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Schlagabtausch

29. August 2008

Zwischen den Regierungen Russlands und der USA ist ein heftiger Streit über die Motive für den Konflikt in Georgien ausgebrochen. Schauplätze für die Wortgefechte waren TV-Studios und der UNO-Sicherheitsrat.

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Medwedew in nachdenklicher Pose (AP Photo)
Dmitri Medwedew - noch frisch im Präsidentenamt, hat er schon die ersten gravierenden Fehler begangen?Bild: AP
Putin in weißem Sessel. (AP Photo/Alexei Druzhinin, Pool)
Erhebt schwere Vorwürfe gegen die US-Regierung: Russlands Premierminster Wladimir Putin (Archivfotos)Bild: AP

In einem Interview des US-Fernsehsenders CNN äußerte Russlands Ministerpräsient Wladimir Putin in der Nacht zu Freitag (29.08.2008) den "Verdacht, dass jemand in den Vereinigten Staaten diesen Konflikt absichtlich mit dem Ziel erzeugt hat, die Situation zu verschlechtern und einem der Kandidaten im Kampf um das Amt des US-Präsidenten einen Vorteil zu verschaffen". Einen Namen oder eine Partei nannte Putin nicht. Jedoch haben einige russische Politiker erklärt, die Republikaner in den USA hofften, dass die Krise in Georgien sich positiv für ihren Kandidaten John McCain auswirke.

Putin sagte auch, dass es Hinweise auf den Aufenthalt von US-Bürgern in der Kampfzone in Georgien gebe. "Wenn dies bestätigt wird, ist das sehr schlecht. Es ist sehr gefährlich." Die USA unterhalten enge Beziehungen zur georgischen Regierung und haben Einheiten der georgischen Streitkräfte ausgebildet. Nach Angaben der US-Regierung hielten sich bei Beginn der Kämpfe Anfang des Monats 130 amerikanische Ausbilder in Georgien auf.

Weißes Haus warnt vor Konsequenzen

Die Regierung in Washington wies die Anschuldigungen von Putin scharf zurück. Regierungssprecherin Dana Perino bezeichnete die Erklärung des russischen Ministerpräsidenten als "offenkundig falsch" und "nicht rational". Zugleich warnte sie, Russland müsse nach dem militärischen Vorgehen in Georgien mit Konsequenzen einer geringeren internationalen Reputation rechnen.

Streit im Sicherheitsrat

Auch im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen haben sich die Fronten zwischen Russland und dem Westen verhärtet. Die USA, Großbritannien und Georgien warfen Russland am Donnerstag in New York vor, mit der Anerkennung von Abchasien und Südossetien als unabhängige Staaten die international anerkannten Grenzen im Kaukasus verändert zu haben. Der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin warf dagegen den USA Scheinheiligkeit und Doppelmoral vor. Dabei verwies er auf den US-geführten Irak-Krieg, den NATO-Luftkrieg gegen Serbien von 1999 und die vom Westen unterstützte Unabhängigkeitserklärung des Kosovo.

Den stellvertretenden UN-Botschafter der USA, Alejandro Wolff, fragte Tschurkin: "Massenvernichtungswaffen, haben Sie die jetzt im Irak gefunden oder suchen Sie noch danach?" Wolff entgegnete: "Ich bin kein Psychologe und weiß nicht, wie Botschafter Tschurkin zu den freien Assoziationen kommt, die wir von ihm gehört haben."

Es war bereits das sechste Mal innerhalb von rund zwei Wochen, dass der Sicherheitsrat sich in einer Dringlichkeitssitzung mit dem Kaukasus-Konflikt befasst hat. Zur Verabschiedung einer Resolution oder anderer Beschlüsse kam es angesichts des russischen Vetorechts auch diesmal nicht.

US-Regierung prüft Stopp eines Atomabkommens mit Russland

Das Weiße Haus prüft nach eigenen Angaben, als Konsequenz aus dem Vorgehen Moskaus in Georgien Pläne für die Zusammenarbeit im zivilen Atombereich aufzugeben. "Es gibt da noch nichts anzukündigen, aber ich weiß, dass das diskutiert wird", sagte Perino. Russland und die USA hatten im Mai ein entsprechendes Abkommen unterzeichnet, das aber noch vom US-Kongress gebilligt werden muss. Die Vereinbarung erlaubt unter anderem russischen und amerikanischen Firmen gemeinsame zivile Nuklearprojekte sowie den Verkauf von atomarem Material, Atommeilern und Reaktorteilen aus den USA an Russland.

EU-Gipfel soll Russland nicht isolieren

Die Europäische Union plant bei ihrem Sondergipfel am kommenden Montag eine Verurteilung Moskaus, ohne Russland jedoch weiter in die Isolierung zu treiben. Die Verurteilung werde "klar" und eindeutig sein, verlautete am Donnerstag nach einem Vorbereitungstreffen der EU-Botschafter in Brüssel. Der Gipfel wolle klarmachen, dass nach dem Einmarsch der russischen Truppen "nicht zur Tagesordnung übergegangen werden" könne. Nach Angaben von Diplomaten wird der Sondergipfel Russland auffordern, alle sechs Punkte der von Frankreich vermittelten Waffenstillstandsvereinbarung mit Georgien umzusetzen.

Das Parlament in Tiflis forderte unterdessen die georgische Regierung zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Russland auf. Russland sei ein "Aggressor", der die völkerrechtlich zu Georgien gehörenden Gebiete Südossetien und Abchasien besetzt habe, beschloss das Abgeordnetenhaus am Donnerstag. Das Votum ist für Präsident Saakaschwili nicht bindend. Die Regierung hatte bereits zuvor beschlossen, zahlreiche Diplomaten aus Moskau abzuziehen.

Glos hinter Mikrofonen. Foto: Rolf Vennenbernd dpa/lnw +++(c) dpa - Bildfunk+++
Sorgt sich um Deutschlands Energiesicherheit: Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU)Bild: picture-alliance / dpa

Glos erwägt Erdgasreserve

Die Bundesregierung erwägt den Aufbau einer nationalen Erdgasreserve, um im Falle von Lieferunterbrechungen die Versorgungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten. "Der Konflikt in Georgien zeigt, dass wir uns auch beim Gas nicht noch stärker einseitig abhängig machen dürfen", sagte Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) vom Freitag. Er wolle deshalb entsprechende Vorschläge prüfen. In einer Vorlage seines Hauses wird kritisiert, dass es "trotz der hohen Abhängigkeiten von Gasimporten" bisher "keine dem Ölbevorratungssystem vergleichbare staatliche Krisenvorsorge gibt", wie die Zeitung berichtete.

Seit der ersten Ölkrise Mitte der 1970er Jahre gibt es in Deutschland eine nationale Ölreserve, welche die Versorgung für 90 Tage sichert. Kosten und Nutzen einer ähnlichen Gasbevorratung müssten analysiert werden, "insbesondere deren Auswirkungen auf die Verbraucherpreise", heißt es in dem Ministeriumspapier weiter.

Der Außenhandelsverband für Mineralöl und Energie (AFME) kalkuliert dem Bericht zufolge die jährlichen Zusatzkosten einer als notwendig erachteten Verdoppelung der Speicher auf zwei Milliarden Euro. "Die Erhöhung des Gaspreises würde etwa 0,18 Cent je Kilowattstunde betragen", sagte AFME-Präsident Hellmuth Weisser der "FAZ". Bei einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden in einem Durchschnittshaushalt wären das 40 Euro jährliche Mehrkosten.

Die Gaskonzerne halten wenig von einer Gasreserve: "Wir brauchen in Deutschland keine staatlich kontrollierte strategische Erdgasreserve wie beim Mineralöl", sagte eine E.on-Ruhrgas-Sprecherin. Die Verbraucher könnten sich auf die Lieferungen verlassen. "Eine strategische Erdgasreserve würde das Erdgas weiter verteuern, die Verbraucher unnötig belasten und die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen einschränken." (mas)

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