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Ansturm auf neue Devisenläden

Andreas Knobloch Havanna
4. November 2019

Um Devisen einzunehmen, verkauft die Regierung Haushaltsgeräte, Autoteile und andere Produkte direkt in US-Dollar. Das setzt die kubanische Währung unter Druck. Ist das ein erster Schritt zur angekündigten Währungsunion?

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Devisenläden in Kuba
Bild: DW/ A. Knobloch

Kubaner sind Schlange stehen gewohnt - sei es für zuletzt knapp gewordenes Benzin, für Speiseöl, Eier oder Fleisch. An einigen Punkten in Havanna herrscht in diesen Tagen aber ein besonderes Gedränge. Vor dem Panamericana-Shop im Erdgeschoss des Edificio Focsa, einem in den 1950ern erbauten Appartement-Gebäude im zentralen Stadtteil Vedado in Kubas Hauptstadt Havanna, bildet sich seit über einer Woche täglich eine große Menschentraube.

Ein Polizist in Uniform regelt den Einlass. Geduldig, oft mehrere Stunden lang, warten die Leute, um in den Laden zu kommen, in dem es Kühlschränke, Klimaanlagen, Waschmaschinen, Flachbildfernseher und anderen Produkte gibt. Einige Schaulustige versuchen durch die Fensterfront einen Blick auf die Preise zu erhaschen. Vor dem Gebäude werden derweil Klimaanlagen ausgeladen und ins Lager verfrachtet. Es herrscht viel Gewusel; das Ganze hat etwas von Sommerschlussverkauf.

Devisenläden in Kuba
Devisenläden sollen in Kuba die Wirtschaftkrise lindern: Kubaner können hier Haushaltsgeräte mit US-Dollar kaufen, die sie im Tourismus verdient haben oder die sie von Verwandten im Ausland geschickt bekommen haben. So nimmt der Staat Devisen ein.Bild: DW/ A. Knobloch

Einer, der es in den Laden rein und wieder heraus geschafft hat, ist Adrián. Seinen Nachnamen will er nicht nennen. Er schiebt eine Gefriertruhe, verpackt in einem großen Pappkarton, über den Gang. "Ich hatte überlegt eine Gefriertruhe zu importieren", sagt er, "aber mit Flug und Zoll wäre das teuer geworden." In den neuen Läden sei es günstiger als bei Revolico [kubanisches Ebay, Anm. d. Red.] oder auf der Straße. Für die Gefriertruhe habe er etwas mehr als 450 US-Dollar bezahlt und damit 100 bis 150 US-Dollar gespart, wie Adrián schätzt. "Endlich mal eine sinnvolle Maßnahme der Regierung."

Neue Devisenläden in Kuba

Dreizehn Devisenläden - zwölf in Havanna, einer in Santiago de Cuba - haben vor nicht einmal zwei Wochen eröffnet. Für US-Dollar und zehn andere ausländische Währungen, darunter Euro, verkauft die Regierung dort elektronische Haushaltsgeräte und Autozubehör. Insgesamt sind 77 Läden geplant - in jeder Provinz mindestens einer.

Um in den neuen Shops einkaufen zu können, müssen Kubaner bei einer staatlichen Bank ein Konto in US-Dollar einrichten. Der Staat spricht von MLC (Moneda Libremente Convertible), frei konvertierbarer Währung. In der ersten Woche seien rund 10.000 Bankkonten eröffnet worden, hieß es.

Devisenläden in Kuba
Für solche Haushaltsgeräte sind die Kubaner bislang mit US-Dollar in der Tasche in Nachbarländer wie Mexiko gefahrenBild: DW/ A. Knobloch

Bisherigen Kapitalabfluss kann sich Kuba nicht leisten

Bisher sind Kubaner nach Panama oder Mexiko geflogen, um Haushaltsgeräte, Fernseher und Gebrauchswaren aller Art einzukaufen. Panama hat sogar zeitweise spezielle Kurzzeit-Visa für Kubas Kleingewerbetreibende ausgegeben. Alejandro García, der im Privatsektor tätig ist, rechnet vor: "In jedem Flugzeug nach Panama sitzen vielleicht fünfzig oder hundert Kubaner; jeder mit ein paar Hundert Dollar in der Tasche. Da kann man sich ausrechnen, wie viele Dollar jeden Tag das Land verlassen." Ein gewaltiger Devisenabfluss. Die in Miami ansässige Havana Consulting Group schätzt, dass jährlich rund zwei Milliarden US-Dollar so im Ausland landen.

"Wir müssen es [das abfließende Kapital, Anm. d. Red.] als Devisenquelle nutzen, um unsere Industrie, unsere Läden, kurz: unsere Wirtschaft zu erneuern", sagte Vizepräsident Salvador Valdés Mesa im Staatsfernsehen. Die Devisenläden sind der Versuch, die Kapitalflucht zu stoppen und Devisen einzunehmen.

Wegen der verschärften US-Blockade hat sich Kubas finanzielle Situation in den vergangenen Monaten dramatisch verschlechtert. Washington hatte zuletzt Geldüberweisungen, den US-Tourismus auf die Insel, sowie Öllieferungen härter sanktioniert.

Ein Land, zwei Währungen

Der kubanische Ökonom Omar Everleny, früher an der Uni Havanna, heute als unabhängiger Berater tätig, hält die Eröffnung von Dollarläden im Gespräch mit der DW für "eine sinnvolle Maßnahme". Er warnt aber: "Dieses Land benötigt Wirtschaftswachstum, um das Warenangebot zu vergrößern und eine Inflation zu vermeiden." Eine Besonderheit in Kuba ist, dass es seit 1994 zwei Währungen gibt: den nationalen Peso (CUP) und den konvertiblen Peso (CUC).

Devisenläden in Kuba
In den normalen Geschäften fehlen die Waren. Kuba kann kaum noch importieren und wegen knappen Treibstoffs für Busse und Lkw, funktionieren Transport und Verteilung der Waren aus eigener Produktion nur schlecht.Bild: DW/ A. Knobloch

Der konvertible Peso werde entwertet durch die neue Maßnahme, dem US-Dollar und anderen Devisen Priorität einzuräumen, fürchtet Everleny. Denn durch die Devisenläden werde die Nachfrage nach US-Dollar steigen und damit auch der Preis des US-Dollar. Diese Tendenz lässt sich bereits beobachten. Gibt es in staatlichen Wechselstuben für einen US-Dollar 0,87 CUC, werden "unter der Hand" bereits 1,15 CUC und mehr gezahlt.

Kommt die Währungsunion?

Der kubanische Sozialwissenschaftler Mario Valdés Navia schreibt in dem Blog "La Joven Cuba" von einer "elektronischen 'Redollarisierung'", in Anspielung darauf, dass in den neueröffneten Läden nur per Karte mit Dollarguthaben bezahlt werden kann. Dem widerspricht Gladys Hernández Pedraza von der kubanischen Denkfabrik Centro de Investigaciones de la Economía Mundial (CIEM). Ziel der Maßnahmen sei keine Dollarisierung, sondern mittelfristig die eigene Währung zu stabilisieren und das Doppelwährungssystem abzuschaffen.

Devisenläden in Kuba
Um Produkte im Ausland einzukaufen, benötigt die Regierung in Havanna harte Devisen. Die hofft sie über die neuen Devisenläden zu bekommen. Das setzt allerdings die heimische Währung CUC unter DruckBild: DW/ A. Knobloch

In der Bevölkerung kursieren hartnäckig Gerüchte, dass die Eröffnung der Devisenläden der erste Schritt hin zu der lange angekündigten Währungsunion ist und diese sogar unmittelbar bevorstehe. "Das glaube ich nicht", sagt Everleny, "denn im Grunde wird eine dritte Währung eingeführt. Statt die Währungsunion voranzutreiben, wird die Entscheidung damit herausgezögert." Er bleibe dabei: Es sei eine positive Maßnahme. Die Regierung aber müsse die Dollareinnahmen nutzen, um die Wirtschaft anzukurbeln; und "es müssen weitere Maßnahmen in den kommenden Monaten folgen."