DDR-Architektur in Berlin
Wer die Geschichte Ostberlins verstehen will, sollte vom Alexanderplatz über die Karl-Marx-Allee in Richtung Osten laufen. In seltener baulicher Dichte erzählen die Gebäude von verschiedenen Etappen der DDR-Zeit.
Wahrzeichen am Alexanderplatz
Er ist Deutschlands höchstes Bauwerk und prägt die Silhouette Berlins. Dabei war der Fernsehturm nach der Wende als politisches Symbol Ostberlins zunächst umstritten. Seine Einweihung 1969 verbesserte nicht nur die Funkanbindung der DDR, das Regime wollte mit dem Turm auch Modernität und Leistungsfähigkeit des Sozialismus demonstrieren. Heute steht er unter Denkmalschutz.
Hommage an den Kosmos
Nur ein paar Schritte entfernt, ebenfalls am Alexanderplatz, steht seit 1969 die Urania-Weltzeituhr. Auf einer Säule mit Aluminiumplatten dreht sich ein Zylinder, der in 24 Segmenten die verschiedenen Städte der Erde und deren Uhrzeit anzeigt. Die rotierenden Kugeln über dem Zylinder symbolisieren die Planeten. Wie schon zu DDR-Zeiten ist sie auch nach der Wende ein beliebter Treffpunkt geblieben.
Urbane Umgestaltung
Der Umbau des Alexanderplatzes als zentraler Platz Ostberlins begann jedoch einige Jahre zuvor. 1964 öffnete mit dem Haus des Lehrers das erste Hochhaus am Platz. Mit angrenzender Kongresshalle, einer eigenen Bibliothek, einem Restaurant und Tagungsräumen diente es als Begegnungsstätte für Pädagogen. Nach einem denkmalgerechten Umbau vor einigen Jahren beherbergt es nun Büroflächen.
Kunst am Bau
Der im Volksmund "Bauchbinde" genannte Fries ist noch heute ein Hingucker. Über eine Länge von 125 Metern umläuft er das gesamte Gebäude. Der Künstler Walter Womacka setzte "Unser Leben" aus 800.000 Mosaiksteinchen zusammen. Als Beispiel des Sozialistischen Realismus mischt es damalige Idealvorstellungen vom Leben im Kommunismus mit gewöhnlichen Alltagszenen in der DDR.
Prachtstraße der DDR
Vom zentralen Alexanderplatz führt ein breiter Boulevard mehr als zwei Kilometer schnurgerade in den Osten Berlins: Die Stalinallee, 1961 umbenannt in Karl-Marx-Allee. In ihrem ersten Abschnitt dominieren industriell genormte Plattenbauten aus der späteren Bauphase zwischen 1959 und 1965. Hier standen auch alljährlich die Tribünen, von denen aus das SED-Regime die Paraden verfolgte.
Großes Kino
Etwas zur Straße hin abgesetzt baute man Orte gesellschaftlichen Lebens. Beliebt für Filmpremieren ist bis heute das Kino International aus dem Jahr 1963. Seine offene Glasfront und die gute Tontechnik im Kinosaal ziehen noch immer viele Besucher an. Besonders während des jährlichen Filmfestivals, der Berlinale, sind Karten für einen Film in dieser Kulisse sehr begehrt.
Schwebender Sputnik
Gleich gegenüber liegt das Café Moskau, das seine ursprüngliche Bedeutung verloren hat. In der DDR war es eines von sieben Nationalitäten-Restaurants, die ihren Gästen Einblick in die kulinarische Welt der sozialistischen Bruderländer geben sollten. Der Sputnik, einst ein Geschenk des sowjetischen Botschafters, schwebt noch immer über dem Schriftzug. Die Räume werden nur noch privat vermietet.
Auferstanden aus Ruinen
Der älteste und imposanteste Teil der heutigen Karl-Marx-Allee beginnt nach etwa einem Kilometer am Strausberger Platz. Pompöse Bauten säumen links und rechts den 90 Meter breiten Boulevard. Als sogenannte Arbeiterpaläste sollten sie den DDR-Bürgern im kriegszerstörten Berlin ein zu Stein gewordenes Versprechen sein, dass der Sozialismus eine bessere Zukunft bringe.
Orientierung an Moskau
Chefarchitekt der Prachtstraße Ostberlins war ab 1951 Hermann Henselmann, bis dahin Leiter der Bauhausschule in Weimar. Zwar fühlte er sich der Moderne verbunden, doch die SED-Führung setzte ihre Vorstellungen vom sowjetischen Neoklassizismus durch, auch Zuckerbäckerstil genannt. Bei den Bauarbeiten konnten 70 Prozent der Ziegel aus den Trümmern Berlins wiederverwendet werden.
Einweihung an Stalins Geburtstag
Im Dezember 1952 war es dann soweit: Die ersten Mieter konnten in die begehrten Wohnungen in der Stalinallee einziehen. Die Ausstattung übertraf deutlich das bisherige Maß an Komfort: Neben riesigen Terrassen gab es Aufzüge, Parkettböden, Zentralheizung, eine Wechselsprechanlage und - den in der DDR bis zum Schluss besonders begehrten - Telefonanschluss.
Nur noch Kulisse
Im Erdgeschoss der Wohnhäuser öffneten Cafés und Geschäfte, so wie 1953 die Karl-Marx-Buchhandlung. Jahrzehntelang versorgte sie die Ostberliner mit Thomas Mann, Christa Wolf und Berthold Brecht. Dem Oscar-prämierten Film "Das Leben der Anderen" diente sie als Kulisse. Doch heute ist nur der bekannte Reklameschriftzug geblieben, die Buchhandlung musste 2008 wegen zu hoher Miete schließen.
Symbol für den Terror
Folgt man dem Prachtboulevard weiter nach Osten, geht er nahtlos in die Frankfurter Allee über. Nach knapp vier Kilometern erreicht man Lichtenberg, wo das Areal des einstigen Ministeriums für Staatssicherheit der DDR liegt. Haus 1 beherbergte das Büro des Ministers Erich Mielke und ist heute ein Museum und eine Forschungsstätte zur Stasi-Vergangenheit.
Das Herz des Überwachungsstaates
Eine Ausstellung zeigt über mehrere Etagen Abhörmethoden der Stasi und erzählt die Geschichte des Widerstands in der DDR. Der Höhepunkt ist das Originalbüro von Erich Mielke im zweiten Stock. Von hier aus organisierte er zwischen 1957 und 1989 die flächendeckende Überwachung der DDR-Bürger. Dass diese Räume nun frei zugänglich sind, hat für viele einen hohen symbolischen Wert.