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Enescu-Festival bedroht

Medana Weident1. Oktober 2013

Trotz musikalischer Höhepunkte und Star-Aufgebot - das 21. Enescu-Festival in Bukarest endete mit Warnungen. Rumänische Politiker sollen das finanziell bedrohte Festival retten. Eine schlanke Neuauflage soll es geben.

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Bild: agerpres

Die Sonne ist angenehm warm. Straßenlokale locken die Besucher. Doch es ist die Liebe zu großartiger Musik, die alle zwei Jahre im September ein breites Publikum nach Bukarest treibt. Denn das seit 1958 bestehende internationale Musikfestival "George Enescu" hat sich bei Musikern und Liebhabern klassischer und zeitgenössischer Musik in den letzten Jahren einen sehr guten Namen gemacht.

Ein Ort mit Magie

Bukarest war immer ein bedeutendes Zentrum für Musik, ein Ort mit Magie“, sagte Dirigent Daniel Barenboim, der mit seiner Berliner Staatskapelle in diesem Jahr vor 3000 Zuhörern im großen Palastsaal den glanzvollen Auftakt gestaltete. Der Namenspatron des Festes sei eine bemerkenswerte Musiker-Persönlichkeit des 20. Jahrhunderts gewesen, fuhr der Dirigent und begnadete Pianist fort. "Enescu war ein wunderbarer Geiger, Pianist und Komponist. Vielleicht lag sein Problem als Komponist darin, dass er zu seiner Zeit zu modern für die Konservativen und zu konservativ für die Modernen war." Das Werk des wohl größten rumänischen Komponisten soll mit dem Musikfestival gefördert und international bekannter gemacht werden. Viele der ausländischen Orchester, die gerne ein Gastspiel in Bukarest geben, haben mindestens eines seiner Werke im Gepäck – das sie später auch dem Publikum zu Hause vorstellen.

Der Dirigent Daniel Barenboim und der Pianist Radu Lupu beim Enescu Festival 2013 in Bukarest, Rumänien (September 2013). (Foto: agerpres)
Daniel Barenboim und Radu Lupu in BukarestBild: agerpres

Stars geben sich die Klinke in die Hand

Die Crème de la Crème der internationalen Klassik gab sich bei durchschnittlich drei Konzerten täglich die Klinke in die Hand: Die junge US-Geigerin Hilary Hahn spielte ebenso wie der russische Pianist Evgeny Kissin oder sein Kollege Radu Lupu aus Rumänien. Kammermusik stand auf dem Programm, brachte Pinchas Zukerman mit seinem Trio ebenso wie Fabio Bondi mit seinem Alte-Musik-Ensemble Europa Galante. Und auch die brillantesten Orchester unserer Tage gaben sich ein Stelldichein: Die Academy of St Martin in the Fields unter Sir Neville Marriner begeisterte das Publikum ebenso wie das Orchestre de Paris mit Dirigent Paavo Järvi oder das Londoner Royal Philharmonic Orchestra unter dem Rumänen Cristian Mandeal. Und im Wagner-Jahr wurde in Bukarest erstmals der vollständige "Ring" mit Marek Janowski und dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin aufgeführt. Das Programm war vielseitig und das musikalische Angebot brauchte den Vergleich mit den namhaftesten europäischen Festivals nicht zu scheuen.

Plakat der ersten "Ring"-Darbietung beim Enescu-Festival in Bukarest (September 2013)
Zum ersten Mal den ganzen "Ring"Bild: DW
Das Logo des Enescu-Festivals in Bukarest
Namenspatron George EnescuBild: DW

Ein Festival mit sozialem Charakter

Das diesjährige Festival stand unter dem Motto "Magia Exista": Magie existiert. Der Zauber im Konzertsaal begeistert. Und ist doch gefährdet.

Mit dem Enescu-Festival leistet sich eines der ärmsten Länder Europas eines der größten und kostspieligsten Musik-Events - zu 90 Prozent aus Steuergeldern finanziert. Erstmalig wurde es jetzt von der Regierung in Frage gestellt. Ein Fehler, fanden Befürworter: Das Festival sei ein großes internationales Prestige-Objekt, eine kulturelle Visitenkarte für ein Land, das nicht nur geografisch sondern auch wirtschaftlich am Rande Europas liege. Der Bevölkerung - Durchschnittsnettogehalt rund 350 Euro - werde die seltene Gelegenheit geboten, große Künstler und Orchester zu erleben. Karten seien zwar vergleichsweise günstig, blieben für viele aber trotzdem ohne harte Sparanstrengungen unerschwinglich. So bekäme gerade dieses Festival seinen besonderen sozialen Aspekt.

Eine Frau in schwarzem Gewand bettelt auf der Straße in Bukarest.
Harter Kontrast: Straßenarmut in BukarestBild: picture-alliance/dpa

Einsparungen ohne Qualitätsverlust

Mit kulturellem Reichtum der Krise trotzen, könnte der Anspruch des Intendanten Ioan Holender, ehemaliger Direktor der Wiener Staatsoper, sein. Doch wegen der nicht ausgestandenen Finanzkrise und immenser wirtschaftlicher Probleme in Rumänien zückte er bereits in diesem Jahr den Rotstift: Der internationale Wettbewerb für junge Musiker, Sänger und Komponisten wurde verschoben, das Programm in anderen Städten des Landes wurde abgespeckt und lange stand in den Sternen, ob das begleitende musikwissenschaftliche Symposium stattfinden würde. Zum Schluss wurde auch hier gekürzt.

Stardirigent Daniel Barenboim warb dafür, dass man die Wirtschaftskrise nutzen solle, um zu zeigen, wie unverzichtbar Kultur sei. Barenboim solle Regierungsberater werden, schrieb daraufhin die liberal-konservative rumänische Tageszeitung Adevărul: "Weil Bildung und Kultur seit Jahren bei uns vernachlässigt werden, sind wir bei geistiger Armut angelangt. Dass Barenboim beim Enescu-Festival dirigiert, ist schon allein ein großer Gewinn für uns."

Appell an die Regierung

Das größte Kulturevent Rumäniens werde weiterhin existieren, verkündete Festivalleiter Ioan Holender – mit schlankerem Programm, aber nicht auf Kosten der Qualität. Da werde das Management keine Abstriche dulden: Beim Festival 2015 kämen beispielsweise auch die Berliner Philharmoniker und das Concertgebouw Orchester aus Amsterdam in das "Paris des Ostens".

Ein Portät von Ioan Holender, Leiter des Enescu Festivals Bukarest, ehemaliger Leiter der Wiener Staatsoper. (Foto: Medana Weident)
Ioan Holender setzt auf QualitätBild: DW

Um die Magie zauberhafter Konzerte zu erhalten, müssten die verantwortlichen Politiker aufgerüttelt werden. Kultur sei kein luxuriöses Extra, Kultur sei lebensnotwendig und gehöre zum Menschsein - gerade dann, wenn es sonst nicht zum Besten stehe. Das hätten die stets gefüllten Konzertsäle in Bukarest während des 21. Enescu-Festivals eindrucksvoll gezeigt.