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Globale Energiewende: endlich ein Lichtblick?

8. Februar 2017

Der Preissturz für Solarkraft und Batterien beschleunigt die Energiewende enorm. Das könnte Kohle, Öl und Gas laut aktuellen Analysen schneller zurückdrängen als gedacht. Das Klima würd's freuen!

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China Solaranlage Luoyang
Bild: Getty Images/T.Yiwei

Der aktuelle Report vom Grantham-Institut am Imperial College London und der Carbon Tracker Initiative ist eine gute Nachricht fürs Klima. Denn demnach könnte die Erderwärmung schneller als erwartet gebremst werden. Dafür rechneten die Wissenschaftler in verschiedenen Szenarien durch, welche Entwicklung die fallenden Preise für Solarenergie, Batterien und damit Elektroautos für die Klimaziele haben könnten.

Die Dynamik dieser Technologien bezeichnen die Wissenschaftler als "Gamechanger" in der globalen Energieversorgung. Sie sehen sie als Schlüssel für den raschen Umbruch zu einer CO2-armen Versorgung im Stromsektor und Straßenverkehr. Bei der Studie ziehen die Wissenschaftler auch die politischen Entwicklungen durch das globale Klimaabkommen mit ein. Mit der Selbstverpflichtung der Länder zur CO2-Einsparung wird der Trend zu einer klimafreundlichen Energieversorgung zusätzlich verstärkt.

Mehr Solarenergie und Elektroautos

Laut Bericht sanken in den vergangenen sieben Jahren die Kosten für Solarenergie um 85 Prozent - Tendenz weiter fallend. Bis 2040 könnte Solarenergie rund 23 Prozent des globalen Strombedarfs liefern und bis 2050 rund 29 Prozent, so die Wissenschaftler. Die global installierte Leistung von Solarmodulen könnte dann bei über 10.000 Gigawatt liegen - also über 30 Mal höher als derzeit (300 GW).

Auch im Verkehr prognostizieren die Forscher einen Umbruch hin zur Elektromobilität, vor allem durch stark sinkende Preise der Batterien. Sie sind derzeit noch der größte Kostenfaktor bei Elektrofahrzeugen. Zwischen 2008 und 2015 sanken die Batteriepreise um 73 Prozent - bis 2020 prognostiziert der Elektroautobauer Tesla noch mal mehr als 60 Prozent.

Elektroautos werden somit auch im Preisvergleich zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor attraktiv und verdrängen konventionelle Fahrzeuge zunehmend aus dem Markt. Nach dem Report könnten 2035 ein Drittel der verkauften Fahrzeuge nur mit Elektroantrieb fahren, 2040 die Hälfte und 2050 mehr als zwei Drittel.

Windkraft in Schleswig-Holstein Jess Jessen
E-Autos werden günstig: 2010 kostete der Batteriesatz für diesen PKW noch 60.000 €, 2025 soll er bei nur 6.000 € liegen. Bild: DW/G.Rueter

Positiver Trend hilft Klimaschutz

Die Wissenschaftler simulieren in ihrer Untersuchung, welche Auswirkungen sinkende Kosten für Photovoltaik und Batterien wahrscheinlich haben werden, wie sich der Trend zu Solarenergie und Elektromobilität auf die Nachfrage nach Kohle, Öl und Gas global auswirken könnte und welche Rolle der globale Energieverbrauch und das Weltklimaabkommen haben.

In einer interaktiven Grafik werden durch Ändern der Parameter die Auswirkungen fürs Klima, Energie und Autoindustrie sichtbar. Im optimistischen Szenario würde dabei der weltweite Kohleverbrauch zwischen 2020 und 2040 um rund 60 Prozent sinken, der Ölverbrauch ab 2030 um jährlich ein Prozent, ebenso der Gasverbrauch ab 2040. In diesem Szenario läge die wahrscheinliche Erderwärmung zum Ende dieses Jahrhunderts bei rund 2,3 Grad.

In dem weniger optimistischen Szenario - mit wenig ambitionierter Politik und weniger starken Preissenkungen für Solarpanels und E-Autos - würde sich der weltweite Kohle und Ölverbrauch ab 2030 nur leicht verringern und der Gasverbrauch sogar weiter ansteigen. In diesem Szenario läge die wahrscheinliche Erderwärmung im Jahr 2100 bei etwa 3,6 Grad.

Etwas besser wird die Lage jedoch durch das globale Klimaabkommen und den darin enthaltenen verbindlichen Zielen der einzelnen Länder: Werden diese Ziele alle umgesetzt, so würde ohne besondere Preissenkungen bei Solarkraft und E-Autos die Erdtemperatur um etwa drei Grad bis 2100 im Vergleich zur vorindustriellen Zeit (etwa 1850) steigen.

Infografik Prognose von Stromkosten aus neuen Großkraftwerken
Günstig ist Strom in Deutschland und GB mit Wind- und Solarkraft. In sonnenreichen Ländern hat Solar die Nase vorn.

Solarenergie und Elektroautos als disruptive Technologien?

Aktuell ist die Bedeutung von Solarenergie und Elektroautos noch gering. Der Anteil von Solarkraft an der globalen Stromversorgung liegt bei unter zwei Prozent und der Anteil von Elektroautos deutlich unter einem Prozent.

Die Autoren bezeichnen sie jedoch als sogenannte disruptive Technologien, die zu einer unerwarteten Entwicklung führen und bestehende Technologien vollständig verdrängen könnten. Als disruptive Technologien gelten zum Beispiel Digitalkameras, die die Anlogen verdrängten, Flachbildschirme, die Röhrenmonitore ersetzten, Smartphones mit Touchscreen, statt Tastatur und das Auto, das vor 100 Jahren Pferdekutschen in kurzer Zeit von den Straßen drängte.

Mit der Studie "Expect the Unexpected, The Disruptive Power of Low-carbon Technology" zeigen die Autoren auf, vor welchen Veränderungen die globale Energiewelt steht: "Im Energiesektor gibt es nicht mehr das business as usual", sagt James Leaton, Leiter der Forschung bei Carbon Tracker. Deshalb sei es an der Zeit, dass die alten Szenarien verworfen werden. "Es gibt eine Reihe von kohlenstoffarmen Technologien, die viel früher eine Bedeutung erlangen - Jahrzehnte bevor es einige Unternehmen erwarten."

"Erwarten Sie das Unerwartete" lautet deshalb das Fazit des Berichts. Empfohlen wird ein Umdenken mit verbesserter Voraussicht in der Politik, Wissenschaft, Industrie und bei Investoren. Durch disruptive Technologien könnten fossile Brennstoffe zehn Prozent des Marktanteils innerhalb eines einzigen Jahrzehnts verlieren und dies könnte für viele Unternehmen der  Anfang vom Ende sein.

Ein 10-prozentiger Verlust am Strommarkt führte nach Angaben der Autoren bereits zu einem Zusammenbruch des US-amerikanischen Kohlebergbaus und die fünf großen Versorgungsbetriebe in Europa verloren in den Jahren 2008 bis 2013 mehr als 100 Milliarden Euro, weil sie das starke Wachstum von erneuerbaren Energien nicht vorhersahen und vollkommen unvorbereitet traf.

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Gero Rueter Redakteur in der Umweltredaktion