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Financial Fairplay: "Einladung zum Tricksen"

25. Februar 2020

Das Financial Fairplay lässt reichen Vereinen Schlupflöcher. Das zeige das Beispiel Manchester City, sagt Finanzexperte Christoph Kaserer im DW-Interview - trotz der jetzt verhängten Sperre für die Champions League.

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Eckfahne Manchester City
Darf Manchester City wirklich in den kommenden beiden Spielzeiten nicht in der Champions League spielen?Bild: picture-alliance/empics/PA Wire/M. Rickett

An diesem Mittwoch spielt der englische Premier-League-Klub Manchester City im Hinspiel des Champions-League-Achtelfinals bei Real Madrid. Für die kommenden zwei Spielzeiten hat die UEFA den Verein für die europäische Eliteklasse gesperrt - wegen Verstößen gegen das Financial Fairplay. Das Regelwerk wurde 2013 eingeführt. Es soll verhindern, dass Klubs mehr Geld ausgeben als sie einnehmen und ihnen laut UEFA auf diesem Wege dabei helfen, langfristig nicht in finanzielle Nöte zu geraten. 2016 ergab eine Studie der Technischen Universität München, dass die Ungleichheit zwischen kleinen und großen Vereinen in den fünf größten europäischen Ligen durch das Financial Fairplay eher noch größer geworden ist. Und wie sieht es heute aus? Wir haben bei Professor Christoph Kaserer nachgefragt.

DW: Vor dreieinhalb Jahren kamen Sie in Ihrer Studie zu dem Ergebnis, dass das Financial Fairplay eigentlich kontraproduktiv sei, weil es kleinere Vereine eher benachteilige als fördere. Warum?

Professor Christoph Kaserer: Die Regel, dass die Einnahmen aus dem Fußballgeschäft immer ausreichen müssen, um Investitionen und sonstige Ausgaben zu tätigen, führt dazu, dass es schwierig ist, Wachstumspläne in die Tat umzusetzen. Wenn man diese Regel auf die Wirtschaft übertragen würde, hätten Unternehmen wie Apple, Microsoft oder SAP niemals entstehen können - weil es logisch ist, dass ein Unternehmen, das sich im Aufbau befindet, solche Defizite aufweist, die dann von den Eigentümern getragen werden müssen. Es gibt natürlich auch andere Gründe, warum man das Financial Fairplay eingeführt hat, aber soweit es die Wettbewerbseffekte betrifft, schützt es die großen Vereine gegen neue Wettbewerber. 

Weil der Kleine erst einmal Risiko gehen muss, um ein Großer zu werden?

Christoph Kaserer Technische Universitaet München
Professor Christoph Kaserer von der TU MünchenBild: TUM/Astrid Eckert

Das kann man so sagen. Man muss sich nur einmal umschauen: Wo wurden neue, erfolgreiche Vereine aufgebaut? Da fällt einem das Beispiel RB Leipzig ein: Ein großer Konzern übernimmt einen bis dahin kleinen, unbekannten Verein und hilft mit hohen Sponsoring-Zuwendungen dabei, den sportlichen Aufbau zu betreiben. Das hat trotz Financial Fairplay funktioniert, aber das ist nicht der Normalfall. Wenn es eben keinen Großkonzern gibt, der bereit ist, solche Sponsoring-Verträge zu schließen, ist es unmöglich, in diese Dimensionen hineinzuwachsen.

Ihre Studie erschien im Spätsommer 2016. Seitdem sind dreieinhalb Jahre ins Land gegangen. Fühlen Sie sich durch die Entwicklung in ihrer These bestätigt?

Ja. Der von uns beschriebene Trend, dass die Wettbewerbsintensität in den großen Ligen zurückgeht und dass immer weniger Vereine die Meisterschaft unter sich ausmachen, ist heute noch stärker zu beobachten als damals. Das hat natürlich nicht ausschließlich mit Financial Fairplay zu tun. Auch nationale Regelungen spielen eine Rolle, wie die 50+1-Regel in Deutschland [Vereine dürfen an Investoren nur maximal 49 Prozent der Stimmrechte verkaufen - Anm. d. Red.]. Aber insgesamt sehe ich einen klaren Trend hin zu immer mehr Konzentration im Fußballgeschäft.

Spielergehälter begrenzen

Mit welchen Instrumenten könnte man aus Ihrer Sicht die Schere zwischen reichen und armen Vereinen wenigstens etwas schließen?

(Lacht) Das ist schwer. Wenn man diese Ungleichheit wirklich beseitigen will, wird kein Weg daran vorbeiführen, Spielergehälter zu begrenzen. Aber das wäre ein tiefer Eingriff in die marktwirtschaftliche Freiheit. Deshalb würde ich nicht dafür plädieren, es zu tun - zumindest nicht, bevor man nicht andere Möglichkeiten ausprobiert hat. Dafür muss man sich fragen: Wie kann man die Startbedingungen für kleine Vereine verbessern? Aus meiner Sicht müsste es in bestimmten Fällen Ausnahmeregelungen vom Financial Fairplay geben. Und in Deutschland muss man über die Abschaffung der 50+1-Regel nachdenken. Solche Dinge würden helfen, die Ungleichheit wenigstens ein bisschen zu beseitigen.

Stichwort 50+1-Regel. Wenn wir von Financial Fairplay reden - wie fair ist denn aus Ihrer Sicht als Betriebswirtschaftler diese Regel?

Diese Regel führt dazu, dass Investoren abgehalten werden, in deutsche Vereine zu investieren. Sie verzichten darauf, weil sie am Ende nicht der Herr im Hause sind. Das unterscheidet die deutschen Vereine beispielsweise von den englischen. Wenn man sich die internationalen Erfolge anschaut, haben die deutschen Vereine hier einen klaren Wettbewerbsnachteil. Unter finanzwirtschaftlichen Gesichtspunkten ist diese Regel ein großer Hemmschuh. Aber es ist mir natürlich klar, dass im Fußball auch Traditionen und Emotionen eine große Rolle spielen. Und dass es Leute gibt, die diesen Nachteil akzeptieren, damit unser Fußball nicht an ausländische Investoren verkauft wird.

1. Bundesliga | Borussia Mönchengladbach - RB Leipzig
Fanchoreographie in Mönchengladbach gegen das Modell von RB LeipzigBild: AFP/I. Fassbender

Schwer nachzuweisen

Nun hat die UEFA mit Manchester City erstmals einen Verein wirklich beim Wickel gepackt und wegen Verstößen gegen das Financial Fairplay für zwei Jahre aus der Champions League verbannt. Wie bewerten Sie das?

Ich kenne keine Interna, sondern nur das, was ich in den Zeitungen gelesen habe. Stimmen die Angaben dort, ist die Strafe natürlich völlig richtig. Doch ich würde ein Fragezeichen setzen, ob sie vor dem CAS [Internationaler Sportgerichtshof in Lausanne - Anm. d. Red.] Bestand haben wird. Manchester City wird vorgeworfen, Einnahmen als Sponsoren-Gelder deklariert zu haben, obwohl sie es de facto nicht waren. So etwas ist schwierig nachzuweisen. Dafür müsste man wissen, wie hoch der marktgerechte Preis für einen bestimmten Sponsoring-Vertrag liegt. Das lässt sich meiner Meinung nach kaum sagen, die Bewertungsspielräume sind extrem groß.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass in vielen anderen Klubs ähnliche Dinge passieren, sprich: Sponsoring-Einnahmen sind de facto verdeckte Kapitalzuschüsse. Wie man an diesem konkreten Fall sieht, gibt es für jene Vereine, die große Investoren hinter sich haben, Schlupflöcher im Financial Fairplay.

Würden Sie diese Tricksereien als fußballspezifisch bezeichnen oder gibt es sie auch in anderen Wirtschaftsbereichen?

Dass Regeln möglichst zum eigenen Vorteil interpretiert werden, gibt es natürlich überall. Die erste Frage lautet: Wie klar sind die Regeln und wie leicht lassen sich Verstöße nachweisen? Die zweite: Gibt es jemand, der die Nicht-Einhaltung dieser Regeln auch hart sanktioniert? Im Fußball gibt es eine Kombination von weichen, unklaren Regeln und einer Fußball-Organisation, die eigentlich kein großes Interesse daran hat, Verstöße nachzuweisen. Das lädt jeden dazu ein zu tricksen. Wir werden ja wahrscheinlich irgendwann erfahren, was wirklich bei Manchester City passiert ist. Laut den Informationen der Medien scheint es ja erhebliche Verstöße gegeben zu haben. In anderen Wirtschaftsbereichen wären bei solchen Verdachtsmomenten vermutlich schon personelle Konsequenzen gezogen worden.

Christoph Kaserer ist Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Technischen Universität München. Der 56 Jahre alte Südtiroler, der einen deutschen und einen italienischen Pass hat, leitet den Lehrstuhl für Finanzmanagement und Kapitalmärkte. 2016 leitete der Wissenschaftler eine Studie, in der die Auswirkung des UEFA Financial Fairplay auf die fünf größten Fußballligen Europas untersucht wurde.

Das Interview führte Stefan Nestler.

DW Kommentarbild Stefan Nestler
Stefan Nestler Redakteur und Reporter