Erste Kabinettssitzung vor laufender Kamera
8. Oktober 2009
Der erste Akt der Regierung Papandreou war alles andere als üblich: Das Kabinett tagte vor laufenden TV-Kameras und in Anwesenheit des griechischen Ombudsmanns. Dadurch wollte der neue Ministerpräsident ein Zeichen für Bürgernähe setzen. Zudem ließ Papandreou verlauten, dass künftig alle Regierungsjobs öffentlich ausgeschrieben würden, was für griechische Verhältnisse einer Revolution gleichkäme. Vor Millionen Zuschauern plädierte der Regierungschef für Moral und Gerechtigkeit, während seine Minister fleißig Notizen machten. Die sorgfältig inszenierte Botschaft an die Wähler war klar: Der Kampf gegen Parteienfilz und Korruption wird zur Chefsache, Papandreou soll endlich aufräumen mit der Vetternwirtschaft. Doch das ist leichter gesagt, als getan.
Kampf gegen Vetterwirtschaft
In Griechenland sind Politik und Wirtschaft eng verflochten. In der Regel entscheiden Familienclans und Parteigremien über wichtige Posten im Staat und gelegentlich auch in der Privatwirtschaft. Politische Freunde werden gern mit kleinen Gefälligkeiten oder auch mit großen Aufträgen belohnt. Auf dem Korruptionsindex von „Transparency International“ befindet sich Griechenland in unmittelbarer Nähe der Türkei und Ghana.
Nun will Papandreou das Land „in ein neues Zeitalter ohne Korruption“ führen. Aber ob ausgerechnet er, ein Sohn und Enkel ehemaliger Ministerpräsidenten, den Kampf gegen mächtige Familiendynastien und starke Partikularinteressen aufnehmen kann, bleibt abzuwarten.
Politik aus Familientradition
Politiker aus Familientradition sollen ab sofort auch die Staatsfinanzen sanieren. Louka Katseli, Ehefrau des früheren Finanzministers Arsenis und Schwester einer ehemaligen PASOK-Abgeordneten, leitet das Wirtschaftsministerium. Der Europa-Abgeordnete Giorgos Papakonstantinou, Neffe eines ehemaligen Außenministers, wird neuer Finanzminister. Die beiden haben keine leichte Aufgabe: Die griechische Wirtschaft schrumpft, die Arbeitslosigkeit steigt und die
Schuldenspirale dreht sich immer schneller. Nach Einschätzung der griechischen Zentralbank soll die öffentliche Verschuldung zum Jahresende 110% des gesamten Bruttosozialprodukts erreichen.
Viele Versprechen
Dennoch hat Papandreou vor den Wahlen Lohn- und Rentenerhöhungen sowie Steuer-erleichterungen für die Landwirte versprochen. Außerdem möchte er ein staatliches Konjunkturpaket in Höhe von drei Milliarden Euro schnüren, um die griechische Wirtschaft aus der Rezession zu führen. Woher das dafür benötigte Geld kommen soll, hat er nicht verraten.
Die EU- Finanzwächter haben bereits ein Defizitverfahren gegen Griechenland eingeleitet, und sie werden wohl kein Verständnis für großzügige Wahlgeschenke aufbringen. Papandreou hofft unterdessen auf eine verlängerte Frist für den Schuldenabbau. Er wird sich wohl auf harte Verhandlungen mit der EU-Kommission gefasst machen müssen.
Papandreou und Außenpolitik
Schnellen Erfolg verspricht er sich hingegen in der Außenpolitik. Auf internationalem Parkett macht der griechische Ministerpräsident eine gute Figur. Seit 2006 amtiert er als Präsident der Sozialistischen Internationale und hat in dieser Funktion ein großes Kontaktnetzwerk aufgebaut. Als Außenminister stand Papandreou für eine rasche EU-Erweiterung in Richtung Westbalkan sowie für die Annäherung an die Türkei. Ob er diese Politik auch als Regierungschef fortsetzt, wird sich schon bald zeigen. Im Oktober wird die EU-Kommission ihren Jahresbericht zur Türkei vorlegen, anschließend sollen die Staats- und Regierungschefs entscheiden, ob sie die EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara weiterführen.
Einen Erfolg darf Papandreou bereits frühzeitig für sich verbuchen: Das 16-köpfige Kabinett umfasst fünf Frauen, so viele wie nie zuvor in einer griechischen Regierung. Dazu kommen vier Sekretärinnen; die jüngste unter ihnen ist erst 39.
Autor: Jannis Papadimitriou
Redaktion: Bernd Johann