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PolitikEuropa

EU prüft: Jugendschutz bei TikTok mangelhaft

20. Februar 2024

Die EU-Kommission stellt nach X nun auch die bei Jugendlichen beliebte Plattform TikTok an den Pranger. Verstoßen die Chinesen gegen das Digtal-Gesetz der EU? Bernd Riegert aus Brüssel.

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En kleines Mädchen mit blauem Pony und blauen und roten Zöpfen lacht und hält ein Smartphone in den Händen
TikTok unter Verdacht: Hält sich der Konzern an die EU-Auflagen zum Jugendschutz?Bild: Addictive Stock/Shotshop/picture alliance

Seit Sommer letzten Jahres müssen das chinesische Unternehmen TikTok und andere große Internetplattformen das EU-Gesetz zu digitalen Diensten (DSA) einhalten. Schon vor zwei Monaten hatte die EU-Kommission als zuständige Aufsichtsbehörde für die großen Internetkonzerne Zweifel daran, ob TikTok sich an diese im weltweiten Vergleich recht scharfen Auflagen hält. Vorermittlungen wurden aufgenommen und TikTok um ein Stellungnahme gebeten. Die fiel nach Meinung der EU-Kommission nicht ausreichend aus.

Deshalb gab der der zuständige EU-Kommissar für Industriepolitik, Thierry Breton, passenderweise auf der Plattform X bekannt, dass nun ein förmliches Verfahren gegen TikTok eingeleitet wird. Sollte die EU-Behörde Verstöße feststellen, drohen empfindliche Geldstrafen. Die könnten bis zu fünf Prozent des täglichen Umsatzes von TikTok betragen. Wie hoch der allerdings ist, ist nicht bekannt, da TikTok seine Geschäftszahlen nicht veröffentlicht.

Übrigens ist TikTok nicht alleine ins Visier der EU-Kommission geraten. Gegen X läuft bereits seit Dezember ein Verfahren wegen der Verbreitung von mutmaßlich falschen Nachrichten und Hassrede. Bei einem Dutzend anderer Netzplattformen laufen Vorermittlungen. Das Verfahren gegen TikTok kann mehrere Monate dauern. Die Videoplattform, die nach eigenen Angaben etwa 142 Millionen Nutzer pro Monat in Europa hat, kann gegen Entscheidungen der EU-Prüfer gerichtlich vorgehen. Weltweit sollen über eine Milliarde Menschen TikTok pro Monat aufrufen.

Mangelnder Jugendschutz?

EU-Kommissar Thierry Breton wirft TikTok vor, den Jugendschutz auf seiner Plattform möglicherweise nicht ausreichend umzusetzen. Jugendliche unter 16 Jahren sollen TikTok nur mit Einschränkungen nutzen können. Jugendliche und Kinder unter 13 Jahren sollen TikTok nur in einer stark abgespeckten Version benutzen dürfen. Die Altersprüfung könnte unzureichend sein, weil TikTok bei Kontoeröffnung das Alter nur als Selbstauskunft abfragt, aber keine wirkliche Prüfung vornimmt. Das ist allerdings nicht nur ein spezifisches Problem bei TikTok, sondern trifft auch auf andere Soziale Medien des Meta-Konzerns, X oder Pornographie-Seiten zu. TikTok gesteht auf seiner Webseite zu, dass es von der Ehrlichkeit der Nutzer bei diesen Angaben abhängig sei.

Bei TikTok-Kunden unter 16 Jahren beschränkt der Dienst die tägliche Nutzungsdauer auf eine Stunde. Diese Beschränkung kann aber durch ein paar Klicks aufgehoben werden. Das EU-Gesetz über digitale Dienste (DSA) verbietet personalisierte Werbung für Menschen unter 16 Jahren. Auch das ist bei fehlender Alterskontrolle schwer einzuhalten, mutmaßen sie Prüfer der EU-Kommission.

Vier Schulkinder, alle mit Smartphones in den Händen und Schulranzen vor sich, sitzen auf einem Mäuerchen. Drei haben Kopfhörer auf und blicken zusammen auf ein Smartphone.
Alterbegrenzung? TikTok ist angesagt, auch bei jüngeren SchülernBild: Anna Grigorjeva/PantherMedia/IMAGO

Macht TikTok süchtig?

Die EU-Kommission moniert außerdem, dass der Algorithmus von TikTok, den Nutzern einen endlosen Strom von Videos aufnötigt, der all ihren persönlichen Vorlieben folgt. Dieses "Hineinziehen" in die App könne bei den Nutzern zu einem suchtähnlichen Verhalten führen. TikTok hält dagegen, dass der Algorithmus gemäß den Bestimmungen des DSA abgeschaltet werden kann. Diese Möglichkeit ist aber gut im Menü unter vielen Klicks verborgen. Die schwer auffindbaren Einstellungen und Optionen sind ein Problem, das nicht nur TikTok betrifft. Medienforscher beobachten schon seit mehreren Jahren, dass TikTok, gerade weil es überwiegend von Menschen unter 25 Jahren intensiv genutzt wird, ein gewisses Suchtpotenzial hat. "Anhaltspunkte, dass gewisses Design, Abhängigkeiten fördern könnte, die gibt es schon, sowohl bei TikTok als auch bei anderen Plattformen", sagte der Internet-Experte Julian Jaursch von der "Stiftung Neue Verantwortung" im TV-Sender ZDF. "Da Beweise zu sammeln, ob es stimmt oder nicht stimmt, das wird jetzt eine große, nicht ganz so leichte Aufgabe für die EU-Kommission."

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TikTok freut sich auf Klarstellungen

Ein Sprecher von TikTok erklärte, die Firma, die zum chinesischen Konzern Bytedance gehört, werde weiter für eine Verbesserung des Jugendschutzes eintreten. "Wir werden mit Experten und der Industrie weiter daran arbeiten, TikTok sicher zu gestalten. Wir freuen uns jetzt auf die Gelegenheit, dies der EU-Kommission im Detail erklären zu können." Die EU-Kommission möchte neben dem Jugendschutz einen Zugang zu einer Liste mit allen Werbekunden von TikTok bekommen. Außerdem sei der Zugang für Wissenschaftler zu den Daten von TikTok sicherzustellen, wie er im Gesetz für digitale Dienste vorgeschrieben ist.

Porträtaufnahme von TikTok-Geschäftsführer Shou Zi Chew in der US-Kongress Sitzung
TikTok-Geschäftsführer Shou Zi Chew: Nicht für seine KinderBild: Jose Luis Magana/AP/picture alliance

Der Geschäftsführer von TikTok, Shou Zi Chew, war zuletzt im Januar in Brüssel bei EU-Kommissaren zu Besuch, um Bedenken gegen seine Kurzvideo-Plattform zu zerstreuen. In den USA musste sich der aus Singapur stammende TikTok-CEO Ende Januar bohrenden Fragen bei einer Anhörung im US-Senat stellen. Die Abgeordneten hatten vor allem Sorge, dass TikTok Daten seiner Nutzer an den Mutterkonzern weiterleitet oder gleich als Spionage-Software gewertet werden muss. Im Zuge von ähnlichen Anhörungen im Jahr 2023 räumte der TikTok-Chef ein, dass er seinen eigenen Kindern (damals sechs und acht Jahre alt) die Nutzung der Plattform nicht erlauben würde. In Singapur, wo die Kinder leben, gibt es keine Altersuntergrenze für das Einloggen in die schnell wachsende Plattform.

In Deutschland machte TikTok in den letzten Wochen von sich reden, weil die rechtsnationale Partei "AfD" auf der Plattform wesentlich erfolgreicher ist als alle Konkurrenten.

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union