Die Psychologie hinter den Hamsterkäufen
15. März 2020DW: Professor Yap, warum kaufen manche Menschen derart panisch ein?
Andy Yap: Das Coronavirus ist ein unsichtbarer Feind. Wir können es nicht sehen. Und wer seinen Feind nicht sehen kann, verliert das Gefühl von Kontrolle. Wer sein Kontrollgefühl verliert, versucht Dinge zu kompensieren, um das Gefühl von Kontrolle wieder zu erlangen. Bestimmte Dinge zu kaufen, ist eine solche Kompensation.
Wenn ich jetzt in den Supermarkt gehen und etwas kaufen würde, hätte ich dann weniger Angst vor dem Coronavirus?
Unsere Forschungen zeigen, dass Menschen, die das Gefühl der Kontrolle verlieren, beginnen Dinge zu kaufen, die dabei helfen sollen, jene Probleme zu lösen, die dazu geführt haben, dass man überhaupt die Kontrolle verloren hat.
Mit anderen Worten: Wenn Sie Angst haben und das Virus fürchten, dann kaufen Sie Dinge, die möglicherweise verhindern, sich das Virus einzufangen. So kommt es, dass Menschen Masken und Desinfektionsmittel kaufen. Oder auch Reinigungsmittel, um ihre Häuser und Büros sauber zu halten.
Es spielt also keine Rolle, ob diese Maßnahmen wirksam sind. Ich fühle ich mich einfach besser und sicherer, wenn ich etwas kaufe.
So ist es.
Sie erwähnten Ihre Forschung. Welche wissenschaftlichen Studien zu Angst und Panik, und wie Menschen darauf reagieren, haben Sie durchgeführt?
Vor etwa drei oder vier Jahren wollten wir untersuchen, was genau passiert, wenn Menschen Stress und Angst erleben. Und wir stellten fest, dass ein grundlegendes Element, das bisher nicht untersucht worden war, die Bedeutung von Kontrolle ist bzw. das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren. Und so haben wir eine Reihe von Experimenten im Supermarkt und im Labor durchgeführt.
Wir haben festgestellt, dass Menschen bei einem Kontrollverlust mehr funktionelle Produkte kaufen. Produkte also, die ihnen helfen, Probleme zu lösen. Das sind vor allem Produkte, die ihnen helfen, die Kontrolle wiederzuerlangen.
Wenn Kontrolle für die Menschen so wichtig ist, besonders in dieser von Angst bestimmten Zeit, wie würden Sie unseren Lesern helfen, diese Kontrolle wiederherzustellen?
Erstens: Sie benötigen Informationen. Sie müssen verstehen, was passiert, um welchen Virus es sich handelt, wie Sie sich infizieren können und wie Sie diese Virusinfektion behandeln werden kann.
Aber ich würde davon abraten, zu viel Zeit auf Socialmedia-Plattformen zu verbringen. Denn soziale Medien sind ein Echoraum. Ein Grund für viele Panikkäufe ist, dass die Leute Fotos und Videos von anderen Menschen sehen, die Toilettenpapier und andere Dinge kaufen, die in der Folge knapp werden. Das hat auf der ganzen Welt oftmals zu Panikkäufen geführt.
Zu Zeiten von SARS, einer ähnlichen Virusinfektion, eine ähnliche Pandemie, haben wir dieses Verhalten nicht in diesem Ausmaß beobachtet. Damals gab es weniger Panikkäufe, weil die Menschen diesen Echoraum noch nicht mit sich herumgetragen haben.
Andy Yap ist Sozialpsychologe am INSEAD in Singapur. Das Interview führte Conor Dillon.