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Politik

EU-China-Gipfel: Pekings Balanceakt

Priyanka Shankar
31. März 2022

Die EU warnt China davor, die russische Invasion der Ukraine zu unterstützen. Peking soll den Krieg verurteilen. Aber China hat ganz andere Interessen im Blick. Aus Brüssel Priyanka Shankar.

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Symbolbild | EU - China
Bild: Rainer Unkelimago images

Neuer Streit steht im Raum, wenn sich die Europäische Union und China am Freitag zu einem digitalen Gipfel treffen. Der Grund ist Russlands Krieg in der Ukraine und Chinas Vernebelungstaktik gegenüber dem Vorgehen des Kreml.

China drückt zwar Sorge wegen des eskalierenden Krieges in der Ukraine aus, aber es gibt Meinungsverschiedenheiten über die Ursache des Krieges. Peking unterstützt die Darstellung des Kreml, die NATO sei Schuld, während die EU und der Westen das Gegenteil behaupten.

Vor dem EU-China-Gipfel sagte Chinas Außenminister Wang Yi im Fernsehsender Phoenix, dass "die chinesisch-russischen Beziehungen sich weiterhin stabil entwickeln". Allerdings hatte Chinas Präsident Xi Jinping jüngst noch betont, sein Land stehe für Frieden statt Krieg, so eine Verlautbarung der Regierung Mitte März.

Europäische Politiker wollen beim bevorstehenden Gipfel mit China den Krieg in der Ukraine zum Thema machen. Finnlands Ministerpräsidentin Sanna Marin sagte vor dem Treffen: "Wir müssen sicherstellen, dass China auf der richtigen Seite der Geschichte steht."

China - EU | Wang Yi und Josep Borrell
Lobt die Beziehungen zu Russland: Chinas Außenminister Wang Yi, hier mit dem EU-Außenbeauftragten Josep BorrellBild: Zhou Mu/Xinhua/IMAGO

Der Europäische Rat erklärte, die EU-Mitglieder seien außerdem bemüht, einen substantiellen Menschenrechtsdialog mit China wiederaufzunehmen und andere Themen von gemeinsamem Interesse zu diskutieren, wie den Klimawandel und die Covid-19-Pandemie.

EU-Politiker sehen das Treffen als eine Art "Warn-Gipfel" gegenüber China, so Andrew Small, Chinaexperte beim German Marshall Fund of the US in Berlin, gegenüber der DW. "Während der vergangenen Wochen haben wir viele Erklärungen europäischer Staats- und Regierungschefs gehört, in denen sie ihre Sorge über Chinas wachsende Beziehungen mit Russland ausdrücken."

"Die EU-Regierungschefs", so Andrew Small weiter, "sind sich zunehmend der Notwendigkeit bewusst, ihre Beziehungen zu China langfristig wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Denn die russische Invasion der Ukraine hat die EU-Länder erkennen lassen, wie riskant die Abhängigkeit von autoritären Staaten ist, die ihre Nachbarn militärisch bedrohen."

Russlands Flirt mit China

China wiederum zöge es vor, "wenn die EU-Mitglieder nach dem Gipfel Pekings Position in der Ukraine-Krise nachvollziehen könnten und diese nicht die zukünftigen EU-China-Beziehungen beeinträchtigen würde", so Amanda Hsiao, Chinaexpertin der International Crisis Group, im Gespräch mit der DW. "Der Idealfall für China wäre, wenn durch das Treffen die Kooperation zwischen China und der EU für die humanitäre Hilfe in der Ukraine und die Förderung des Dialogs hervorgehoben würde. Ein Szenario, in dem die EU und China gemeinsam Russlands Vorgehen verurteilen, wird es nicht geben."

EU-China: Schwierige Beziehungen erneut herausgefordert

Die Beziehungen zwischen der EU und China sind belastet, seit die EU Pekings Handelspraktiken kritisiert und Menschenrechtsverletzungen gegenüber den Uiguren angeprangert hat. Die Spannungen wurden stärker, als China vergangenes Jahr Litauen mit einem Handelsboykott und Europa-Abgeordnete mit Sanktionen belegte.

Diese Probleme werden die EU und China beim bevorstehenden Gipfel nicht lösen, glaubt der grüne EU-Abgeordnete Reinhard Bütikofer, der auch Vorsitzender der Delegation des Parlaments für die Beziehungen zur Volksrepublik China ist.

"Ich erwarte, dass Europa direkt auf China zugeht und alle Probleme unverblümt anspricht. Dazu gehört die Unterdrückung der Freiheit in Hongkong entgegen Chinas internationalen Verpflichtungen und Chinas Verhalten gegenüber Taiwan. Ich denke aber nicht, dass China auf dem Gipfeltreffen seine Sanktionen zurückzieht."

Reinhard Bütikofer gehört zu den fünf EU-Abgeordneten, die China vergangenes Jahr auf eine schwarze Liste gesetzt hat, eine Vergeltungsmaßnahme für die europäischen Anschuldigungen, China verletze Menschenrechte.

Xinjiang: Chinas muslimische Minderheiten

"In allen Gesprächen nach der Verhängung dieser Sanktionen haben die Chinesen sich geweigert anzuerkennen, dass der Ball in ihrem Feld liegt", so Bütikofer. "Wir haben sehr deutlich gemacht, dass wir nicht daran denken, das europäisch-chinesische Investitionsabkommen zu ratifizieren, solange es bei diesen Sanktionen bleibt. Aber ich fürchte, die chinesische Führung wird nicht nachgeben."

Chinas Neutralität gegenüber Russland bedeutet neue Herausforderungen für die EU, meint Joris Teer vom Hague Centre for Strategic Studies. "Die EU ist ein sehr wichtiger Exportmarkt für China, den es weiter nutzen will. Das Gipfeltreffen wird uns zeigen, wie China diesen Balanceakt hinzukriegen versucht - einschließlich des Versuchs, die EU und die USA auseinanderzudividieren."

China bleibt skeptisch gegenüber dem Westen

Während die EU und die NATO Peking warnen, dass eine Unterstützung Moskaus Konsequenzen haben werde, konzentriert China sich vielmehr auf seine ärgsten Bedrohungen - die USA eingeschlossen, so Joris Teer. "Die USA sind aus Chinas Sicht im Jahr 2022 eindeutig der Hauptfeind. Die USA verletzen Chinas vitale Interessen, weil mehrere US-Präsidenten immer wieder betont haben, dass die liberale Demokratie das einzige legitime Regierungssystem sei. Europäische Hoffnungen, dass China sich ernsthaft Richtung Westen orientieren könnte, sind darum völlig unbegründet."

Für Joris Teer ist klar: "Russland unterstützt China derzeit dabei, seine Hauptinteressen durchzusetzen: Die Machtposition der Kommunistischen Partei zu erhalten, die territoriale Integrität zu schützen und wirtschaftliches und gesellschaftliches Wachstum zu fördern. Russland liefert China auch relativ preiswerte Energiequellen, vorwiegend auf dem Landweg, so dass die immer noch übermächtige US-amerikanische Marine die Zufuhr während einer Krise nicht einfach kappen kann."

Joe Biden spricht mit  Xi Jinping
Die USA bleiben der Hauptfeind: Chinas Präsident Xi Jinping im Gespräch mit US-Präsident Joe BidenBild: The White House/AP/picture alliance

Peking ist sehr um normale Diplomatie bemüht und ist sich der strategischen Bedeutung Europas bewusst, so Andrew Small. Aber die chinesische Regierung wünsche sich, dass die EU sich für strategische Autonomie entscheide: "So definieren sie, nicht mit den USA zu kooperieren."

Der Europa-Abgeordnete Reinhard Bütikofer, der weiterhin nicht nach China einreisen darf, hofft, dass die Beziehungen wieder besser werden. "Ich interessiere mich seit 1970 für China, und ich liebe das Land und seine Kultur wirklich. Ich habe so viele Freunde dort, die ich nicht besuchen kann, die ich nicht mal anrufen kann, weil sie das in Gefahr bringen könnte. Also denke ich langfristig: 2053 werde ich 100 Jahre alt sein. Vielleicht ändert Peking seinen Kurs ja vorher."

Adaption aus dem Englischen: Beate Hinrichs