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Frauen in der Bundeswehr: sehr gefragt aber selten

14. April 2024

Zum ersten Mal leitet eine Frau einen Kampfverband der deutschen Marine. Doch insgesamt sind Frauen in der Bundeswehr noch immer unterrepräsentiert.

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Frau hebt die Hand zum militärischen Gruß an ihre weiß-blaue Kapitänsmütze, sie trägt eine dunkelblaue Uniform mit goldenen Streifen am Ärmelbund
Fregattenkapitän Inka von Puttkamer hat das Kommando über das 3. MinensuchgeschwaderBild: Axel Heimken/dpa/picture alliance

"Paradeaufstellung hört auf mein Kommando", ruft Inka von Puttkamer bei einem feierlichen Appell im Marinestützpunkt in Kiel. Sie ist die neue Kommandeurin des 3. Minensuchgeschwaders - und damit die erste Frau an der Spitze eines Kampfverbands der deutschen Marine.

Seit 2001 sind alle Laufbahnen der Bundeswehr für Frauen geöffnet. Deutschland reagierte damit auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ein Jahr zuvor. "Da ist einiges passiert seither", sagt Maja Apelt, Militärsoziologin an der Universität Potsdam der DW. Tatsächlich sind heute sehr viel mehr Frauen im Dienst der Bundeswehr als noch vor Jahrzehnten. Waren es Jahr 1985 gerade einmal 117 Frauen und ein verschwindend kleiner Anteil am Militärpersonal, ist der Anteil seither stetig gestiegen.

Im Dezember 2023 dienten über 24.000 Frauen in der deutschen Armee. Hinzu kommen neue Anlaufstellen wie militärische Gleichstellungsbeauftragte. "Auf formaler Seite ist da einiges passiert", ergänzt Apelt.

Und dennoch: Auf die gesamte Bundeswehr gesehen, ist der Frauenanteil immer noch gering. Gerade einmal rund 13 Prozent der militärischen Angehörigen sind Frauen. Die meisten - über 8000 - dienen im Sanitätsdienst. Rechnet man diese heraus, fällt die Quote auf unter neun Prozent. Und dabei hat es sich die Bundesregierung erst kürzlich zum Ziel gesetzt, eine Quote von 20 Prozent zu erreichen.

Deutschland hinkt international hinterher

Damit würde Deutschland international viele Länder überholen. Noch aber hinkt es einigen Ländern hinterher. In den USA beispielsweise sind jetzt schon fast 20 Prozent der Soldaten Frauen. Sogar bei den Marine Corps, einer besonders anspruchsvollen Teilstreitkraft, gibt es fast 10 Prozent Frauen. In Europa liegt Norwegen vorn mit 15,7 Prozent Anteil der Soldatinnen am militärischen Personal. Schaut man nur auf die Wehrpflichtigen, sind es sogar 36 Prozent. In Frankreich macht der Frauenanteil 16,5 Prozent aus.

Die NATO möchte mehr Frauen rekrutieren

Von diesen Zahlen ist Deutschland noch weit entfernt. Dabei betont die Wehrbeauftragte Eva Högl in ihrem jährlichen Bericht die Bedeutung von Frauen in der Truppe: "Sie erhöhen mit ihren Erfahrungen und Fertigkeiten die Qualität des Dienstes, denn Studien zeigen: Gemischte Teams sind immer die besten und leistungsstärksten." Außerdem würden Frauen in Streitkräften dafür sorgen, dass in Konfliktgebieten auch die Anliegen und Sorgen von Frauen berücksichtigt würden, ergänzt Soziologin Maja Apelt.

Das hat offenbar auch die Bundeswehr erkannt. So warb Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius vergangenes Jahr explizit um Frauen und bezog sich dabei auf die niedrige Quote von Frauen in der Bundeswehr: "Das ist zu wenig. Im Übrigen wird das auch dem Anspruch der Bundeswehr nicht gerecht, eine Bürger-, eine Staatsbürgerinnen- und Staatsbürger-Armee zu sein."

Ein Mann im Anzug, der nach unten schaut und sich an die Nase fasst, steht hinter einer Frau in grauer Uniform, mit Barett und Handschuhen, die mit dem rechten Arm auf etwas zeigt
Bundesverteidigungsminister Pistorius im Gespräch mit Oberstarzt Sonja FischerBild: Chris Emil Janssen/IMAGO IMAGES

Frauen in Führungspositionen 

Doch vor allem in der Führungsetage der Bundeswehr ist es noch nicht weit her mit der "Staatsbürgerinnen-Armee", wie der Bericht der Wehrbeauftragten betont. Darin heißt es: "Deutlich unterrepräsentiert sind Frauen nämlich immer noch in Führungspositionen, und zwar selbst im Sanitätsdienst, wo der Frauenanteil seit Jahren sehr hoch ist. Darüber können auch die wenigen, gern mit Vorzeigekarrieren präsentierten Soldatinnen - zuletzt etwa die erste Bataillonskommandeurin des Heeres oder die erste U-Boot-Kommandantin der Marine - nicht hinwegtäuschen". Tatsächlich gibt es in der gesamten Bundeswehr nur drei Frauen unter den Generälen - allesamt Ärztinnen.

Womöglich war dieser Umstand einer der Gründe für die Ergebnisse einer Umfrage, die kürzlich erschien. Herausgegeben wurde sie vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr. Demnach stimmten nur 36 Prozent der befragten jungen Frauen im Alter von 16 bis 29 zu, dass die Bundeswehr ein attraktiver Arbeitgeber sei. Bei jungen Männern stimmten dagegen 56 Prozent zu.

Bundeswehr spiegelt Gesellschaft wider

Weitere Probleme, die die Bundeswehr unattraktiv für Frauen machen könnte, sind die Unvereinbarkeit von Beruf und Familie und Fälle sexueller Belästigung. Die Wehrbeauftragte verweist in ihrem jährlichen Bericht beispielsweise auf den zweijährigen General-/Admiralstabslehrgang National. Dieser sei noch nicht flexibel genug gestaltet und erfordere häufige Umzüge - schwierig für Militärangehörige mit Kindern.

Gleichzeitig ist das Problem der sexuellen Belästigung noch immer ein Thema bei der Bundeswehr. Im Jahr 2022 hat es laut Bericht der Wehrbeauftragten über 350 meldepflichtige Ereignisse wegen des Verdachts auf Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung gegeben. Eine interne Untersuchung zeigte: 80 Prozent der Betroffenen sind Frauen.

Maja Apelt erkennt darin eine größere gesellschaftliche Dimension. Die Bundeswehr spiegele jene Bereiche wider, in denen Männer dominieren: "Kaum ein Beruf ist so sehr mit Männlichkeit verbunden wie der Soldatenberuf."

Dennoch, so Apelt, zeige gerade der Sanitätsdienst und die höhere Zahl von Frauen dort, dass die Bundeswehr nicht grundsätzlich abschreckend wirke. "Vorbilder sind wichtig", betont Apelt, gerade in Führungspositionen. "Es ist wichtig zu sehen, dass es möglich ist. Ich bin nicht die einzige, sondern es ist vorstellbar, als Frau diesen Weg zu gehen. Frauen in vorgesetzten Positionen sind einerseits Vorbilder, aber andererseits können sie natürlich auch Türöffner sein."

Eine Frau mit einer weißblauen militärischen Kapitänsmütze und halblangen Haaren blickt ernst am Betrachter vorbei
Fregattenkapitän Inka von Puttkamer: Kommandierende Frauen sollten nichts Besonderes mehr seinBild: Axel Heimken/dpa/picture alliance

Inka von Puttkamer, die erste Frau an der Spitze eines Kampfverbands der Marine, versteht sich zwar auch als Vorbild. Allerdings betont sie zugleich, in der Marine sollte dies heute nichts Besonderes mehr sein. "Ich finde es schwierig, dass dieses Frausein immer herausgehoben wird. Die Bundeswehr bietet meinem Mann und mir gleichzeitig die Chance, in Führungspositionen zu sein und das mit der Familie vereinbaren zu können. Ohne Frage: Das ist stressig und es brauche dafür viel Organisation und Vorplanung. Aber es ist möglich."