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Politik

Dreyer schlägt Corona-Expertenteam vor

7. August 2021

Welche Lehren lassen sich aus dem Management der Corona-Pandemie ziehen? Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat sich darüber Gedanken gemacht. Und hat eine konkrete Empfehlung.

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Malu Dreyer
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu DreyerBild: Frank Rumpenhorst/dpa/picture alliance

Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, setzt sich angesichts der Erfahrungen bei der langwierigen Bekämpfung des Coronavirus dafür ein, "ein großes interdisziplinär zusammengesetztes und anerkanntes offizielles Expertenteam auf Bundesebene" zu berufen. Dieses solle Bund und Länder beraten, sagte Dreyer der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. "Wir können froh sein mit unseren Experten in Rheinland-Pfalz, weil die in wichtigen Fragen eigentlich immer richtig gelegen haben."

In diesem Zusammenhang forderte die SPD-Politikerin, dass "die Corona-Krisenstäbe der Landesregierungen und der Bundesregierung von Anfang an besser verzahnt werden müssen." Und mit Blick auf die teils sehr langen Sitzungen der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin sagte Dreyer: "Man braucht sehr viel früher ein Bund-Länder-Gremium, das im Sinne eines Pandemie-Krisenstabes zusammenarbeitet." Dann könne schneller reagiert werden, Lösungen und Maßnahmen wären besser vorgearbeitet für die Schaltgespräche der Länderchefs und -chefinnen mit der Kanzlerin.

Eine weitere Lehre aus der Pandemie sie, so Dreyer: "Deutschland muss sich anders aufstellen, was die Umsetzung der Forschung in eigene Produktion betrifft." Der schnelle Durchbruch des Mainzer Unternehmens BioNTech zeige, wie es gehen könne. Eine entscheidende Frage sei: "Wie können wir sicherstellen, wenn Lieferketten gekappt sind oder Länder anfangen, egoistisch zu denken, dass unsere eigene Bevölkerung gut versorgt ist?"

De Maizière will einen Krisenstab

Ein ähnlicher Vorschlag kommt inzwischen auch vom ehemaligen Innen- und Verteidigungsminister Thomas de Maizière. Er plädiert für die Einrichtung eines ständigen Krisenstabs für Notlagen innerhalb des Bundesgebiets. Die Corona-Pandemie und das katastrophale Hochwasser hätten gezeigt, dass die Krise kein Ausnahmefall sei, sondern "fester Teil der politischen Normalität", sagte der CDU-Politiker dem "Tagesspiegel" aus Berlin. Deutschland sei darauf nicht ausreichend vorbereitet.

Deutschland | Thomas De Maiziere | ehemaliger Innenminster
Der frühere Bundesinnenminister Thomas de Maizière meldet sich ebenfalls zu WortBild: John Macdougall/AFP/Getty Images

"Heute werden die Quadratmeterzahlen für die Ladenöffnung von der Runde der Ministerpräsidenten beschlossen", argumentierte de Maizière. "So was sollte aber nicht Teil von politischen Leitentscheidungen sein." Eine derartige "Mikrosteuerung" gehöre in einen Krisenstab. Als Vorbild nannte de Maizière das Krisenreaktionszentrum des Auswärtigen Amts, das etwa bei Entführungen im Ausland aktiv wird. In einem Krisenstab für länderübergreifende Notlagen müssten Bund, Länder und Gemeinden genauso einen ständigen Sitz bekommen wie Logistikexperten und Wissenschaftler.

Lehren auch für europäische Ebene

Auf europäischer Ebene müsse "jetzt sehr genau analysiert werden, was hat funktioniert, wo gab es Schwachstellen und was müssen wir für die Zukunft lernen", forderte die Mainzer Regierungschefin. "Pandemien wird es wohl immer wieder geben, deswegen ist das Zusammenspiel so wichtig, etwa bei der Impfstoffbestellung." Dreyer fügte hinzu: "Wir haben in Deutschland insgesamt einen enormen Zusammenhalt und Gemeinsinn erlebt." Zudem habe man "mit Kurzarbeitergeld und großen und wirksamen Corona-Hilfsprogrammen von Bund und Ländern die wirtschaftlichen Folgen zumindest abfedern können."

Jetzt komme es nochmals darauf an, alles zu geben, betonte Dreyer. "Wir brauchen eine sehr große Impfbereitschaft, jetzt, da wir endlich genügend Impfstoff haben." Zugleich sei eine "gemeinsame Kraftanstrengung" nötig, um soziale Ungleichheiten auszugleichen. Nach der Bundestagswahl im September brauche es einen "gemeinsamen Aktionsplan, um diejenigen zu unterstützen, die durch Corona doppelt getroffen wurden."

Wieder mehr Intensivbetten belegt

Unterdessen stellen die Intensivmediziner in Deutschland fest, dass nach einer deutlichen Zunahme an gemeldeten Corona-Neuinfektionen nun auch die Zahl der Corona-Patienten in intensivmedizinischer Behandlung wieder steigt. "Wir sehen zum ersten Mal seit Wochen wieder eine echte Zunahme der Zahl der COVID-19-Patienten auf den Intensivstationen bei ausreichenden Kapazitäten", schrieb der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN), Christian Karagiannidis, auf Twitter. Es sei wichtig, die Impfquote zu erhöhen.

Karagiannidis verwies auf Angaben der Deutsche Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) von Samstag, wonach zuletzt 417 COVID-19-Patienten intensivmedizinisch behandelt wurden. Vor einer Woche waren es noch 359. Eine große Frage mit Blick auf die kommenden Monate ist, inwieweit die bisherigen Impferfolge eine hohe Belastung des Gesundheitssystems trotz steigender Infektionszahlen verhindern können. Alle zugelassenen Impfstoffe schützen nach Erkenntnissen des Robert Koch-Instituts (RKI) vollständig Geimpfte wirksam vor einer Erkrankung bei der mittlerweile dominierenden Delta-Variante.

Das RKI sieht die Bundesrepublik bereits am Anfang einer vierten Corona-Welle. Um deren Ausmaß so gering wie möglich zu halten, sei es nötig, den Anteil der geimpften Bevölkerung schnellstmöglich zu erhöhen, erklärte das Institut. Mehr als 45 Millionen Menschen in Deutschland sind mittlerweile vollständig gegen das Coronavirus geimpft - 54,5 Prozent, wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn auf Twitter schrieb. Insgesamt 51,8 Millionen Menschen oder 62,3 Prozent haben mindestens eine erste Impfung bekommen.

Schleppendes Impftempo

Allerdings stagniert das Impftempo. Seit dem Samstag der Vorwoche wuchs die gemeldete Zahl der Erstgeimpften nur um rund 600.000 weitere Menschen. "Impfen ist eine persönliche Entscheidung - aber auch eine, die uns alle als Gemeinschaft betrifft", twitterte Spahn. Jeder und jede Einzelne entscheide darüber, wie gut alle durch Herbst und Winter kämen.

Seit über einem Monat steigt die Zahl der täglichen Neuinfektionen an. Die Sieben-Tages-Inzidenz je 100.000 Einwohner hat sich mehr als vervierfacht. Nach RKI-Angaben vom Sonntagmorgen lag die Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland bei 22,6 - am Samstag hatte der Wert 21,2 betragen, beim jüngsten Tiefstand vor gut einem Monat 4,9. Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI binnen eines Tages 3127 Neuinfektionen. Vor einer Woche waren es 2097.

kle/ack (dpa, epd, afp)