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Politik

Guterres will neue internationale Ordnung

18. Juli 2020

Der UN-Generalsekretär möchte die Vorherrschaft der Großmächte brechen, um Macht, Reichtum und Chancen weltweit gerechter zu verteilen. Vor allem Entwicklungsländer müssten mehr Gewicht bekommen, so Antonio Guterres.

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UN-Generalsekretär Antonio Guterres
Bild: Imago Images/Xinhua/

Eigentlich gilt Antonio Guterres nicht als Mann der großen Visionen. Doch anlässlich des Nelson-Mandela-Tages 2020, am Geburtstag des 2013 verstorbenen südafrikanischen Friedensnobelpreisträgers, kritisiert der UN-Generalsekretär die Großmächte deutlich. In einer Videoansprache sprach er sich im Kampf gegen globale Ungleichheit für eine Erneuerung der internationalen Ordnung aus: "Die Nationen, die sich vor mehr als sieben Jahrzehnten durchsetzten, haben sich geweigert, über die Reformen nachzudenken, die zur Änderung der Machtverhältnisse in internationalen Institutionen erforderlich sind." Es brauche ein "Neues Globales Abkommen", um Macht, Reichtum und Chancen gerechter auf der Welt zu verteilen, so Guterres weiter.

Nationale Alleingänge als Grundübel

Guterres kritisierte die globale Vorherrschaft der großen Mächte, deren Führungen bei den größten Herausforderungen und Konflikten der Gegenwart oftmals nicht zu gemeinsamen Lösungen kommen. Als Beispiel nannte der UN-Chef das Stimmrecht des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen: die USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich sind Vetomächte des mächtigsten UN-Gremiums, das bei vielen Themen wie dem Syrien-Krieg blockiert ist, weil nichts gegen ihren Willen beschlossen werden kann. "Ungleichheit beginnt ganz oben: in globalen Institutionen. Die Bekämpfung der Ungleichheit beginnt mit der Reform", so Guterres.

Corona als Brennglas der Krise

Der Portugiese sieht die Welt vor einem Abgrund, der durch die Corona-Pandemie noch deutlicher geworden sei. Wie Röntgenstrahlen habe sie die Brüche im fragilen Skelett der Gesellschaften offengelegt: "Die Lüge, dass entfesselte Märkte Gesundheitsversorgung für alle liefern könnten" und die "Täuschung, in einer Welt zu leben, die den Rassismus überwunden hätte". Statt eines gemeinsamen Vorgehens gegen die Krankheit sei die Kluft nur noch größer geworden. "Denn während wir alle auf demselben Meer schwimmen, ist klar, dass sich einige in Superjachten befinden, während andere sich an treibende Trümmer klammern."

Die aktuellen Entwicklungen beförderten Populismus, Nationalismus, Extremismus und Rassismus und schafften weitere Ungleichheiten in Ländern sowie zwischen Nationen, Ethnien und Religionen. "Die Anti-Rassismus-Bewegung, die sich nach der Tötung von George Floyd von den Vereinigten Staaten über die ganze Welt ausgebreitet hat, ist ein weiteres Zeichen, dass die Menschen genug haben", sagte Guterres. Sie hätten genug von Ungleichbehandlung wegen ihrer Hautfarbe und Ungerechtigkeit, die Menschen ihrer fundamentalen Rechte beraube.

Mehr Einfluss für Entwicklungsländer und Frauen

"Ein neues Modell für globale Regierungsführung muss auf einer vollständigen, integrativen und gleichberechtigten Beteiligung an globalen Institutionen beruhen", forderte Guterres weiter. Dabei müssten vor allem die Entwicklungsländer mehr Gewicht bei der internationalen Entscheidungsfindung bekommen. Zudem brauche es deutlich mehr Frauen in Führungspositionen, um auch Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern zu schaffen.

Für die Zukunft sieht Guterres zwei grundlegende Veränderungen auf der Welt, die zu einer weiteren Vertiefung der Gräben führen könnten: den Klimawandel und die fortschreitende Digitalisierung. Letztere könne eine immer größere digitale Kluft begründen, die soziale und wirtschaftliche Unterschiede zwischen verschiedenen Bildungsstufen, Ländern oder Bewohnern von Stadt und Land verstärke.

Der Mandela-Tag wurde im November 2009 von der UN-Generalversammlung deklariert und wird seit 2010 jährlich am 18. Juli begangen.

qu/wa (dpa, ap, United Nations)