FinCEN Files: Wenn die Aufsicht versagt
21. September 2020Mafiosi, Despoten, korrupte Oligarchen, Betrüger - die Liste der Kriminellen, die jeden Tag große Geldsummen in den legalen Wirtschaftskreislauf schleusen, ist lang. Die Vereinten Nationen schätzen, dass es rund 5,5 Milliarden Dollar pro Tag sind. Dafür werden Helfer gebraucht: Große, international agierende Banken, die die Überweisungen ausführen, auch wenn sie gesetzlich eigentlich dazu verpflichtet sind, jede verdächtige Transaktion innerhalb von 30 Tagen bei den Behörden anzuzeigen.
Wie selbstverständlich solche Geschäfte in den vergangenen Jahren abgelaufen sind, offenbaren die Recherchen des Internationalen Journalisten-Netzwerks ICIJ. Sie belegen auch, dass die Banken nur zögerlich Meldung machten und das teilweise auch erst ein halbes Jahr oder noch später.
Ahnungslose und überforderte Behörden
Besonders groß im Geschäft war dabei offenbar die Deutsche Bank. Der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans fordert nun dringend mehr Befugnisse und schärfere Strafen. "Wir brauchen ein Unternehmensstrafrecht, dass nicht nur einzelne Mitarbeiter, sondern Täter-Banken im Fall von Rechtsverletzungen als Ganzes zur Rechenschaft zieht - bis hin zum Lizenzentzug", sagte er in einem Zeitungsinterview.
Doch nicht nur bei den Banken hakt es. Auch die Aufsichtsbehörden machen in dem jetzt aufgeflogenen Skandal keine gute Figur. Im globalen Zahlungsverkehr spielt der Dollar eine übergeordnete Rolle. Ist die US-Währung im Spiel, dann müssen Verdachtsfälle auf Geldwäsche auf jeden Fall dem Financial Crimes Enforcement Network, kurz FinCEN, in den USA gemeldet werden. Das sei eine sehr wichtige Behörde, betont Markus Meinzer vom Netzwerk Steuergerechtigkeit, weil die FinCEN eben nicht nur den US-Markt, sondern den gesamten globalen Zahlungsverkehr in US-Dollar kontrolliert.
Zu wenig internationale Zusammenarbeit
Allein 2019 sind zwei Millionen Verdachtsfälle bei FinCEN eingegangen, sie werden von rund 300 Mitarbeitern überprüft. Allein die Zahlenverhältnisse lassen vermuten, dass nicht immer eine detaillierte Überprüfung möglich ist. Sind andere Länder oder ausländische Unternehmen betroffen, sollten die Verdachtsfälle aber auch den dortigen Behörden mitgeteilt werden.
In Deutschland ist das die Financial Intelligence Unit (FIU), die zum Zoll gehört. Laut der Süddeutschen Zeitung kommt das aber kaum vor. 2018 seien nur acht sogenannte Spontaninformationen aus den USA zur FIU weitergeleitet worden, 2019 waren es 52. Von deutschen Banken, Finanzdienstleistern und Händlern von Immobilien oder Luxusgütern kamen weitaus mehr Meldungen. 2019 waren es knapp 115.000 Hinweise. Damit hatte sich die Zahl der Meldungen im Vergleich zum Vorjahr um fast 50 Prozent erhöht.
Verdachtsfälle zu langsam oder gar nicht bearbeitet
Für die Mitarbeiter ist das eine enorme Herausforderung. Vor allem deshalb, weil noch immer nicht alle der 475 bewilligten Planstellen besetzt wurden. Mitte 2019 waren 51 Stellen gar nicht und mehr als 180 durch Aushilfen besetzt. So verwundert es weniger, dass die FIU schon im vergangenen Mai dafür kritisiert wurde, dass 36.000 Verdachtsfälle liegengeblieben beziehungsweise nicht abschließend bearbeitet worden waren. Inzwischen sei der Personalbestand der FIU auf 400 Arbeitskräfte erhöht worden, so eine Sprecherin des Finanzministeriums.
"Die Verdachtsmeldungen in Deutschland türmen sich gerade und werden noch nicht schnell genug abgearbeitet", kritisiert Markus Meinzer vom Netzwerk Steuergerechtigkeit gegenüber der DW. "Das ist ein riesiges Problem, nicht nur der FIU, sondern auch der nachgeordneten Behörden." Denn die müssen innerhalb von drei Tagen reagieren, um eine verdächtige Transaktion überhaupt noch stoppen zu können.
Niemand will Schuld sein
Staatsanwaltschaften, Strafverfolgungsbehörden und die Polizei seien nicht darauf vorbereitet und hätten nicht die Ressourcen, um diese Arbeit ordentlich zu machen. "Hier vermisse ich den politischen Willen, dieses Thema wirklich ernsthaft nachdrücklich zu verfolgen", klagt Meinzer. Ähnliche Vorwürfe kommen von der grünen Finanzpolitikerin Lisa Paus. Die deutsche Finanzaufsicht habe jahrelang jegliche Verantwortung in der Aufklärung von Finanzkriminalität abgelehnt. "Auch die FIU ist geradezu Sinnbild für das Chaos bei der Geldwäschebekämpfung in Deutschland geworden", sagt die Bundestagsabgeordnete auf Nachfrage der DW.
Das sieht man im zuständigen Ministerium natürlich ganz anders. "Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat richtig gehandelt, als er nach seinem Antritt 2018 umfangreiche Maßnahmen ergriffen hat, um die Geldwäschebekämpfung massiv zu verstärken", heißt es als Reaktion auf die FinCEN-Recherchen. "Nach unserer Erkenntnis sind die Fälle mit Deutschlandbezug, die da jetzt bekannt wurden, aufgearbeitet worden und die erforderlichen Konsequenzen sind gezogen worden."
Scholz habe die FIU zudem nicht nur personell gestärkt, sondern ihr auch viele neue gesetzliche Zugriffsmöglichkeiten gegeben, betont man im Ministerium. Markus Meinzer vom Netzwerk Steuergerechtigkeit reicht das aber nicht aus. "Es genügt nicht, dass der Zoll ein paar hundert Leute zentral anstellt, solange er nicht einmal auf polizeiliche Datenbanken zugreifen kann, um zu erfahren, gegen wen gerade ermittelt wird oder wer gerade im Verdacht steht, an Geldwäsche oder anderen Finanzwirtschaftsstraftaten beteiligt zu sein."
Ruf nach einer europäischen Aufsichtsbehörde
Die Banken dazu treiben, schneller einen Verdacht zu melden, die Behörden stärken, um ihrer Arbeit nachzugehen und die internationale Zusammenarbeit verbessern. Das scheinen die Kernpunkte zu sein, um Geldwäsche künftig zu vermeiden. Was bisher geschieht, hält auch der grüne Europaparlamentarier Sven Giegold für nicht ausreichend. Er spricht von "Staatsversagen in großem Stil" und fordert im Kurznachrichtendienst Twitter: "Das muss ein Weckruf sein für eine Stärkung der gemeinsamen Geldwäscheaufsicht mit einer europäischen FiU."
Auch Markus Meinzer plädiert für eine Aufsichtsbehörde auf europäischer Ebene mit polizeilichen Ermittlungsbefugnissen. Er fordert zudem höhere Strafen für Geldwäsche und auch höhere Strafen für involvierte Banker. "Außerdem brauchen wir mehr Transparenz über alle Bußgelder, die verhängt werden", sagt Meinzer. Banken, die in Geldwäschegeschäfte verwickelt wurden, müssten namentlich genannt werden und auch die verhängten Bußgelder öffentlich gemacht werden.
Solche Nachrichten könnten den Aktienkurs der Banken empfindlich treffen und damit motivieren, entschiedener gegen Geldwäsche vorzugehen. Zu Zeit würden die Verdachtsmeldungen eher ein Alibi sein, so Meinzer. "Wie ein Absolutionsbrief, den Banken dafür benutzen, sich die Hände in Unschuld zu waschen für den Fall, dass am Ende ein Skandal hochkommt oder dass die Staatsanwaltschaft klingelt."