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Amber Heard unterliegt im Prozess gegen Johnny Depp

Christine Lehnen | Sabine Oelze
1. Juni 2022

Johnny Depp hat den Verleumdungsprozess gegen Amber Heard gewonnen - jedenfalls in den meisten Punkten. Doch auch seine Ex-Frau erhält Schadenersatz in Millionenhöhe. Das Verfahren spaltete die Öffentlichkeit.

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USA I Verleumdungsprozess Depp gegen Heard in Fairfax
Bild: Evelyn Hockstein/AP/picture alliance

Im Verleumdungsprozess zwischen Hollywood-Star Johnny Depp und seiner Ex-Ehefrau Amber Heard hat sich die Jury größtenteils auf die Seite von Depp gestellt - aber auch Heard in einigen Punkten recht gegeben. Die sieben Geschworenen billigten vor Gericht im Bezirk Fairfax im US-Bundesstaat Virginia dem Fluch-der-Karibik-Star 15 Millionen US-Dollar Schadenersatz zu. Die Summe setzt sich aus zwei Teilbeträgen zusammen, zehn und fünf Millionen Dollar. Wegen einer Sonderregelung in Virginia wurde der zweite Teilbetrag auf maximal 350.000 US-Dollar reduziert, sodass Depp 10,35 Millionen Dollar erhält.

Urteil im Prozess Depp gegen Heard

Seine Ex-Frau Amber Heard erhält zwei Millionen Dollar dafür, dass ein Anwalt ihres Ex-Mannes sie verleumdet habe, indem er sie beschuldigte, Beweise gefälscht zu haben. Damit ergibt sich rechnerisch ein Betrag von 8,35 Millionen Dollar, den Heard an Depp zahlen muss.

Begonnen hatte der Prozess bereits am 12. April 2022. Ein weltweites Publikum hatte den Gerichtsprozess live im Internet verfolgt. Jede neue Aussage, jede Emotion der beiden Hollywood-Stars wurde in den Sozialen Medien hitzig diskutiert. Viele Nutzerinnen und Nutzer hatten sich so ihre Meinung schon vor dem Urteilsspruch gebildet: Johnny Depp erhielt viel Zuspruch, Amber Heard wurde diffamiert. 

Entgegengesetzte Reaktionen

Entsprechend unterschiedlich fielen auch die ersten Reaktionen aus, die von den beiden Ex-Eheleuten zu vernehmen waren. "Diese Jury hat mir mein Leben zurückgegeben", teilte Depp im Anschluss an das Urteil mit - und bedankte sich bei der Jury und auch bei seinem Anwaltsteam und seinen Unterstützern. "Das Ziel, diesen Prozess voranzubringen, war von Anfang an, die Wahrheit ans Licht zu bringen - egal wie es ausgehen würde. Die Wahrheit zu sagen war etwas, was ich meinen Kindern und all denjenigen, die mich immer unterstützt haben, geschuldet habe. Jetzt wo ich das geschafft habe, fühle ich einen inneren Frieden in mir." 

Amber Heard zeigte sich hingegen zutiefst enttäuscht. "Die Enttäuschung, die ich heute fühle, kann man nicht in Worte fassen", schrieb die Schauspielerin via Kurznachrichtendienst Twitter. Dass die Jury ihr trotz eines "Bergs an Beweisen" größtenteils nicht geglaubt habe, breche ihr Herz. Zudem sehe sie das Urteil als einen "Rückschritt" für andere Frauen in ähnlicher Situation. "Ich bin traurig, dass ich den Prozess verloren habe. Aber ich bin noch trauriger, dass ich anscheinend ein Recht verloren habe, von dem ich davon ausgegangen war, dass ich es als Amerikanerin habe - frei und offen zu sprechen." 

Millionen Menschen verfolgten den Prozess live

Der Prozess glich einer Promi-Schlammschlacht, in der es um viel Geld ging. Depp reichte Klage gegen Heard wegen eines Meinungsartikels ein, den sie im Dezember 2018 für die "Washington Post "schrieb, in dem sie sich als "öffentliche Figur, die häuslichen Missbrauch repräsentiert", bezeichnete. Die in Texas geborene Heard nannte Depp in dem Artikel nicht namentlich, aber er verklagte sie, weil sie ihm unterstellte, er sei ein häuslicher Gewalttäter, und forderte 50 Millionen Dollar Schadenersatz.

Die 36-jährige Heard erhob eine Gegenklage in Höhe von 100 Millionen Dollar und behauptete, sie habe unter "zügelloser körperlicher Gewalt und Missbrauch" durch ihn gelitten. Während des Prozesses sagten Dutzende von Zeugen aus, darunter Leibwächter, Hollywood-Manager, Agenten, Experten der Unterhaltungsindustrie, Ärzte, Freunde und Verwandte. Das Netz sah zu. Auch am Beispiel dieses Zivilprozesses wurde deutlich, wie stark Unterhaltung and Medialisierung nicht nur Politik und Nachrichten, sondern auch die Rechtsprechung in den USA betreffen können.

Männliche Gewalt gegen Frauen

Dieses Buhlen um Aufmerksamkeit birgt die Gefahr, dass schwerwiegende Probleme bagatellisiert werden können. Schließlich handelt es sich nicht um Fiktion: Amber Heard und Johnny Depp sind reale Menschen.Häusliche Gewalt, um die es in dem Prozess ging, ist ein weltweit verbreitetes Phänomen. In Deutschland etwa werde jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von physischer und sexualisierter Gewalt, schreibt das Bundesministerium für Familien, Frauen, Senioren und Jugend auf seiner Internetseite. Die meisten machen ihre Gewalterfahrung in der Partnerschaft: Etwa jede vierte Frau wird mindestens einmal Opfer körperlicher oder sexualisierter Gewalt durch ihren aktuellen oder durch ihren früheren Partner. Forschende haben inzwischen festgestellt, dass dem Mord in der Regel die häusliche Gewalt vorausgeht, und der häuslichen Gewalt die psychische. Männliche Gewalt gegen Frauen ist kein Einzelfall, sondern systematisch.

Die Wahrscheinlichkeit hingegen, dass eine Frau einen Mann fälschlicherweise der sexualisierten Gewalt beschuldigt, ist verschwindend gering: Die BBC berichtete im Jahr 2018, dass nur rund acht Prozent aller Vergewaltigungs-Anschuldigungen falsch seien.

Die britische Feministin Laura Bates, Begründerin des "Everyday Sexism Project" (deutsch: "Alltäglicher Sexismus"), bringt es für die Zeitschrift "Elle" so auf den Punkt: "Es ist 270-mal wahrscheinlicher, dass ein Mann vergewaltigt wird, als dass er jemals fälschlicherweise einer Vergewaltigung beschuldigt wird."

Amber Heard vs. #MeToo-Bewegung?

Viele Kommentatoren versuchten, in den letzten Wochen aufgrund des Prozesses die #MeToo-Bewegung für tot zu erklären. Die Organisation vom MeToo-Movement veröffentlichte dazu Ende Mai folgendes Statement: "Die Art und Weise, in welcher #MeToo während des Johnny Depp vs. Amber Heard Verfahrens herangezogen und manipuliert wurde, ist eine toxische Katastrophe und eine der größten Diffamationskampagnen gegenüber der Bewegung, die wir je erlebt haben. (...) In den letzten sechs Wochen wurden Übergriffe verharmlost, lächerlich gemacht, mit Scham beladen."

USA Johnny Depp-Amber Heard-Prozess | Unterstützer vor dem Gerichtsgebäude
Dieser Demonstrant drückt am 23. Mai 2022 in Fairfax seine Unterstützung für Amber Heard aus.Bild: Cliff Owen/ZUMA Wire/IMAGO

Das alles weisen die Köpfe der #MeToo-Bewegung klar zurück, auch die Assozierung mit Amber Heard. Nichts davon, keine dieser clickheischenden Newsstories, habe mit der wirklichen Arbeit zu tun, sexuelle Gewalt zu bekämpfen, so die Organisation: "#MeToo bleibt die größte Bewegung zur Anerkennung von Opfern und der Verbreitung von sexueller Gewalt. Seit der Hashtag viral ging, hat eine Verschiebung stattgefunden, hin zu mehr differenzierter Berichterstattung über Überlebende sexueller Gewalt und den Langzeitfolgen dieser Gewalt in weiten Teilen der Gesellschaft."

Gesetze ändern sich, aber Vorurteile bleiben lebendig

Unabhängig vom Urteil richtete der Prozess großen Schaden an. Er und die ihn umgebende Mediendebatte, in der das Sympathiependel der Öffentlichkeit zugunsten von Johnny Depp ausschlug, haben offenbart, dass noch immer patriarchale Muster dominieren. Kommentare zum Livestream des Prozesses nannten Heard ein "Monster" und eine "Lügnerin". Obwohl noch kein Urteil gesprochen worden war, waren die meisten Zuschauerinnen und Zuschauer der Meinung, dass die Schauspielerin im Unrecht sei.

Dieses Stereotyp - Frauen wird nicht geglaubt, mit Männern wird sympathisiert - ist uralt. Maria Tatar, Professorin an der Harvard University, zeigte kürzlich in ihrem Buch "The Heroine with 1001 Faces" (deutsch: "Die Heldin mit 1001 Gesichtern") auf, dass es sich dabei um ein kulturelles Muster handelt, das sich von der Antike über die Gründung des modernen Nationalstaates Anfang des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart zieht.

Frauen haben weniger Glaubwürdigkeit - seit der Antike 

Frauen zum Schweigen zu bringen, führte Mary Beard, Professorin für Altertumsforschung in Cambridge, aus, habe eine mehr als 2000 Jahre alte Tradition. Sie beginne schon im Antiken Griechenland. Auch wenn sich die gesetzliche Lage inzwischen gewandelt hat, werden Frauen in der Öffentlichkeit noch immer diskreditiert, beleidigt und sogar bedroht - alle drei Tage wird eine Frau für immer zum Schweigen gebracht, ermordet. In aller Regel durch einen Mann. Gewalt gegen Frauen ist keine Bagatelle. Die Verhandlung der Frage, ob der Prozess Depp vs. Heard dieser wichtigen Maxime nun nachhaltig geschadet hat, bleibt - auch nach dem Urteilsspruch.

Autorin Sabine Oelze
Sabine Oelze Redakteurin und Autorin in der Kulturredaktion