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El Salvador: Präsident Bukele düpiert Biden

9. Januar 2022

US-Präsident Joe Biden will die Korruption in Mittelamerika bekämpfen. Aber der Präsident El Salvadors, Nayib Bukele, pfeift auf Washington. Wohl auch, weil China als Partner interessanter erscheint.

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Eine überlebensgroße Computer-Figur von Präsident Nayib Bukele auf einer Video-Leinwand vor einer Menschenmenge
Mit einem Avatar inszeniert sich Nayib Bukele bei einer Veranstaltung für Bitcoin-InvestorenBild: Salvador Melendez/AP/picture alliance

Es wäre nicht das erste Mal, dass eine lateinamerikanische Regierung inoffiziell mit kriminellen Banden über Krieg und Frieden in ihrem Land verhandelt. Deshalb könnte man es als innenpolitische Posse abtun, dass die salvadorianische Regierung von Nayib Bukele mit den berüchtigten Straßengangs Mara Salvatrucha (MS-13) und Barrio 18 paktiert haben soll. Dies, heißt es, sei der wahre Grund, aus dem die Mordraten in dem mittelamerikanischen Land gesunken sind, nicht die kluge Politik des Präsidenten.

Dass der Staatsanwalt German Arriaza, der gegen die mutmaßlichen Verhandlungsführer der Regierung ermittelte, der Nachrichtenagentur Reuters kurz vor dem Jahreswechsel sagte, die Regierung habe seine Untersuchungen bereits im Mai 2021 einstellen lassen, wäre demnach eine Randnotiz.

Doch die Vorgänge im kleinen El Salvador haben Symbolkraft. Zum einen zeigen sie, wie schwer es für US-Präsident Joe Biden und seine Vizepräsidentin Kamala Harris werden könnte, ihren Plan umzusetzen, die Länder des sogenannten Nördlichen Dreiecks - El Salvador, Guatemala und Honduras - auf mehr mehr Rechtstaatlichkeit zu verpflichten, um die Migration aus diesen Ländern in die USA einzudämmen. Zum anderen spiegelt sich in der salvadorianischen Episode das Ringen zwischen USA und China um Einfluss in der westlichen Hemisphäre wider.

Bukele: Zwei Erdrutschsiege für den Populisten

Zugegeben: Nayib Bukele ist ein spezieller Fall. Seine politische Karriere hatte er in der linken FMLN begonnen und wurde mit ihrer Hilfe 2015 Bürgermeister der Hauptstadt San Salvador. Als ihn die FMLN 2017 wegen interner Querelen ausschloss, gründete er unter Beteiligung einer rechten Splitterpartei seine eigene Partei Nuevas Ideas (Neue Ideen). 2019 kandidierte er bei der Präsidentschaftswahl. Rückenwind gab ihm der Rückgang der Kriminalität in San Salvador während seiner Amtszeit als Bürgermeister.

Präsidentschaftskandidat Nayib Bukele auf einer Open-Air-Bühne Luftdruckkanonen schießen Lametta in die Luft
Anfang Februar 2019 feierte Nayib Bukele (Mitte) seinen Wahlsieg als PräsidentBild: Moises Castillo/AP/picture alliance

Der damals 38-Jährige stieg als Außenseiter ins Rennen um die Präsidentschaft ein. 30 Jahre lang hatten entweder die linke FMLN oder die rechte ARENA das Staatsoberhaupt gestellt. Dennoch gelang es Bukele bereits im ersten Wahlgang, mit 53,8 Prozent der Stimmen die erforderliche absolute Mehrheit zu bekommen. Bei der Parlamentswahl im Februar 2021 schnitt seine Regierungskoalition dann so gut ab, dass sie nun 76 Prozent der Sitze im Parlament innehat.

"Der coolste Diktator der Welt"

Seinem unverhohlen autoritären Regierungsstil kommt das zupass: Er selbst hat sich bereits als "coolsten Diktator der Welt" bezeichnet.

Wirtschaftlich verfolgt der Unternehmersohn innovative Pläne. Als erstes Land der Welt hat El Salvador im vergangenen September Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel zugelassenBukele spekuliert bereits mit der Kryptowährung. Eine staatliche Bitcoin-Mine - also ein Rechenzentrum, in dem die digital erzeugten Bitcoins "geschürft" werden - soll die Staatsfinanzen längerfristig konsolidieren. Die dafür nötige Elektrizität soll nachhaltig aus Geothermie gewonnen werden. Darum herum soll eine Bitcoin-City entstehen.

Der junge Staatschef präsentiert sich als zukunftsgewandter Macher. In seinem Twitter-Account nennt er sich "CEO von El Salvador", seine öffentlichen Auftritte erinnern an Popkonzerte. "Bukeles Botschaft ist, dass Wähler lieber ihm als Institutionen und Formalitäten trauen sollten", schreibt der ehemalige US-Botschafter in Guatemala, Stephen G. McFarland, in der Zeitschrift "Americas Quarterly". Andere Beobachter charakterisieren ihn als eine Sorte von Populist, der weder links noch rechts sei.

El Salvador Bukele l Bewaffnete Spezialeinheit im Kongress, Gesetz
Bukele duldet keinen Widerspruch: Soldaten im Parlament von El Salvador am 9. Februar 2021Bild: Salvador Melendez/AP/picture alliance

Letzten Februar ließ Bukele Soldaten im Parlament auflaufen, um ein neues Sicherheitsgesetz durchzupeitschen. Nach der gewonnenen Parlamentswahl dann feuerte er unliebsame Richter am Obersten Gerichtshof und setzte einen neuen Generalstaatsanwalt ein.

Beliebt im eigenen Land - unbeliebt in Washington

Es gibt vereinzelte Proteste gegen Bukele - aber sie dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, wie beliebt der Präsident in der Bevölkerung ist. Seine Kooperationsbereitschaft gegenüber Washington hält sich darum in Grenzen. Im Gegenteil: Er geht auf Konfrontationskurs.

Im Mai schickte der von ihm ernannte Generalstaatsanwalt die Antikorruptionseinheit der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) nach Hause, die Bukele ein halbes Jahr zuvor noch ins Land gelassen hatte.

Demonstranten halten Plakate "Bukele Faschist", "Keine Menschenrechtsverletzungen mehr"
Proteste gegen Präsident Nayib Bukele nach der Einführung von Bitcoins als Zahlungsmittel im September 2021Bild: VICTOR PENA/REUTERS

Als die USA Anfang Dezember ankündigten, Klage gegen zwei ranghohe Regierungsbeamte wegen der mutmaßlichen Kooperation mit den Straßengangs zu erheben und Bukeles Stabschefin wegen mutmaßlicher Veruntreuung von Corona-Hilfen auf ihre Sanktionsliste setzen, schimpfte der Präsident, Washington wolle keine Partnerschaft, sondern erwarte "vollständige Unterwerfung". Nach einer Demonstration gegen ihn wetterte er, die US-Regierung unterstütze "kommunistische Bewegungen" in seinem Land.

Für Washington ist auch die Einführung von Bitcoins als Währung eine Provokation. Denn Kryptowährungen lassen sich hervorragend als Mittel zur Geldwäsche und Steuerhinterziehung nutzen.

China - der ewige Konkurrent

Doch warum ist es für die USA ein Problem, wenn der Präsident von El Salvador aufmuckt? Das Land zählt mit 6,5 Millionen Staatsbürgern kaum mehr Menschen, als im Ballungsraum Washington, D.C., leben.

Zum einen ist da die Migration: Mehr als ein Drittel der Salvadorianer lebt bereits in den USA, täglich machen sich Menschen auf den Weg Richtung Norden. Sie würden im Land bleiben, wenn es politisch und wirtschaftlich stabil wäre, so das Kalkül von Bidens Außenpolitik. Sein Vertrauen in Bukeles Fähigkeiten, El Salvador in eine rosigere Zukunft zu führen, dürfte allerdings weniger ausgeprägt sein als bei Bukeles Wählern.

Zum anderen ist da die Konkurrenz mit China um den Einfluss in der westlichen Hemisphäre. Nach Costa Rica (2007) und Panama (2017) war El Salvador 2018 das dritte und bisher nördlichste Land in Zentralamerika, das bei Pekings Ein-China-Doktrin mitgeht, also Taiwan als Teil der Volksrepublik ansieht. Dieser Linie folgen zwar die meisten Staaten weltweit, so auch die USA - doch gerade lateinamerikanische Regierungen sind lange davon abgewichen und haben Taiwan als souveränen Staat anerkannt. Inzwischen unterstützen die meisten Pekings Position.

Bukele hat die Entscheidung seiner Vorgänger in der Regierung übernommen. Kurz nachdem er bei seinem Antrittsbesuch 2019 in Washington Donald Trump Freundschaft und Partnerschaft versprochen hatte, reiste er nach Peking und erhielt von Xi Jinping die Zusage über Investitionen in Höhe von einer halben Milliarde US-Dollar - eine beträchtliche Summe für ein Land mit einem Bruttoinlandsprodukt von rund 25 Milliarden US-Dollar. Unter anderem soll davon ein neues Nationalstadion erbaut werden.

Zwar stellt auch die Biden-Regierung Investitionen in Aussicht - für die Staaten des Nördlichen Dreiecks sind insgesamt vier Milliarden US-Dollar eingeplant. Aber anders als Washington bindet Peking solche Gelder nicht an rechtstaatliche Prinzipien. Bukele wäre nicht der erste Autokrat, der hier den Weg des geringeren Widerstands geht. Aber er wäre ein weiteres - aus Sicht der USA schlechtes - Vorbild für andere Machthaber in der Region.

Jan Walter Autorenfoto
Jan D. Walter Jan ist Redakteur und Reporter der deutschen Redaktion für internationale Politik und Gesellschaft.