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Christopher Street Day: Queer in Berlin

Elliot Douglas
22. Juli 2023

Eine der größten LGBTQ+ Pride-Demonstrationen in Deutschland, der Christopher Street Day (CSD) in Berlin, rechnet mit rund 500.000 Teilnehmenden. Diese fünf Dinge sollte man wissen.

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Bunte Menge beim Berliner Christopher Street Day
500.000 Menschen werden am Samstag zum CSD - hier ein Foto von 2022 - in Berlin erwartet Bild: Christoph Soeder/dpa/picture alliance

1. Es ist eine Demonstration - und keine Parade

Die Organisatorinnen und Organisatoren des Christopher Street Day betonen, dass sie den CSD als "Demonstration - und nicht als Parade" verstehen.

Er geht auf die Stonewall-Unruhen in der Christopher Street in New York City im Juni 1969 zurück. Polizeibeamte drangen gewaltsam in eine Schwulenbar in Manhattan ein, wogegen sich die queere Community zur Wehr setzte. Zu dieser Zeit war Homosexualität in den meisten Teilen der USA illegal.

Ein Jahr später, am Jahrestag der Unruhen, fand der erste Pride-Marsch statt. Der Aufstand gilt als der Beginn der modernen Befreiungsbewegung für Homosexuelle. Da die Rechte von Homosexuellen in vielen Teilen der Welt immer noch bestritten werden, setzt sich auch der Berliner Christopher Street Day für diesen Kampf ein.

2. Kampf für mehr Akzeptanz unterrepräsentierter Gruppen

Der diesjährige CSD steht unter dem Motto: "Be their voice - and ours! … für mehr Empathie und Solidarität!" Das Programm konzentriert sich auf vier Themen: So will der CSD unterrepräsentierten Stimmen in der queeren Community mehr Gehör verschaffen.

1. HIV/AIDS: Menschen, die in wohlhabenderen Ländern mit HIV leben, sind dank der modernen Medizin weitgehend in der Lage, ein normales Leben zu führen, werden aber immer noch diskriminiert und stigmatisiert.

2. Regenbogenfamilien: Die Gleichstellung der Ehe und die Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare sind in Deutschland seit 2017 legal.

3. Kink und Fetisch: Diese Begriffe beziehen sich auf einvernehmliche sexuelle Praktiken, wie z.B. Lederfesselungen, die auch in der queeren Szene verbreitet sind, jedoch ebenfalls oft stigmatisiert werden.

4. Safer Spaces für TIN/Bi+/Poly: TIN bezieht sich auf trans- und intergeschlechtliche sowie nicht-binäre Personen. Bi+ meint Menschen, die sich von mehreren Geschlechtern oder auch Dingen angezogen fühlen. Poly bezieht sich auf polyamore Menschen, also Personen die offen mehrere Beziehungen führen, sowie polysexuelle Menschen, die offen außerhalb der Beziehung Sex haben. Sie alle sind immer wieder Anfeindungen ausgesetzt und so ist es dem CSD ein Anliegen, auch für sie für geschützte Orte (safer spaces) einzutreten.

Nicht Mann - nicht Frau - geschlechtslos!

3. Top-Act beim CSD 2023: Tokio Hotel

Der CSD soll ein riesiges Fest werden. Rund eine halbe Million Menschen haben sich angemeldet, dazu 77 Festwagen und mehr als 100 Fußgruppen. Entlang der sieben Kilometer langen Route und vor allem auf dem letzten Stück vor dem Brandenburger Tor spielt überall Musik, dazu gibt es Essens- und Verkaufsstände.

Dort wird auf einer großen Bühne auch Live-Musik gespielt. Top-Act in diesem Jahr ist die deutsche Elektropop-Band Tokio Hotel. Nach dem Event stehen dann mehrere offizielle After-Partys auf dem Programm, bei denen bis in die frühen Morgenstunden - oder auch länger - getanzt werden kann.

LGBTQI in Deutschland

4. Politische Präsenz

Der diesjährige CSD ist der erste seit dem Amtsantritt von Berlins Bürgermeister Kai Wegner im April dieses Jahres. Mit ihm wurde seit mehr als 20 Jahren zum ersten Mal wieder jemand aus den Reihen der konservativen Christdemokraten (CDU) in das Amt gewählt. Seine Partei wurde dafür kritisiert, nicht immer auf der Seite der queeren Community zu stehen - unter Bundeskanzlerin Angela Merkel stimmte eine Mehrheit der Abgeordneten 2017 gegen die Gleichstellung der Ehe, und der derzeitige Vorsitzende Friedrich Merz brachte 2020 in einem Interview Schwule und Kindesmissbrauch miteinander in Verbindung. Er erntete dafür harsche Kritik.                               

Berlins Bürgermeister Wegner allerdings präsentiert sich bewusst als Verbündeter der Queer-Community. So ernannte er den Sozialdemokraten Alfonso Pantisamo zum ersten Queer-Beauftragten der Stadt. Beide werden auf dem CSD Reden halten.

5. Zu viel Kommerz und Verdacht der Untreue

In diesem Jahr sind die CSD-Organisierenden ziemlich unter Beschuss geraten. Der Vorwurf: Zu viel Kommerz beim Event. So hätten sie zum Beispiel zu viele Wagen mit Firmenwerbung zugelassen. Außerdem sollen Mitglieder des Führungsteams Gelder veruntreut haben, wie im Juni erstmals von einer Berliner Zeitung berichtet wurde. In erster Instanz entschied ein Berliner Gericht in diesem Fall zugunsten des CSD-Teams, heißt es in einer Pressemitteilung vom 17. Juli, weitere Urteile stehen noch aus.

Regenbogenfahne zum CSD am Großen Stern
Regenbogenfahne zum CSD am Großen Stern in BerlinBild: Jens Kalaene/dpa/picture alliance

Die vom Berliner CSD-Verein organisierte Veranstaltung ist nur eine von mehreren Pride-Veranstaltungen, die im Sommer in der Hauptstadt stattfinden. Die meisten von ihnen kritisieren den kommerziellen Charakter des größten Events der queeren Community.

Adaption aus dem Englischen: Sabine Oelze und Suzanne Cords