führen werde, dass der Staatsapparat insgesamt mit mehr Frauenbeteiligung effizienter und besser werde.