Die ukrainische Primaballerina tanzt wieder
Ganna Muromtseva musste auf dem Höhepunkt ihrer Karriere aus der Ukraine fliehen. Nun hat sie sich Stück für Stück wieder zurück ins Leben gekämpft und tanzt den Schwanensee an der ungarischen Staatsoper.
Prinz und Prinzessin
Ganna Muromtseva bei den Proben für Tschaikowskis "Schwanensee" mit dem russischen Solotänzer Boris Zhurilov an der Oper in Budapest. Beide sind aus ihrer Heimat geflohen. Die ehemalige erste Solotänzerin der Ukrainischen Oper spielt in dem Romantikklassiker die Doppelrolle von Odette und Odile. "Ich freue mich, nach einem Jahr wieder auf der Bühne zu stehen", sagt die Primaballerina.
Schuh mit Geschichte
Der Anblick ihrer Spitzenschuhe erinnert Ganna Muromtseva an ihre alten Ballerinas, die sie in der Ukraine zurücklassen musste. Bei der Flucht aus ihrer Heimat vor einem Jahr hatte sie nur drei Stunden Zeit, um alles zu organisieren. Ihr Gepäck beschränkte sich auf eine kleine Tasche. "Als ich Kiew verließ, habe ich nicht einmal damit gerechnet, dass ich eines Tages wieder tanzen werde."
Eine Tänzerin, viele Rollen
Ganna Muromtseva bei der Probe an der Ungarischen Staatsoper in Budapest. Nach ihrer Flucht in den Westen der Ukraine fand sie zunächst Schutz bei Freunden in Belgien. Dann ging sie als Gastkünstlerin an die Semperoper in Dresden. Beim Ballett kann sie alles vergessen: "Wenn meine Hand am Barren ist, konzentriere ich mich ganz auf meine Arbeit, und es sieht so aus, als ob nichts passiert ist".
Perfektion bis ins Detail
An internationaler Erfahrung mangelt es Anna Muromtseva nicht. Sie tourte durch Japan, China, Kanada, Italien, Estland, Deutschland und Taiwan. Doch in Budapest ist alles anders. "Für mich fühlt es sich so an, als müsste ich etwas beweisen. Man muss sehr flexibel sein, nicht nur im Kopf, auch im Körper", sagt sie. Backstage passt eine Näherin ihr Bühnenkleid an. Alles muss perfekt sitzen.
Abschalten am Barren
Trainieren, um das Trauma vom Krieg in ihrer Heimat zu überwinden. Die Künstlerin fiebert dem Auftritt entgegen. Ihre Mutter plant sogar für Ende März einen Besuch in Budapest, um das weltberühmte Ballett zur Musik von Tschaikowsk anzusehen. "Das bedeutet mir sehr viel, da sie und mein Großvater immer meine größte Stütze im Ballett waren", sagt sie.
Das Heimweh bleibt
Obwohl die Ungarische Staatsoper sie für ein weiteres Jahr verpflichtet hat und sie sich über ihre neue Chance freut, möchte Muromtseva natürlich eines Tages wieder nach Hause zurückkehren. "Ich warte auf diesen Tag, dass ich eines Tages wieder auf der Kiewer Bühne tanzen kann", sagt sie. "Aber jetzt habe ich hier einen Vertrag".
Neues Zuhause, neue Freunde
In Budapest hat Anna Muromtseva neue Freunde gefunden. Hartes Training und ein straffer Zeitplan helfen, über die Runden zu kommen, sagt die Ukrainerin, auch wenn in ihrer Mietwohnung manchmal Einsamkeit und Melancholie über sie kommen. "Wir nennen es 'War-Life-Balance', nicht mehr Work-Life-Balance. Es war schwierig, jetzt wird es ein bisschen einfacher".
Immer im Herzen
Ganna Muromtseva blickt auf den Anhänger ihrer Kette, auf dem die Silhouette ihres Heimatlandes eingraviert ist. Es ist mittlerweile ein Jahr her, dass sie auf dem Höhepunkt ihrer Karriere Kiew an der Nationalen Oper die Ukraine verließ. Sie ließ alles hinter sich. Bis heute weiß sie nicht, ob sie jemals in ihrer Heimat zurückkehren kann. Doch sie tut wieder das, was sie am liebsten mag: Tanzen.