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PolitikEuropa

Djukanovic: "Montenegro ist kein Feind Russlands"

Sanja Blagojevic
19. Februar 2023

Einen Monat vor der Präsidentschaftswahl in Montenegro spricht Präsident Milo Djukanovic über die Beziehungen des NATO-Staats zur EU und zu Russland. Auch auf den Einfluss Chinas geht Djukanovic im DW-Interview ein.

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Milo Djukanovic
Noch ist nicht klar, ob Montenegros Präsident Milo Djukanovic für ein weiteres Mandat antrittBild: Sean Gallup/Getty Images

Seit gut 30 Jahren lenkt Milo Djukanovic die Geschicke Montenegros - er war viermal Premierminister und steht jetzt kurz vor dem Ende seiner zweiten Amtsszeit als Staatschef.

Einen Monat vor der Präsidentschaftswahl in Montenegro ist unklar, ob Djukanovic noch einmal antritt. Eine Entscheidung darüber wolle er in den nächsten Tagen treffen, sagt er im DW-Interview am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz: "Jemand, der drei Jahrzehnte dieselbe Arbeit macht, darf sich wohl müde fühlen und hat auch das Recht zu denken, dass für die Gesellschaft ein neuer Kandidat besser wäre. Wir als Partei nehmen in Betracht, wer am besten helfen könnte, dass sich Montenegro nach zweieinhalbjährigem Herumirren wieder auf einen stabilen Weg der euroatlantischen Entwicklung begibt. In unserem politischen Block beraten wir, welcher Kandidat das am besten sichern kann. Ich hoffe, dass wir aus den Angeboten an Kandidaten in den nächsten Tagen den besten wählen."

Djukanovic: EU-Beitritt bleibt strategisches Ziel

Das strategische Ziel Montenegros bleibe auch weiterhin die EU-Mitgliedschaft, so Djukanovic: "Montenegro hat mit der Wiederherstellung der Unabhängigkeit klar definiert, dass es ein Teil der NATO und der EU werden möchte. Das erste Ziel haben wir erreicht. Auf dem Weg zum zweiten Ziel haben wir zwei sehr wichtige Resultate erzielt. Das erste ist, dass wir zu hundert Prozent die Außen- und Sicherheitspolitik mit der EU harmonisiert haben - und das ist de facto ein Zustand der ganzen letzten Jahre. Darüber hinaus haben wir alle Verhandlungskapitel eröffnet. Aber in der Phase, in der mit dem Abschließen der Kapitel begonnen werden sollte, kam es zur Abschwächung der europäischen Erweiterungspolitik. Leider nahm in der Folge auch der Reformenthusiasmus in allen Ländern des Westbalkans ab."

Auch der Krieg gegen die Ukraine habe die Aufmerksamkeit auf die geopolitische Bedeutung der Integration des Westbalkans gelenkt, sagt der montenegrinische Präsident. Deshalb sei auch die EU zu ihrer aktiven Erweiterungspolitik zurückgekehrt: "Ich denke, dass Montenegro die besten Voraussetzungen hat, um das erste nächste EU-Mitglied zu werden."

Mit Blick auf die angespannte Lage zwischen Serbien und Kosovo warnt Djukanovic vor Ansätzen, die einen "eingefrorenen Konflikt" beinhalten könnten: "Es führt kein Weg an einem Abkommen vorbei. Alle anderen Ideen, wie die von einem eingefrorenen Konflikt, dienen eigentlich nur einer Zerstörungsdoktrin gegenüber Europa und dem Westbalkan als einer europäischen Region. Das ist ganz sicher nicht der Weg, der Gutes bringen würde, weder für Serbien, noch für Kosovo, den Westbalkan oder Europa."

Es sei bereits ein Fortschritt erzielt worden, indem beide Seiten, die serbische und die kosovarische, den Grundtext eines Abkommens anerkannt hätten. Jetzt hoffe er auf eine baldige Unterzeichnung des Abkommens, weil es von "unmessbarer Bedeutung für die Stabilität und die europäische Perspektive der gesamten Region" sei.

Das NATO-Mitglied Montenegro hat sich nach anfänglicher Weigerung den Sanktionen der EU gegenüber Russland angeschlossen. Dennoch befürchten Beobachter, dass ein politischer Einfluss Moskaus auf Podgorica weiterhin bestehen könnte. Djukanovic weist solche Anschuldigungen im DW-Interview entschieden zurück: "Ich denke, dass diese Zweifel an Montenegros Beziehungen zu europäischen und NATO-Partnern von Gegnern des Landes gesät werden. Montenegro gibt dazu überhaupt keinen Anlass. Es hat zu hundert Prozent seine Außen- und Sicherheitspolitik mit der EU abgestimmt und Sanktionen (gegenüber Russland - Anm. d. Red.) erlassen. Da gibt es keinen Raum für ein Dilemma. Russland hat Montenegro zum feindlichen Land erklärt, an der Spitze ihrer Liste feindlicher Staaten befinden wir uns, obwohl wir neulich noch drei Jahrhunderte unserer zwischenstaatlichen und diplomatischen Beziehungen gefeiert haben."

Montenegro wolle sich weder Feinde machen, noch wolle es historische und traditionelle Beziehungen zerstören: "Montenegro ist kein Feind Russlands, Montenegro ist Feind der Aggression. Montenegro ist Gegner der Missachtung von Internationalem Recht. Montenegro ist feindlich gegenüber allen Ideen, mit denen unabhängigen Staaten - in diesem Fall der Ukraine - eine souveräne Wahl ihrer Zukunft verwehrt wird."

2016 habe es ähnliche Attacken gegen die Unabhängigkeit Montenegros gegeben: "Es war ein versuchter russischer Putsch - aus demselben Grund, aus dem jetzt eine viel brutalere Aggression gegen die Ukraine organisiert wurde. Montenegro stand damals vor der Tür der NATO". Das sei ein Versuch gewesen, die NATO-Mitgliedschaft Montenegros zu verhindern, "ein Versuch, dem unabhängigen Staat Montenegro sein souveränes Recht zu verwehren, seine Zukunft zu wählen. Das wird jetzt mittels dieser Aggression auch in der Ukraine versucht", so Djukanovic.

MSC - Münchener Sicherheitskonferenz | Interview Milo Djukanovic | Präsident Montenegro
Montenegros Präsident Milo Djukanovic im Interview mit DW-Redakteurin Sanja BlagojevicBild: DW

Verständnis zeigt der montenegrinische Präsident für die Stärkung des geopolitischen Einflusses Chinas in der Region. Es sei legitim, dass China nach einem Weg gesucht habe, durch die Zusammenarbeit mit Ländern in Mittel- und Südosteuropa seine europäischen Ambitionen zu verwirklichen: "China hat das gemacht, was die europäischen Institutionen nicht gemacht haben. Es hat günstige Kredite für den Ausbau der Infrastruktur angeboten. Das ist das, wonach wir uns alle (in der Region - Anm. d. Red.) gesehnt haben. Zuvor haben wir in Montenegro etwa zehn oder 15 Jahre lang versucht, durch Gespräche mit europäischen Institutionen ein günstiges finanzielles Arrangement zu erzielen für den Bau der Autobahn. Dann tauchte China mit einem Angebot auf, das kurzfristig und unvergleichlich günstiger als alle anderen Angebote war".

Trotz alledem sollte aufmerksam verfolgt werden, inwieweit chinesische Geschäftsbedingungen die Marktwirtschaft Europas gefährden könnten. Djukanovic fordert dehalb eine Positionierung der Europäischen Kommission. Sie sollte im Namen aller in Europa klare Handels- und Geschäftsregeln mit China bestimmen: "Diese Regelungen müssen von der Europäischen Kommission definiert und verteidigt werden".