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PolitikAsien

Frauen im TV unter Taliban unerwünscht

Shabnam von Hein
24. November 2021

Afghanistans Fernsehen soll weniger weiblich werden: Mit einem Erlass gegen Frauenrollen in TV-Sendungen zeigen die Taliban erneut, wie frauenfeindlich ihre radikalislamische Ideologie ist. Betroffene sind verzweifelt.

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Symbolbild I Bollywood
Szenen wie diese aus dem indischen Film "Dilwale" sollen unter den Taliban nicht mehr zu sehen seinBild: Rapid Eye Movies/dpa/picture alliance

Afghanische Fernsehsender dürfen künftig keine Filme oder Serien mehr zeigen, in denen "Frauen eine Rolle spielen oder die der islamischen Scharia oder afghanischen Werten widersprechen".  So steht es in einer Anweisung des Ministeriums für "Gebet, Führung, die Förderung von Tugenden und Verhinderung von Lastern" vom vergangenen Sonntag. Dieses Ministerium war kurz nach der Machtübernahme der Taliban ins Leben gerufen worden; es ersetzt das frühere Frauenministerium in Kabul.

Die Fernsehsender sollen die Ausstrahlung von Filmen einstellen, die "fremde Kulturen und Traditionen in der afghanischen Gesellschaft verbreiten und Sittenlosigkeit verursachen". Weiterhin erlaubt bleibt der Auftritt von Moderatorinnen oder Reporterinnen, wenn sie Haar und Schulterbereich mit dem Hidschab bedecken. 

Film und Fernsehen als Propagandainstrument

"Das macht mich fassungslos, obwohl ich so etwas erwartet habe", sagt die afghanische Regisseurin Sahraa Karimi im Gespräch mit der DW. Bis zu ihrer Flucht aus Afghanistan am 17. August war Sahraa Karimi die Präsidentin der staatlichen afghanischen Filmorganisation. Die 36-Jährige, die ihre Jugend im Iran verbracht und in Europa studiert hat, war die erste afghanische Regisseurin, die sich traute, in ihrem Heimatland einen Film zu drehen. "Mit diesen Richtlinien wollen die Taliban Künstlern und Regisseuren, die noch in Afghanistan geblieben sind, zeigen wohin die Reise geht und worauf sie achten müssen." 

Sahraa Karimi bei den Filmfestspiele von Venedig 2021
​​​​Sahraa Karimi bei den Filmfestspiele von Venedig 2021Bild: Maria Laura Antonelli/Avalon/Photoshot/picture alliance

Widerstand werde keiner leisten, glaubt Karimi:  "Alle wissen, dass es um Leben und Tod geht. Manche werden sogar mit den Taliban arbeiten müssen. Die Taliban werden nun für ihre Propaganda neue Filme im Auftrag geben und versuchen, den ästhetischen Geschmack der Gesellschaft zu ändern und ein neues Frauenbild in der Gesellschaft zu etablieren." 

Die Regisseurin, die seit ihrer Flucht aus Afghanistan, wie sie selbst sagt, "aus dem Koffer lebt" und von einem Filmfestival zum nächsten reist, fügt hinzu: "Einfach war es nie für Frauen in Afghanistan. Ich selbst zum Beispiel musste immer kämpfen, um mich als Frau durchsetzen zu können. Aber ich hatte die Freiheit, das zu produzieren, was ich produzieren wollte. Es macht mich sehr traurig zu sehen, dass in einer Zeit, wo in Ländern wie Saudi-Arabien, geprägt vom Wahhabismus und einem streng traditionalistischen sunnitischen Islam, die Filmindustrie kräftig ausgebaut wird, die Taliban in Afghanistan alles ruinieren, was wir erreicht hatten."

Frauen in der Öffentlichkeit als "Schande" 

Das eigentliche Ziel der Taliban sei es, die Frauen aus der Öffentlichkeit zu verbannen, schreibt die Journalistin Saleha Soadat auf Anfrage der DW von einem geheimen Ort. Die ehemals in Kabul sehr gut vernetzte TV-Journalistin hat Angst um ihr Leben. "Viele Journalistinnen haben Afghanistan inzwischen verlassen. Diejenige, die geblieben sind, wissen dass, sie in ständiger Gefahr leben und vielleicht nie wieder in Afghanistan arbeiten können." 

Für Soadat, die schon immer den Hidschab getragen hat, haben die neuen Vorschriften der Taliban nichts mit dem Islam zu tun: "Sie sind sinnlos und lächerlich. Denn schon vorher waren Frauen in den afghanischen Medien immer gemäß islamischem Brauch und islamischer Kultur präsent, eben weil Afghanistan ein islamisches Land ist." Ihre Meinung nach haben die Taliban ein grundsätzliches Problem mit der Anwesenheit von Frauen in der Öffentlichkeit. 

"Sie sehen das als Schande für die Gesellschaft. In ihrer Regierung gibt es keine Frauen. Angestellte Frauen wurden nach Hause geschickt. Mädchen dürfen nicht zur Schule gehen. Jetzt sollen Frauen aus den Medien verschwinden. Wir Frauen rufen die internationale Gemeinschaft auf, diese Terrorgruppe niemals anzuerkennen. Weil sie nicht an Menschlichkeit und menschliche Werte und Menschenrechte glauben, zu denen die Meinungsfreiheit gehört."

Problem für den Westen 

Die internationale Gemeinschaft ist allerdings in einer Zwickmühle. Denn um die dringend benötigte humanitäre Hilfe zu leisten, muss sie mit den Machthabern kooperieren, was auf eine faktische Anerkennung hinausläuft. Die Taliban ihrerseits versuchen ihre frauenfeindlichen Maßnahmen als Instrument gegen die Verbreitung von "Unmoral" und die Verletzung der Scharia zu verbrämen. Wie sie die Scharia interpretieren, hat sich seit Ihrer Schreckensherrschaft in den 1990er-Jahren kaum geändert.

Ein afghanisches Model wird in einem Zelt geschmückt
Ein Jahr vor der Machtübernahme der Taliban gab es sogar Modeschauen auf der StraßeBild: Stringer/REUTERS

Auch damals wollten sie in ihrer Lesart ein "sicheres Umfeld für die Frau schaffen, in der ihre Keuschheit und Würde unantastbar" sind. Frauen wurden gezwungen, sich in der Öffentlichkeit von Kopf bis Fuß zu bedecken und die Burka zu tragen. Ihnen war nicht gestattet, ohne einen männlichen Begleiter das Haus zu verlassen oder einen männlichen Arzt aufzusuchen. Arbeit war für Frauen verboten, ein Studium ebenso.