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Einigung im russisch-ukrainischen Gasstreit lässt Fragen offen

5. Januar 2006

Fokus Ost-Südost schildert den gefundenen Kompromiss, gibt Reaktionen beider Seiten wider und beleuchtet auch die Bedeutung Turkmenistans als Energielieferant.

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Bild: dpa

Das überraschend schnelle Ende des Gasstreits zwischen der Ukraine und Russland ist mit Erleichterung aufgenommen worden. Der Streit wurde, so die Konfliktparteien, im gegenseitigen Einvernehmen gelöst. Die Vertreter von Gasprom erklärten, sie würden künftig der Ukraine 1000 Kubikmeter Erdgas zum Preis von 230 US-Dollar verkaufen. Das sei der Preis, auf dem der russische Erdgasmonopolist bestanden habe. Somit kann Gasprom wohl einen Sieg feiern. Aber die ukrainische Seite erklärt ebenfalls, ihr sei es gelungen, ihre Ziele durchzusetzen. In Kiew wurde mitgeteilt, man werde künftig pro 1000 Kubikmeter russischen Erdgases 95 US-Dollar zahlen. Laut Vereinbarung wird nicht Gasprom das Gas an die Ukraine liefern, sondern die Gesellschaft RosUkrEnergo. Das Erdgas für den ukrainischen Markt wird RosUkrEnergo bei Gasprom zum Preis von 230 US-Dollar pro 1000 Kubikmeter beziehen, aber auch, und viel günstiger und in größerem Umfang, bei Lieferanten in Zentralasien, vor allem von Turkmenistan. Das ermögliche RosUkrEnergo, deren Aktien zu 50 Prozent Gasprom gehören, den Gesamtpreis für die Ukraine auf 95 US-Dollar zu senken.

Reaktionen aus der Ukraine

Ukrainische Regierungsvertreter teilten mit, das Erdgasabkommen habe eine Laufzeit von fünf Jahren. Experten in der Ukraine meinen aber, der Erdgaspreis von 95 Dollar pro 1000 Kubikmeter werde maximal bis zum Jahr 2007 halten. Ihnen zufolge hat die Ukraine mit diesem Abkommen nur Zeit gewonnen, um die eigene Industrie auf energiesparende Technologien umzustellen.

Der Leiter des Unterausschusses für Erdgaspolitik im ukrainischen Parlament, Oleksij Hudyma, betonte, Einzelheiten des Abkommen würden verschwiegen. Es sei unklar, auf welcher Grundlage Russland den Preis für turkmenisches Erdgas das laut Vertrag der Ukraine zustehe, von 65 auf 95 Dollar pro 1000 Kubikmeter anhebe.

Unter ukrainischen Politikern wird die Lösung des Gasstreits zwischen Kiew und Moskau unterschiedlich bewertet. Den erzielten Kompromiss unterstützen lediglich die Berater von Präsident Wiktor Juschtschenko. Der politische Rat der Partei Unsere Ukraine erklärte, die Lösung der Krise habe gezeigt, dass die Juschtschenko-Administration in der Lage sei, sich wirtschaftlicher Erpressung zu widersetzen und nationale Interessen zu verteidigen.

Der Führer der Partei der Regionen, Wiktor Janukowytsch, bezeichnete die Ereignisse als Pyrrhussieg der ukrainischen Staatsmacht. Ihm zufolge wird der Staat wegen der Gaspreiserhöhung kollabieren. Er schließt nicht aus, dass es sich um ein kurzfristiges Abkommen handelt, um es noch bis zu den Wahlen im Frühjahr zu schaffen. Früher hatten Janukowytschs Parteianhänger gefordert, das ukrainische Pipelinenetz zu verkaufen.

Das führende Mitglied der Partei Block Julija Tymoschenko, Oleksandr Turtschynow, erklärte, die ukrainische Staatsmacht habe der Einschüchterung und Erpressung nachgegeben. Sie mische nun bei der unter Korruptionsverdacht stehenden Gesellschaft RosUkrEnergo mit. Das Abkommen mit Gasprom, so Turtschynow, solle nur den Verlust der Energiesicherheit des Staates verdecken.

Reaktionen aus Russland

Der russische Präsident Wladimir Putin begrüßte das Erdgasabkommen zwischen Russland und der Ukraine. Es werde sich positiv auf die gesamten bilateralen Beziehungen auswirken. Ihm zufolge sei es wichtig, dass die gerechtfertigte Position Russlands bezüglich des Gaspreises anerkannt wurde und die Beziehungen zwischen beiden Ländern eine neue Qualität erreichten. Sie würden nun tatsächlich partnerschaftlich, transparent und marktwirtschaftlich.

Einen politischen Faktor im Gasstreit schließt der russische Industrie- und Energieminister Wiktor Christenko aus. Er betonte, es gebe nichts Besseres für jede politische Situation, als verständliche und klare Bedingungen in einem solchen Markt. Es habe nur wirtschaftliche Faktoren gegeben, jedenfalls von russischer Seite, unterstrich der Minister. Der Präsident des russischen Verbandes der Erdöl- und Erdgasindustrie, Gennadij Schmal, betonte, Russland habe nicht verloren. „Die Ukraine wollte es günstiger, aber es wurde ein Kompromiss gefunden“, unterstrich er.

Der Vizepräsident der Staatsduma und Vertreter der Fraktion der Liberaldemokratischen Partei Russlands, Wladimir Schirinowskij, forderte unterdessen eine parlamentarische Untersuchung der russisch-ukrainischen Vereinbarungen. Die Ukraine habe Russland erneut „übers Ohr gehauen“. Über die turkmenischen Gaslieferungen an die Ukraine sagte Schirinowskij, das gesamte turkmenische Erdgas sei bereits für die nächsten 20 Jahre an Russland verkauft. Man könne deswegen nicht davon sprechen, dass günstiges turkmenisches Erdgas dem russischen beigemischt und an die Ukraine geliefert werden könne. „In Wirklichkeit haben wir mit Mühe den Gaspreis um 40 auf 90 Dollar pro 1000 Kubikmeter erhöht, auch wenn wir behaupten, dass wir das Gas zum Preis von 230 Dollar verkaufen“, sagte er.

DW-RADIO/Russisch, DW-RADIO/Ukrainisch, 5.1.2006, Fokus Ost-Südost