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femMIT: Neue Zeitschrift für mehr Diversität

18. Mai 2021

Das neue Frauenmagazin femMIT kämpft mit Fakten, Diagrammen und Vorbildern gegen Klischees und Stereotype. Rezepte oder Modetipps spielen dagegen keine Rolle.

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Deutsche Frauenzeitschriften Kiosk Zeitschriftenauslage
Bild: fossiphoto/imago

Frauenzeitschriften dominieren schon lange die Auslagen der Kioske. Sie füllen dort einige Regalmeter. So hatten "Bild der Frau" oder "Freizeit Revue" allein im ersten Quartal 2021 je eine Auflage von über einer halben Million. Romina Stawowy schwebte für ihr Magazin femMit aber etwas anderes vor, als noch ein Heft mit Koch- und Backrezepten, Schmink- und Modetipps: Diese Magazine sorgen in ihren Augen dafür, dass sich Frauen immer etwas minderwertig vorkommen.

"Wenn auf dem Titelbild zehn Tipps angepriesen werden, die helfen sollen, die Attraktivität gegenüber Männern zu steigern, dann spricht mich das persönlich nicht an. Es gibt sehr viele Frauen, denen es ähnlich geht", sagt Romina Stawowy im DW-Interview. Deshalb gründete die Dresdnerin im vergangenen Jahr inmitten des ersten Corona-Lockdowns ein eigenes Frauenmagazin. Eines, das sowohl Frauen als auch Männer zum Nachdenken anregt, ohne die Fronten zwischen den Geschlechtern zu verhärten.

femMit - Cover Ausgabe 2
Die Posaunistin Antonia Hausmann auf dem Coverbild der zweiten femMit-AusgabeBild: femMit

Nüchterne Fakten statt "lautem" Aktivismus

Stawowy versucht mit ihrem Heft eine Lücke zu füllen, die sich in ihren Augen zwischen den gängigen Modemagazinen und den eher feministisch ausgerichteten Magazinen auftat. "Die feministischen Magazine sind mir zu kämpferisch, auch wenn sie ihre Berechtigung haben. Sicherlich ist es manchmal notwendig, laut zu sein, wie Aktivismus eben nun mal ist, ich glaube aber, dass damit nur eine bestimmte Gruppe abgeholt wird. Ich finde mich in diesen aktivistischen Lauten nicht wider", so Stawowy.

Die alleinstehende Mutter von drei Söhnen will mit dem Magazin femMit positive Vorbilder schaffen, die sich für Diversität, Gleichberechtigung und Chancengleichheit aussprechen, Mut machen und zeigen, wie es anders gehen kann. Das Besondere daran: Karten, Fakten, Zahlen und Diagramme sollen dabei helfen, die Diskussionen sachlich und fachlich zu halten: So will sie Frauen und Männer gleichermaßen an die Hand nehmen und auf Ungerechtigkeiten aufmerksam machen. Zahlen machten glaubwürdiger und schafften eine solide Argumentationsgrundlage, ist Stawowy überzeugt.

In der ersten Ausgabe zeigt die Herausgeberin, wie Frauen mehr Medienpräsenz erhalten könnten. Sie listet im Magazin Expertinnen auf, die Medienhäuser für ihre Interviews heranziehen könnten, anstatt - wie so oft passiert - vorwiegend männliche Experten zu befragen. Beispiel: 45 Prozent der Virologinnen, Infektionsepidemologinnen und Mikrobiologinnen in Deutschland sind Frauen, doch insgesamt kamen in der Online-Berichterstattung  mit Corona-Bezug 70 Prozent männliche und nur 30 Prozent weibliche Stimmen zu Wort. Als Expertin wurden Frauen dabei nur zu rund sieben, als Forscherin zu fünf und als Virologin lediglich zu vier Prozent genannt. Mit der Darstellung und Einordnung solcher Fakten möchte das Magazin femMit zur Gleichstellungsdiskussion sachlich beitragen.

femMit - Verlagsgründerin Romina Stawowy
femMit-Verlagsgründerin Romina Stawowy liefert mit ihrem Magazin Fakten und positive Vorbilder für eine sachliche DebatteBild: Andre Forner/femMit

Frauen im Osten und Westen

Eine weitere Besonderheit des Magazins ist der Ost-Schwerpunkt. Romina Stawowy kommt gebürtig aus Sachsen, Jahrgang 1982, ein Nachwendekind. Ihr Anliegen ist es, verstärkt Frauen aus dem Osten zu Wort kommen lassen. "Die Verlagshäuser vieler Frauenmagazine sind nicht im Osten, das könnte einer der Gründe sein, wieso nicht so viele Frauen aus dem Osten abgebildet werden. Ich hingegen schaue, welche coolen Frauen es hier gibt. Und das sind viele. Ich möchte Frauen zeigen, die noch nicht in anderen Magazinen wie Barbara, Emotion oder Emma schon aufgetaucht sind."

Auf den Titelbildern der femMit-Ausgaben erscheinen Frauen wie etwa die Posaunistin Antonia Hausmann aus Sachsen. Für die nächste Ausgabe plant Romina Stawowy, eine Ärztin aus Dresden zu porträtieren.

30 Jahre nach der Wende möchte Romina Stawowy aber nicht in Fronten zwischen Osten und Westen denken, die Sozialisation und die Stellung der Frau vor 1989 seien in beiden deutschen Staaten sicherlich eine andere gewesen, es existiere aber kein falsch und richtig. "Es gibt mehr Frauen in Führungspositionen im Osten. Was mich aber ärgert, wenn davon geschwärmt wird, wie emanzipiert und modern die Ostfrauen gewesen seien. Dann wird oft vergessen, dass die Frauen vor 1989 neben ihrer Arbeit auch den Haushalt gemacht haben. Sie hatten immer eine Doppelbelastung. Ich kenne keinen Vater, der Windeln gewechselt hat. Statt zu vergleichen, sollten wir vielmehr auf den Erfahrungen der Ost- und Westfrauen das Beste heraussuchen. Wir müssen lernen, uns gegenseitig für unsere Entscheidungen zu akzeptieren."

Stawowy ist klar, dass nicht jede Frau gleich eine Führungsposition anstrebt. Doch sie möchte, dass mehr Frauen die Möglichkeit haben, diese Entscheidung selbst zu treffen. Und das ohne negativen Konsequenzen spüren, sprich weniger Geld, weniger Rente, weniger Zeit mit der Familie in Kauf nehmen zu müssen. "Wir müssen über die Anforderungen in der Arbeitswelt sprechen - fangen wir doch mit den Wochenstunden an. Müssen es denn wirklich noch acht Stunden täglich sein? Was, wenn das neue Vollzeit das alte Teilzeit ist? Alle hätten mehr von ihren Familien und Freunden, wären entspannter und Männer könnten Frauen bei der Care-Arbeit entlasten, auch das ist für mich Gleichberechtigung", sagt die Verlegerin.

Schwerpunkt Diversität

Diversität liegt der Herausgeberin von femMit besonders am Herzen. "Mir ist wichtig, alle Menschen einzubeziehen. Und deswegen achte ich auch auf die Sprache. Dazu gehört auch das Gendern. Für manche Leserinnen und Leser mag das ungewohnt sein, aber Sprache verändert sich. Ich bin fest davon überzeugt, dass sich das einpegeln wird und wir eine Form des Genderns finden werden, die für alle funktioniert."

Die nächste Ausgabe ist bereits in der Produktion. Einen Wunsch hat die Verlegerin aus Dresden noch: "Ich stand vor einer Wand im Kiosk. Auf der linken Seite des Zeitschriftenregals gab es die Rubrik "Frauen und Mode" und auf der rechten nur "Männer" - nicht "Männer und Grillen" oder  "Männer und Autos". Mein Magazin befand sich unter der Aufschrift "Frauen und Mode". Ich weiß, dass ich kein Recht auf Sonderauslagestellen habe, und habe nur freundlich am Tresen gebeten, mein Magazin woanders hinzulegen." Von den Mode- und Backzeitschriften hebt sich femMit auf angenehme Weise ab. Die ersten Ausgaben lassen hoffen, dass sich auf dem Zeitschriftenmarkt für Frauen etwas ändert.

Am 18. Mai 2021 geht es im deutschen TV-Programm rund um die Uhr um das Thema Diversität. Der Thementag startet auf DW Deutsch und DW Deutsch+ um 08:00 UTC. 

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DW Mitarbeiterportrait | Rayna Breuer
Rayna Breuer Multimediajournalistin und Redakteurin