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Herausforderung digitales Lernen

11. Januar 2021

Deutschland gilt als Nachzügler bei der Digitalisierung der Schulen. Das macht sich bei den erneuten Schulschließungen bemerkbar. Doch auch andere europäische Länder tun sich schwer mit digitalem Unterricht.

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Mädchen sitzt in Bamberg mit iPad und Schulheft am Tisch
Homeschooling in Bamberg Anfang JanuarBild: K. Schmitt/Fotostand/picture alliance

Ausnahmesituation Homeschooling

Eric Grabowski geht es wie allen deutschen Schülern derzeit: Nach den Weihnachtsferien konnte der Zehntklässler nicht zurück an seine Gesamtschule in der Nähe von Kaiserslautern im Südwesten Deutschlands. Also sitzt der 15-Jährige zuhause und kämpft sich dort durch den Unterrichtsstoff. Bis mindestens Ende Januar - so lange gilt der Corona-Lockdown.

"Eigentlich hätte ich jetzt Französisch", erzählt Eric der DW am Telefon. "Ich sitze vor dem Rechner. Aber es funktioniert wieder gar nichts auf der Lernplattform meiner Schule." Eric ist in der Schülervertretung von Rheinland-Pfalz aktiv, die Schulschließungen hält er an sich für richtig.

Aber so wie jetzt könne es nicht weitergehen, sagt er. "Die Serverprobleme müssen einfach gelöst werden, der Digitalunterricht muss funktionieren. Wir wissen ja nicht, ob wir im Februar wieder in die Schule gehen können. Ich weiß noch nicht einmal, ob ich in diesem Jahr meine Abschlussprüfung machen kann."

Eric Grabowski - 10-Klässler an der integrierte Gesamtschule Schönenberg-Kübelberg/Waldmohr
Eric Grabowski daheim am LaptopBild: Privat

Sieben Milliarden Euro für digitale Schulen

Erics Gesamtschule in der Nähe von Kaiserslautern im Südwesten Deutschlands ist nicht die einzige, die mit der Umstellung auf Fernunterricht zu kämpfen hat. In vielen Teilen des Landes berichten Schüler und Lehrer von ähnlichen Schwierigkeiten. Deutschland scheint in Sachen Fernunterricht immer noch hinterherzuhinken - fast ein Jahr nach dem ersten Coronavirus-Fall im Land und mehr als neun Monate nach den ersten Schulschließungen im März 2020.

Deutsche Schulen tun sich schon lange schwer mit der Digitalisierung, sagt Nina Brandau vom deutschen IT- und Telekommunikations-Branchenverband Bitkom. Bund und Länder hatten den sogenannten Digitalpakt im Zuge der Coronavirus-Pandemie im Juli 2020 aufgestockt, insgesamt rund sieben Milliarden Euro haben sie den Schulen zur Digitalisierung versprochen.

"Unglaublich bürokratisch"

"Aber es dauert, bis diese Mittel bei den Schulen ankommen", sagt Brandau der DW. "Es sind einfach unglaublich bürokratische Prozesse." In Deutschland sind zahlreiche Behörden auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene an den Antragsverfahren beteiligt. "Andere Länder können das besser", sagt Brandau.

Vor der Pandemie gab es an deutschen Schulen nur sechs Computer für jeweils zehn Schüler. Zahlen der OECD aus dem Jahr 2018 zeigen: in anderen Industrieländern war die Ausstattung besser: mit durchschnittlich fast neun Computern für zehn Schüler.

Nina Brandau, Bitkom-Referentin Public-Affairs-Team
Nina Brandau fordert mehr Angebote zur digitalen Weiterbildung von LehrernBild: bitkom e.V./Foto: Martin Klemmer

Seit den ersten Corona-Schulschließungen haben sich viele deutsche Schulen daher auf die Anschaffung von Laptops und Tablets konzentriert. Eric Grabowski sagt, seine Schule habe im vergangenen Herbst 120 Laptops erhalten. Sie wurden an Schüler verteilt, die zu Hause keine eigenen Geräte haben.

Endgeräte allein machen keinen Unterricht

Möglichst viele solcher Endgeräte anzuschaffen reiche jedoch nicht aus, sagt Brandau. "Wir brauchen Lehrer, die mit digitalen Tools umgehen können und wirklich pädagogischen Mehrwert daraus ziehen." Dafür brauche es mehr Weiterbildungsangebote und eine bessere Vorbereitung schon im Lehramtsstudium. "Da gibt es einfach noch viel Nachholbedarf. "

Ein weiteres Problem ist der Mangel an schnellen und zuverlässigen Internetverbindungen. "Wenn Sie in bestimmten Gegenden in Deutschland wohnen, dann können Ihre vier Kinder nicht gleichzeitig am hybriden Unterricht teilnehmen. Außerdem fehlt es an vielen Schulen noch an leistungsfähigen Internetanschlüssen", sagt Brandau.

Nichts faul in Dänemark?

Auf die Frage nach europäischen Ländern, die weiter sind, nennt Brandau Dänemark und Estland. "Sie setzen schon länger digitale Medien in der Bildung ein, es gibt Wi-Fi in allen Schulen. Lehrer und Schüler waren deshalb besser darauf vorbereitet, diese Tools zu nutzen." Auch Länder wie Finnland oder die Niederlande werden regelmäßig als Vorbilder in Europa genannt.

Symbolbild I Homeschooling im Lockdown
Vorbild Niederlande: dieser Zehnjährige in Rotterdam lernt digitalBild: Robin Utrecht/picture alliance

Doch selbst Länder, die beim digitalen Unterricht als Vorreiter in Europa galten, habe die Coronavirus-Pandemie kalt erwischt, sagt der der dänische Medienforscher Jesper Tække von der Universität Aarhus. In Dänemark habe die Pandemie gezeigt, dass die meisten Lehrer immer noch nicht über die IT-Kenntnisse verfügten, die für guten Digitalunterricht nötig seien.

Hausaufgaben per Mail

"Es fällt den Lehrern schwer, sich auf die digitale Medienwelt einzustellen", sagt Tække der DW. "Da herrscht viel Angst." Die dänische Regierung habe zwar sehr viel Geld in Hardware investiert. "Die Lehrer haben digitale Tafeln, Netzwerke, Computer und all das. Aber sie haben sehr wenig Zeit, um den Unterricht tatsächlich vorzubereiten und Ideen für digitale Bildungsangebote zu entwickeln."

Seine Studien hätten gezeigt, so Tække, dass acht von zehn Grundschülern im Land während der Pandemie keinen wirklich digitalen Unterricht gehabt hätten. Sie hätten nur Hausaufgaben geschickt bekommen, die sie anschließend selbst erledigen mussten.

Computermangel von Nord bis Süd

Die Berichte aus vielen anderen Ländern klingen weit dramatischer. Aus Italien und Griechenland werden abgestürzte Server und fehlende Hardware gemeldet. Und in Großbritannien sagten laut einer Studie der Wohltätigkeitsorganisation Teach First drei von vier Schulleitern, ihre Schüler hätten keinen ausreichenden Zugang zu digitalen Endgeräten und dem Internet.

Das englische Bildungsministerium hält dagegen, die Schulen seien "gut darauf vorbereitet, Fernunterricht zu erteilen". 560.000 Laptops und Tablets seien demnach im letzten Jahr an Schulen ausgegeben worden und weitere 100.000 in der zweiten Januarwoche 2021.

Schule in Corona-Zeiten

In Großbritannien und vielen anderen europäischen Ländern schauen viele Schüler, Lehrer und Eltern dennoch mit Sorge auf die kommenden Monate. Es wird befürchtet, dass insbesondere Kinder aus ärmeren Familien abgehängt werden, wenn die Schulen längere Zeit geschlossen bleiben. Digitales Lernen, so scheint es, bleibt eine Herausforderung, selbst in den reichsten Ländern Europas. Besonders schwer haben es dabei auch jüngere Schüler.

Kleine Schüler brauchen Hilfe

Das kann Oliver Best bestätigen. Sein achtjähriger Sohn geht in die zweite Klasse und hatte seine erste Stunde Fernunterricht, nachdem seine Schule in Ludwigshafen in Rheinland-Pfalz nach den Weihnachtsferien nicht wieder geöffnet hatte. "Er war der einzige in seiner Gruppe, der es geschafft hat, die Videokonferenz zum Laufen zu bringen", erzählt Best der DW am Telefon. "Einige konnten sich nicht einloggen, bei andere brach immer wieder die Verbindung ab, und einige Schüler konnten nur den Ton hören und hatten kein Video."

Oliver Best arbeitet in der IT-Branche. Seine Söhne haben Glück - sie haben die nötige Hardware und ihr Vater kann helfen, wenn es technische Problem gibt. Seinem Achtjährigen habe der Fernunterricht sogar Spaß gemacht, sagt Best. Doch er hofft, wie so viele andere auch, dass möglichst bald wieder normaler Schulunterricht stattfinden kann.