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Gespaltenes Volk

Elena Ern10. August 2004

"Hugo Chávez' Tage sind gezählt", sagt Venezuelas Opposition. Sie will den Präsidenten am Sonntag (15.8.) mit einem Referendum absetzen. Aber Chávez bleibt gelassen. Denn seine Chancen stehen gut.

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Hugo Chávez hat das politische Leben militarisiertBild: AP

Menschenmassen bewegen sich durch die Straßen der venezolanischen Hauptstadt Caracas - täglich werden es mehr. Ihre Stirnbänder, Plakate, T-Shirts zeigen entweder ein fettes "si" oder ein "no": ja, der Präsident Hugo Chávez soll das Amt räumen - nein, er soll bleiben. Je näher das Referendum rückt, desto mehr verhärten sich die Fronten.

Widersprüchliche Umfragen

Die venezolanische Gesellschaft ist in zwei Lager gespalten. "Welche Seite gewinnen wird, scheint völlig offen", sagt Klaus Bodemer vom Institut für Iberoamerikakunde in Hamburg. Die Umfragen fallen unterschiedlich aus, je nachdem, ob sie von Chávez-Befürwortern oder von seinen Gegner erstellt werden. Laut einer Befragung der Opposition haben seine Gegner einen Vorsprung von 20 Prozent. Chávez-Befürworter behaupten, mehr als 60 Prozent der Bevölkerung stünden auf der Seite des Präsidenten. Bodemer räumt Chávez gute Chancen ein, das Referendum zu gewinnen. Ihm komme zugute, dass die Wirtschaftsdaten nach eineinhalb Jahren der Rezession wieder nach oben zeigen.

Liebling der Armen

"Venezuela profitiert von den hohen Ölpreisen auf dem Weltmarkt - für Chávez ist das ein Glücksfall", sagt Bodemer im Gespräch mit DW-WORLD. Doch vor allem hat Chávez einen wichtigen Teil der Bevölkerung hinter sich: die Armen. Sie machen etwa 80 Prozent der Venezolaner aus und verehren den Mann mit den indianischen Zügen als einen von ihnen. Ihr Vertrauen in Chávez wurde vor allem in der letzten Zeit gestärkt. Chávez bot ihnen Alphabetisierungsprogramme, kostenlose Gesundheitsversorgung durch kubanische Ärzte und Lebensmittel zu subventionierten Preisen. Insgesamt investierte er 1,3 Milliarden Dollar in soziale Projekte. Geld, das aus Venezuelas Öleinnahmen stammt. Das Land ist der fünftgrößte Erdölexporteur der Welt.

Die Opposition wirft Chávez vor, Missbrauch mit diesen Einnahmen zu betreiben. Die staatliche Ölgesellschaft PDVSA finanziere die "bolivarische Revolution" des Präsidenten. Börsenhändler fürchten, dass der Ölpreis auf dem Weltmarkt weiter steigt, wenn es im Zusammenhang mit dem Referendum zu Streiks in der Ölindustrie kommt. Die Regierung versicherte jedoch am Montag (9.8.) vor Diplomaten, dass unabhängig vom Ergebnis Recht und Ordnung garantiert werden. Etwa 170.000 Soldaten sollen am Sonntag für Sicherheit sorgen.

Chavez wird bleiben
'Nein' zur Abwahl von Chávez sagen vor allem die ArmenBild: AP

Ende 2002 hatte ein zweimonatiger Streik von Chávez-Gegnern die Ölexporte des Landes lahm gelegt und damit die Ölpreise in die Höhe getrieben. Nach den Streiks sammelten die Gegner des Präsidenten Unterschriften und erzwangen die jetzt bevorstehende Volksabstimmung.

Opposition ohne Führung

Hugo Chávez war im Jahr 2000 gewählt worden. Die sechsjährige Amtszeit endet im Januar 2007. Will die Opposition ("Coalición Coordinadora Democrática") das Referendum gewinnen, müssen fast vier Millionen Menschen für sie stimmen - mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten. Das heißt: Die Opposition muss mindestens so viele Stimmen sammeln, wie im Jahr 2000 auf Chávez entfallen waren. Wenn sie es schafft, Chávez vorzeitig aus dem Amt zu drängen, müsste innerhalb eines Monats ein neuer Präsident gewählt werden. Ihren Kandidaten will die "Coordinadora Democrática" aber erst nach der Volksbefragung bestimmen. Darin sehen Experten die größte Schwäche der Opposition: Es fehlt an einer einheitlichen und sichtbaren Führung. Als weitere Schwäche gilt die Heterogenität der Opposition - einem Zusammenschluss von zehn Parteien und etwa 50 Organisationen. Das Spektrum reicht von linken Splittergruppen bis zu erzkonservativen Wirtschaftsbossen. Wenig einheitlich und konkret ist auch ihr Programm. Die "Coordinadora Democrática" ist sich aber bewusst, dass sie Erfolge bei der Armuts- und Kriminalitätsbekämpfung vorweisen muss, falls sie das Referendum gewinnt. Ansonsten könnte Chavez schon bei den nächsten regulären Wahlen zurückkehren.