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Hohes Ziel

Wolter von Tiesenhausen4. April 2003

Bundeskanzler Gerhard Schröder drängt auf eine verstärkte außenpolitische Zusammenarbeit der Europäer. Dabei darf aber die NATO-Partnerschaft mit den USA nicht leiden, meint Wolter von Tiesenhausen in seinem Kommentar.

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Bundeskanzler Gerhard Schröder hat sich ein hohes Ziel gesetzt. Die bisher nur in Ansätzen vorhandene Zusammenarbeit der Europäer in den Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik soll so verdichtet werden, dass daraus eine "Europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion" entsteht. Das erinnert an die Anfangsjahre der europäischen Einigungsbemühungen. Damals scheiterte der Versuch, eine "Europäische Verteidigungsgemeinschaft" zu gründen, am Widerspruch des französischen Parlamentes. Die Antwort war einige Jahre später die Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland in die NATO.

Jetzt sieht es fast so aus, als sollte der umgekehrte Weg gegangen werden: eine engere Kooperation der europäischen Partner, weil in der NATO die unterschiedlichen nationalen Interessen zu sehr auseinander streben. Als erster Ansatz ist ein Treffen zwischen Frankreich, Deutschland, Belgien und Luxemburg geplant. Eines der Ziele ist es nach den Worten des Kanzlers, gemeinsame europäische Einheiten aufzustellen, die an der Stelle von nationalen Kontingenten Blauhelm-Missionen der Vereinten Nationen übernehmen können. Das klingt erstrebenswert, verdeckt aber den Preis, der dafür zu zahlen wäre: eine Relativierung der NATO.

Unmöglich ohne Freundschaft mit USA

Die wesentliche Wurzel der NATO ist die Erkenntnis, dass Europa nur in enger Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten bestehen und weiterentwickelt werden kann. Zwar erwuchs diese Erkenntnis in den Zeiten des Kalten Krieges und des Ost-West-Gegensatzes, doch behält sie auch nach dem Zusammenbruch des Kommunismus ihre Gültigkeit. Denn die NATO ist nicht nur eine Interessengemeinschaft, sie ist auch eine Wertegemeinschaft. Und diese Gemeinschaft bleibt, ob die Bedrohung nun von einem gegnerischen Block, von regionalen Unruheherden wie auf dem Balkan oder vom internationalen Terrorismus ausgeht.

Darauf werden nicht nur jene achten, die wie Großbritannien, Italien, Spanien oder Portugal im Irak-Konflikt an der Seite der Vereinigten Staaten stehen - sondern auch die Staaten Mittel- und Osteuropas, die bereits mit einem Bein in der NATO stehen und zugleich an die Tür der Europäischen Union klopfen. Sie, die so schwer unter dem Joch der sowjetischen Unterdrückung gelitten haben, wissen, dass sie ihre wiedergewonnene Freiheit vor allem der Entschlossenheit der NATO verdanken, im Rüstungswettstreit mit der Sowjetunion nicht nachzugeben, obwohl die Mehrheiten auf den Straßen Westeuropas dies damals lautstark gefordert haben. Von der Europäischen Union erhoffen sie sich Wohlstand und Einbettung in den europäischen Kulturkreis. Ihre Sicherheit aber vertrauen sie allein der NATO an.