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Auf der Suche nach Lösungen

Barbara Wesel 14. September 2015

Es geht um den kleinsten gemeinsamen Nenner und nicht mehr als erste Richtungsentscheidungen zur Flüchtlingskrise. Aber die Fronten zwischen West- und Osteuropa scheinen weiter verhärtet.

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Ankunft von Flüchtlingen am Münchner Hauptbahnhof (Foto: picture-alliance/dpa/S. Hoppe)
Bild: picture-alliance/dpa/S. Hoppe

Einen bewegenden Appell richetet am Morgen die Tante des ertrunkenen syrischen Flüchtlingsjungen Aylan Kurdi an die EU-Innenminister. Sein Bild hatte weltweit eine Welle des Mitgefühls ausgelöst. Die in Kanada lebende Tima Kurdi war auf Einladung der Online-Petitionsseite Avaaz in die belgische Hauptstadt gereist. Auf dem Platz Schuman im Herzen des Europaviertels forderte sie die Minister auf: "Öffnen Sie ihre Herzen, beschließen sie Maßnahmen und ein gemeinsames Projekt. Deshalb bin ich da, um die Familie meines Bruders zu ehren. Wir wollen nicht, dass Menschen sterben. Sie sind wie Ihre Familie. Jedem könnte das passieren." Eine Petition zur Aufnahme von Flüchtlingen unterzeichneten nach Angaben von Avaaz inzwischen mehr als eine Million Menschen.

"Wir müssen uns jetzt zusammenreißen, sonst wird Europa auseinandergerissen", sagt Jean Asselborn fast zeitgleich bei dem Treffen der EU-Innenminister. Das klingt so dramatisch, wie die Lage ist. Der luxemburgische Außen- und Migrationsminister führt die Verhandlungen mit seinen EU-Kollegen, weil sein Land den rotierenden Vorsitz bei den Ratstreffen in diesem Halbjahr innehat. Asselborn muss bei der Lösung des heißesten Themas auf der europäischen Tagesordnung helfen, und der erfahrene Europäer kennt die Sprengkraft.

Tima Kurdi appelliert an die Herzen der EU Minister (Foto: Reuters)
Tima Kurdi appelliert an die Herzen der EU MinisterBild: Reuters/Y. Herman

Umverteilung? Quote?

Schon im vorab ist klar: "Keiner ist zufrieden" mit den Vorschlägen, die auf der Basis von Plänen der EU-Kommission auf dem Tisch liegen. Es geht zunächst "nur" um die Umverteilung von 120.000 Flüchtlingen, die sich bereits in Italien und Griechenland befinden. Und dabei soll es auch erstmal um eine Grundsatzentscheidung gehen, von der dann eine Signalwirkung für die Zukunft ausgehen soll.

Der Streit über Aufnahmezahlen soll erst Anfang Oktober entschieden werden, und die verpflichtende Quote ist zunächst vom Tisch. Wird am Ende der Gespräche das Wort "Quote" überhaupt noch erwähnt werden, wenn auch nur freiwillig? "Keiner darf sich ausklinken", sagt Asselborn. Aber das ist genau, was Ungarn, Polen und andere Länder nach wie vor tun. So sagt der slowakische Innenminister schlicht: "Quoten können nicht funktionieren", die Flüchtlinge wollten sowieso nur in bestimmte Länder. Der Vorschlag zur Umverteilung löse das Problem nicht und er sei nicht sicher, ob es überhaupt am Ende des Tages zu einer Einigung komme.

Grenzkontrollen sind die Antwort der EU Länder

Niemand kritisiert Deutschland dafür, kurzfristig Kontrollen an der Grenze zu Österreich zu verhängen. Im Gegenteil - zahlreiche Länder fühlen sich ermutigt, das Beispiel nachzuahmen: Österreich will noch im Laufe des Tages mit Kontrollen beginnen, abgesehen davon hält Innenministerin Johanna Mikl-Leitner die deutsche Bundeskanzlerin für mit verantwortlich: "Tausende Menschen haben sich verstärkt auf den Weg gemacht", als sie von der Aussetzung der Schengen Regeln durch Berlin gehört hätten.

Auch die Niederlande kündigen inzwischen Grenzkontrollen an, Belgien und Polen, ebenso die Slowakei, aber nur gegen "Schmuggler". Ungarn soll ab Dienstag den Zugang ganz unmöglich machen. "Wenn wir hier einen Domino-Effekt haben, dann können wir Schengen vergessen", sagt Jean Asselborn, dabei seien die offenen Binnengrenzen eine der wichtigsten Errungenschaften Europas.

Flüchtlinge aus Syrien bei Passau (Foto: DPA)
Deutschland verlangt europäische Solidarität bei der Aufnahme von FlüchtlingenBild: imago/epa/S. Backhaus

Botschaften der europäischen Solidarität sind rar. Sie kommen derzeit zum Beispiel aus Schweden, das neben Deutschland die größte Zahl der Syrer aufnimmt und an die gemeinsame Verantwortung appelliert. Auch Spanien erklärt sich bereit, eine Verteilungsquote im Prinzip zu akzeptieren. Und der belgische Migrationsminister führt einen Rundumschlag gegen die osteuropäischen Mitgliedsländer: "Sie haben jahrelang von der Solidarität profitiert (über die Regionalfonds), und jetzt verhindern sie Lösungsvorschläge, wenn Solidarität gebraucht wird". Die Stimmung zwischen den Lagern schient ziemlich vergiftet.

Deutschland will schnell konkrete Lösungen

Stundenlang hat der deutsche Innenminister Thomas de Maizière am frühen Nachmittag schon mit seinem französischem Kollegen Bernard Cazeneuve konferiert: Dann gehen beide vor die Mikrophone und verlangen mehr als allgemeine Absichtserklärungen: "Das ist uns alles nicht präzise genug", sagt De Maizière. Man brauche einen klaren Zeitplan für die Einrichtung der Hotspots (Registrierungszentren und Erst-Aufnahmelager) in den Ankunftsländern Griechenland und Italien. Dazu brauche man eine präzise Beschreibung wie eine Umverteilung von Flüchtlingen künftig funktionieren solle, Geld für die Lager in den Nachbarländern Syriens, mehr Zusammenarbeit mit der Türkei, die Liste der sicheren Herkunftsländer und eine Klärung, was überhaupt Solidarität in der EU bedeutet. Und das alles versehen mit Zeitplänen, denn man habe keine zu verlieren. Ob es dazu heute kommt? Möglich, aber nicht sicher, sagt der Bundesinnenminister. Einige seiner Kollegen haben zunächst wenig Kompromissbereitschaft erkennen lassen.