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Humboldt-Forum: Wieder Streit ums Stadtschloss

Julia Hitz
3. Dezember 2021

Denkmal oder Symbol der Unterdrückung? Die Inschrift an der Kuppel des Humboldt-Forums in Berlin sorgt schon lange für Ärger. Jetzt soll sie geändert werden.

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Kreuz-Anbringung auf Kuppel des Berliner Stadtschlosses, Fernsehturm im Hintergrund
Im Mai 2020 wurde die Kuppel mit dem Kreuz auf dem Stadtschloss angebrachtBild: picture-alliance/dpa/B.v. Jutrczenka

Den Wiederaufbau von historischen Gebäuden mit streitbarer Vergangenheit dürften sich die deutsche und die Berliner Regierung in Zukunft sehr, sehr gut überlegen. Der Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses, jetzt Sitz des Humboldt Forums, war nicht nur sehr teuer (680 Millionen Euro), sondern ist seit dem Entschluss dazu höchst umstritten.

Bewegte und vielschichtige Geschichte

Das Stadtschloss wurde Mitte des 15. Jahrhunderts errichtet und war einer der prominentesten Bauten in der Mitte von Berlin. Es diente Kurfürsten, preußischen Königen und dem deutschem Kaiser als Residenz. König Friedrich Wilhelm VI. setzte dem Schloss 1848 die Kuppel mit dem Kreuz auf - als Symbol seiner engen Verbindung zu Gott - und um die Monarchie als von Gott legitimierte Regierungsform zu betonen. Hierbei wurde auch der von ihm montierte Bibelspruch angebracht, der Anlass für die jetzigen Debatten ist.

"Es ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters. Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind."

Nach dem Ende des Kaiserreichs 1918 wurde das Schloss Sitz von Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen und das meistbesuchte Museum in Berlin. Im Zweiten Weltkrieg war das Schloss teilweise ausgebrannt, 1950 wurde es in der Deutschen Demokratischen Republik gesprengt. Während der DDR-Zeit stand hier der zentrale Palast der Republik, Sitz der Volkskammer. Nach der deutschen Wiedervereinigung beschloss der Bundestag 2002 den Wiederaufbau.

Biblischer Spruch als Zankapfel

Nun ist das Gebäude seit Mai 2020 fertig, das goldene Kreuz prangt wieder auf seiner Kuppel und auch der Spruch in goldenen Buchstaben auf blauem Grund hebt sich in aller Deutlichkeit ab und ist von weitem zu erkennen. Von Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft in Berlin wurden Kuppel, Kreuz und Inschrift seitdem kontrovers diskutiert. Die Kritik lautete unter anderem, dass diese dem Humboldt-Forum eine falsche Note gebe, von "christlichen Unterwerfungsfantasien" war gar die Rede. 

Andere machten sich für die Beibehaltung der historischen Rekonstruktion stark, unter anderem die scheidende Kulturstaatsministerin Monika Grütters. "Als Forum der Verständigung wird es einen gleichberechtigten Dialog der Weltkulturen ermöglichen. So ist auch das Kreuz als Einladung zu verstehen, die unterschiedlichen Kulturen kennenzulernen, die im Humboldt Forum ihren Platz finden", so Grütters in einem Statement.

Das umlaufende Schriftband an der Kuppel des Humboldt Forums
Der Bibelspruch am Humboldt-Forum sorgt für AufregungBild: picture alliance/dpa

Doch nach der anhaltenden Kritik sehen auch die Betreiber des Humboldt-Forums das Kuppelkreuz samt Inschrift Spruch durchaus kritisch, zumal das Haus "ein weltoffener, demokratischer Debattenort" sein will. Man sei sich der Problematik durchaus bewusst, "die von einer städtebaulich und baukulturell begründeten, gleichwohl politisch und religiös interpretierbaren Wiederherstellung der monarchischen und christlichen Symbolik an einem Gebäude wie dem Humboldt Forum ausgeht".

Vorboten neuer Kulturpolitik?

Nun ist es die neue Regierung, die den entscheidenden Anstoß zu korrigierenden Maßnahmen gibt. Erstes Anzeichen dafür ist eine mit Hinweis auf den neuen Koalitionsvertrag erfolgte Ankündigung des Generalintendanten des Humboldt-Forums.

Am 02.12.2021 ließ Hartmut Dorgerloh verlauten, dass die Frage zu Kreuz und Kuppel immer wieder neu gestellt werden müsse. Es solle der Versuch unternommen werden, "vielleicht auch neue Antworten zu formulieren". Neue Ideen müssten entwickelt werden, "wie wir mit etwas umgehen, was bis heute nicht befriedigt und nicht befriedet ist", so Dorgerloh. 

Menschrechte in Neon-Schrift?

Ein Angebot hat die "Initiative Leuchtturm Berlin" (s. Video) vorgelegt: Informatiker Sven Lochmann und Jurist Konrad Miller haben das Kunstprojekt initiiert. Sie wollen dem umstrittenen Spruch "eine dauerhafte, positive und zeitgemäße Aussage entgegensetzen". Um das zu erreichen, planen sie, Leuchtdioden vor das Spruchband zu montieren. Bei Einbruch der Dunkelheit sollen dann Auszüge aus Grundgesetz und Menschenrechtserklärung als Laufschrift vor dem Bibelspruch zu lesen sein. 

Dies kann eigentlich nur im Sinne des Humboldt Forums sein, das im Juli 2021 endlich eröffnen konnte. Seitdem werden hier Exponate aus Asien, Afrika, Amerika und Ozeanien gezeigt, deren koloniale Aneignung teils genauso umstritten ist wie das Gebäude, das sie beherbergt. Die unbequemen Fragen liegen offen und schmerzhaft prominent unter dem goldenen Kreuz in der Mitte der deutschen Hauptstadt.