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EuGH beschränkt Wohnsitzauflagen für Migranten

1. März 2016

Deutsche Behörden dürfen festlegen, wo Migranten wohnen, solange dies der Integration dient. Das entschied der Europäische Gerichtshof. Ob die Maßnahme notwendig ist, soll nun das Bundesverwaltungsgericht klären.

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Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg (Foto: Imago)
Bild: Imago/R. Fishman

Im Grundsatz verstoßen die deutschen Wohnsitzauflagen für sogenannte subsidiär schutzberechtigte Ausländer, die Sozialleistungen beziehen, gegen EU-Recht. Die Auflagen sind allerdings rechtens, wenn diese Menschen vergleichsweise große Integrationsprobleme haben, wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg urteilte. Davon abgesehen dürfen damit auch die subsidiär Schutzberechtigten ihren Wohnort in Deutschland frei wählen, so wie es eine EU-Richtlinie vorsieht.

Eine Frau und ein Mann aus Syrien hatten für die Wohnsitzwahl in Deutschland in zwei getrennten Verfahren geklagt. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verwies die Rechtssache zur Vorabentscheidung an den Gerichtshof der EU. Als subsidiär schutzberechtigt gelten Menschen, die zwar nicht als Flüchtlinge anerkannt sind, denen aber in ihrer Heimat dennoch ernsthafter Schaden droht, beispielsweise durch Krieg. Es handelt sich also um eine Kategorie, die unterhalb des Flüchtlingsstatus liegt.

Zwei Klagen aus Syrien

Die beiden Kläger, die 1998 und 2001 nach Deutschland gekommen waren, sind subsidiär Schutzberechtigte. Weil sie Sozialleistungen empfingen, wurde ihre Aufenthaltserlaubnis mit der Auflage verbunden, ihren Wohnsitz in einer bestimmten Stadt oder einem bestimmten Landkreis zu haben. Das deutsche Recht kennt laut EuGH zwei Ziele für diese Auflagen: Zum einen soll eine überproportionale finanzielle Belastung einzelner Länder und Kommunen verhindert werden und zum zweiten einer sozialen Ausgrenzung vorgebeugt werden.

Der Europäische Gerichtshof hält zwar beide Ziele für legitim. Er hat aber Vorbehalte, ob das Wohnsitzauflagen rechtfertigt. Was die finanzielle Belastung angeht, stellten die Richter nun fest, dass diese nicht davon abhängt, ob die Sozialhilfeempfänger subsidiär Schutzberechtigte sind. Daher seien die Auflagen aus diesem Grund mit dem EU-Recht unvereinbar.

Prüfauftrag für Verwaltungsgericht

Anders beim Thema Integration: In diesem Punkt hält es das Gericht für möglich, die Wohnsitzauflagen zu rechtfertigen. Nun solle das Bundesverwaltungsgericht prüfen, "ob Personen mit subsidiärem Schutzstatus, die Sozialhilfe beziehen, in stärkerem Maß mit Integrationsschwierigkeiten konfrontiert sind als andere Nicht-EU-Bürger, die sich rechtmäßig in Deutschland aufhalten und Sozialhilfe beziehen", teilte der EuGH mit. Wie diese Prüfung ablaufen soll, ließ das Gericht offen.

Im Jahr 2015 erhielten rund 1700 Menschen in Deutschland den eingeschränkten Schutz. Das entspricht 0,6 Prozent aller entschiedenen Asylanträge. Dabei handelt es sich um Personen, die weder Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention noch nach dem Asylrecht zuerkannt bekommen, denen im Heimatland aber dennoch ernsthafter Schaden droht (etwa Todesstrafe, Folter, bewaffneter Konflikt).

Die große Koalition plant auch eine Wohnsitzauflage für anerkannte Asylbewerber. Damit soll verhindert werden, dass sie sich beliebig im Land niederlassen. Im Asylpaket II, das in der Vorwoche beschlossen wurde, ist bereits eine Residenzpflicht für Asylbewerber in dem geplanten neuen Aufnahmezentrum verankert. (Rechtssachen C-443/14 und C-444/14)

kle/rb (epd, rtr, dpa, afp, ard)